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Teenager

Nicht mit meiner Tochter

Anja Schimanke · 05.03.2018

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Mittels "me too" bekennen sich seit einiger Zeit die Opfer sexueller Belästigung und Gewalt. © iStock.com/nito

Mittels "me too" bekennen sich seit einiger Zeit die Opfer sexueller Belästigung und Gewalt. © iStock.com/nito

Sexuelle Belästigung gibt es überall, jeden Tag. Mädchen sind häufiger Opfer von sexualisierten Übergriffen, aber auch Jungen sind betroffen, fühlen sich unsicher, bedrängt, ernsthaft bedroht. In der Schule, am Arbeitsplatz, im öffentlichen Raum und im Internet.

Weil sich Paula beobachtet fühlt, blickt sie von ihrem Handydisplay hoch und kann es nicht fassen: Der Mann, der ihr in der Straßenbahn schräg gegenüber sitzt, starrt sie unverhohlen an und grinst. In der zuckenden Hand sein erigierter Penis! Gerade als die Bahn quietschend vom Neumarkt in den Mauritiussteinweg abbiegt, findet seine Masturbation ihren Höhepunkt. „Alter, ist das ekelhaft!“ Die 16-Jährige ist schockiert und will nur noch eins: raus aus der Bahn und so weit weg wie möglich von diesem Typen. Am Zülpicher Platz steigt er mit ihr aus, verfolgt sie. Was kann sie tun? Schreien? Weglaufen? „Ich hatte super Angst“, erinnert sie sich. „Und dann hat er mich noch nach meiner Nummer gefragt …!“ Paula ist nicht ihr echter Name. Den sollen wir nicht veröffentlichen. Die Story, wie sie es nennt, sei ihr voll peinlich. Paula ist kein Einzelfall! Belästigungen und Übergriffe auf Jugendliche finden täglich statt, zu jeder Tageszeit, in der Schule, am Ausbildungsplatz, beim Feiern. Insgesamt sind Mädchen häufiger betroffen als Jungen. Mehr als jeder zweite Jugendliche ist schon einmal Opfer einer verbalen sexuellen Belästigung geworden. Dass Witze über ihren Körper gemacht und üble Gerüchte verbreitet wurden, haben rund 40 Prozent erlebt, so das Studienergebnis des Deutschen Jugendinstituts. Die Täter waren überwiegend Mitschülerinnen und Mitschüler sowie Jugendliche außerhalb der Schule. Befragt wurden über 4.000 SchülerInnen der 9. Jahrgangsstufe aus vier Bundesländern, darunter NRW. Die meisten Betroff enen schweigen aus Unsicherheit und Angst, nicht ernst genommen zu werden oder sich rechtfertigen zu müssen. Viele verdrängen Übergriffe, suchen nach Entschuldigungen oder auch die Schuld bei sich.

„Nicht mit mir!“

Viele Mädchen und auch Jungen, die Opfer sexueller Belästigung sind, sind überrumpelt, beschämt, peinlich berührt und wissen nicht, wie sie sich wehren können. Das Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit macht sich breit. Wie soll man sich verhalten? Was kann man tun? „Sich klar abgrenzen und freundlich, aber bestimmt sagen: ‚Lassen Sie das! Ich möchte das nicht!, sagt Präventionstrainerin Heike Afflerbach-Hintzen. Selbstbewusstes Auftreten, Stopp sagen, Grenzen aufzeigen, das bleibt nicht wirkungslos, so die Expertin. Doch das ist für viele Mädchen eine Herausforderung, besonders wenn die Übergriffe am Ausbildungs- oder Arbeitsplatz passieren. Drei von fünf Frauen in Deutschland haben seit ihrem 15. Lebensjahr sexuelle Belästigung erlebt; bei 33 Prozent gab es Grenzverletzungen im Arbeitsumfeld, oft besteht ein großes Machtgefälle zwischen Tätern und ihren Opfern und in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen wie Ausbildung oder Probezeit. „Nicht mit mir!“ – so heißt ein spezielles Selbstbehauptungstraining für Mädchen und junge Frauen, das 2017 erstmalig an einer weiterführenden Schule angeboten wurde und während des regulären Unterrichts stattfand. Am Joseph-DuMont-Berufskolleg hat Heike Afflerbach-Hintzen neunzig Schülerinnen in einem vierstündigen Workshop konkrete Verteidigungsstrategien vermittelt, sie gestärkt und über ihre Rechte informiert. Neunzig von insgesamt 3.000, davon die Hälfte Mädchen – ein Anfang. Ähnliche Angebote auch für Jungs sollen folgen. Initiiert wurde das Angebot vom Bündnis des Amtes für Gleichstellung von Frauen und Männern der Stadt Köln, des ZONTA Clubs und der Lobby für Mädchen e. V.

Präventionskonzept EDELGARD soll zu mehr Schutz und Sicherheit im öffentlichen Raum beitragen.

Mehr Schutz und Sicherheit in Köln

Damit sich Mädchen und Frauen ohne Angst im öffentlichen Raum bewegen können, wie, wo und wann sie es wollen, wurde Anfang des Jahres EDELGARD ins Leben gerufen. Mit dem Präventionsprojekt will die „Kölner Initiative gegen sexualisierte Gewalt“ zu mehr Schutz und Sicherheit im öffentlichen Raum beitragen. „Mädchen sollen feiern und rumlaufen, wie sie möchten. Nicht sie müssen sich ändern“, sagt Mit-Initiatorin Frauke Mahr, „Wir alle sind verantwortlich, etwas zu ändern, damit es besser wird.“ Mit „wir“ meint Mahr die Stadtgesellschaft, insbesondere Kölner Unternehmerinnen und Unternehmer – von Apotheken über Buchhandlungen und Restaurants bis hin zur Zoohandlung. Sie sollen die Initiative unterstützen, indem sie ihre Räumlichkeiten als Anlaufstelle (erkennbar an einem Aufkleber an Tür oder Schaufenster) bei Belästigungen öffnen. Fühlen sich Mädchen und Frauen akut bedroht und bedrängt, finden sie hier einen geschützten Raum. Kathlen Peter vom Kölner Amt für Gleichstellung: „Unser Ziel ist es, ein flächendeckendes Angebot in ganz Köln zu schaffen. Wünschenswert wäre, dass in jedem Viertel sichere Orte für Mädchen und Frauen sind.“

Wir haben mit vielen Mädchen und jungen Frauen gesprochen, die jeweils ihre ganz eigenen Geschichten zum Thema sexualisierte Gewalt und sexuelle Belästigung zu erzählen haben. Lest weiter auf Seite 2.

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