Teenager
Schulgärten - Mehr Vielfalt auf dem Schulgelände
Text & Fotos: Ursula Katthöfer · 29.06.2021
zurück zur ÜbersichtWildblumenwiese im Schulgarten © Tobias Littschwager
Auszeit vom Schulalltag
Im Schulgarten treffe ich immer nette Leute. Es ist angenehm, dort vom Schulalltag wegzukommen. Vor dem Lockdown bin ich in jeder großen Pause hin. Mein Freund und ich haben das Rankgerüst mitgebaut. Es ist etwa 2,50 Meter hoch und fast zehn Meter breit. Die Metallhülsen, mit denen die Holzbalken im Boden verankert sind, haben wir mit einem Vorschlaghammer eingeschlagen. Die Balken wurden festgebohrt und mit Querstreben verstärkt, damit sie auch bei Wind stabil bleiben. Am Fuß jedes Balkens haben wir eine Rose eingepflanzt. Die sollen hochranken, damit ein Rosentunnel entsteht.
Auch beim Teich haben mein Freund und ich mitgemacht. Wir haben die Teichfläche von Anfang bis Ende ausgebuddelt und die Teichfolie zugeschnitten. Da der Teich einen Nebenarm hat, brauchten wir unterschiedliche Stücke. Am Rand haben wir Natursteine einzementiert und die Folie darunter befestigt. Jetzt wachsen dort verschiedene Seerosen, Gräser und Schilf.
Carl Sporn, 15 (Foto: privat)
Beitrag zum Schulleben
Schon als ich in der 5. Klasse war, habe ich gern gegärtnert und bin in die Garten-AG gegangen. Jetzt bin ich in der Q1. Der Garten ist bis heute meine Art, am Schulleben aktiv teilzunehmen. Ich interessiere mich sehr für Biologie und habe jetzt einen Bio-Leistungskurs. Doch im Garten geht es nicht nur ums Lernen, wir machen etwas Handfestes. Hier haben wir das Rankgerüst für die Wildrosen gebaut, den Teich angelegt und eine Blumenwiese ausgesät. Wir wollen nicht nur den Garten, sondern das gesamte Schulgelände schöner machen. Hinter der Mensa haben wir Sträucher angepflanzt, Schneeball und Faulbaum. Dort steht auch unser Bienenstock. Da mein Opa auch Bienen hat, kenne ich mich damit ein bisschen aus.
Mit unseren Aktionen sorgen wir für mehr Vielfalt. Früher hat die Stadt unseren Schulhof gepflegt. Es gab Rasen und Bodendecker, die leicht zu pflegen waren und selten geschnitten werden mussten. Das war ein einseitiger Wildwuchs.
Vivien Nowak, 17
Neuer Blick auf die Natur
Seitdem ich im Naturgarten mitarbeite, nehme ich die Natur anders wahr. Ich fühle mich im Wald sehr wohl. Dort mache ich schöne Spaziergänge. Die können kurz sein, weniger als eine halbe Stunde. Doch manchmal wandere ich im Königsdorfer Wald bis zum Gipfelkreuz auf der Glessener Höhe. Im Wald gibt es immer wieder Rehe, die man vom Weg aus sieht. Letztes Jahr wurden wegen des Borkenkäfers viele Bäume abgeholzt. Jetzt beobachte ich, dass viele Setzlinge sprießen.
Nicht nur im Wald achte ich ganz anders auf die Natur, auch zuhause. Ich habe zum Beispiel einen Avocadokern, der einen Trieb gebildet hatte, eingepflanzt. Die Pflanze steht auf dem Fensterbrett und man sieht jeden Tag, dass der Trieb wächst. Ich habe auch ein Einblatt. Das ist eine Grünpflanze, die man nicht jeden Tag gießen muss. Sie ist gut für die Luft im Raum. Schon die NASA hat damit Experimente gemacht, um zu prüfen, ob das Einblatt die Luft in Weltraumkapseln filtert.
Sandro Lobbene, 17
Verzicht auf chemische Mittel
Wir haben zuhause einen Dachgarten. Dort wachsen rote und weiße Himbeeren, ganz viele Rosen und Geranien, die wir vom Wohnzimmer aus sehen. Auch Tomaten stehen dort. Zum Düngen nutzen wir keine chemischen Mittel. Meine Mutter sammelt Regenwasser, lässt es ein paar Tage stehen und tut Trockenhefe hinein. Damit wird gegossen. Die Hefe aktiviert die Pflanzen. Wenn eine Zimmerpflanze einen Schädling wie die weiße Fliege hat, stellen wir ein Schälchen mit etwas Süßem und Spülmittel daneben. Davon werden die Schädlinge angezogen und versinken im Wasser. Ameisen lassen sich durch Backpulver abhalten. Das wird am Fuß der Pflanze ausgestreut. Man muss allerdings die Erde trocken halten.
Meine Familie stammt aus Kasachstan. Dort hatte sie früher viele Gärten. Blumen und Bäume wurden auf natürliche Weise gepflegt. Das tun wir bis heute.
Kristina Vidaev, 17
Eigenes Obst und Gemüse
Ich lebe vegan und esse sehr viel Gemüse. Zucchini und Tomaten baue ich selbst an. Wir haben auch Himbeeren, Jostabeeren und Johannisbeeren im Garten. Es ist eine Superidee, Flächen durch eigenen Gemüseanbau sinnvoll zu nutzen. Das spart Kosten und Verpackungsmüll aus dem Supermarkt. Die Lebensmittel schmecken auch anders. Dabei fließt vor allem ein, dass man sich selbst die Mühe gemacht hat. Wenn Gurken bitter sind, werden sie geschält. Denn die Bitterstoffe sitzen unter der Schale. Zucchini wachsen im Überfluss. Man kann viel mit ihnen machen, ich lege sie z.B. auf den Grill. Gerade zu Corona brauchen viele ältere Menschen Hilfe. Ich verschenke Gemüse an die Nachbarn.
Die Pflanzen werden in kleinen Gefäßen angezüchtet und später ausgesetzt. Wir haben eine Regentonne im Garten, um mit dem Wasser zu gießen. Unser Kompost gibt noch nicht viel her, doch wir düngen sowieso wenig. Man sieht den Pflanzen an den Blattverfärbungen an, wenn Nährstoffe fehlen.
Louisa Heydegger, 18
Lebensraum für Insekten
Wir Menschen nehmen den Bienen viel Lebensraum. Dort, wo Häuser gebaut werden, verschwinden Bäume und Wiesen. Doch Bienen sind unglaublich wichtig, nicht nur als Nutztiere, weil sie Honig produzieren. Sie dürfen nicht aussterben. Deshalb habe ich im Schulgarten bei der Bienenhilfe mitgebaut. Wir haben Löcher in Holz gebohrt, damit die Bienen sich dort einnisten können. Das war im vergangenen Jahr. Jetzt ist das Bienenhaus schon sehr gut bewohnt.
Zuhause habe ich eine Insektenwiese mit ganz unterschiedlichen Blumen ausgesät. Ich habe eine unkomplizierte Mischung für eine Naturwiese genommen. Dort können Bienen Nektar finden. Wir haben zwei Pferde. Einen Baum, der am Pferdestall gefällt wurde, lassen wir liegen. Auch abgestorbene Bäume bleiben stehen, weil sie vielen Arten einen Lebensraum bieten. Sie werden von Pilzen besiedelt. Käfer legen darin ihre Larven ab. Wildbienen haben ihre Brutkammern in den Löchern. Es macht mir Spaß, das zu beobachten.
Marie-Sophie Bremer, 17
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„Im Schulgarten können Jugendliche etwas bewirken“
Tobias Littschwager ist am Gymnasium Frechen Lehrer für Biologe und Sport. Außerdem kümmert er sich seit zwei Jahren um den Schulgarten. Für jüngere Schüler:innen gibt es dort eine Ganztags-AG. Ältere Jugendliche finden sich zusammen, wann immer es etwas zu bauen, pflanzen, säen oder ernten gibt. Im Interview mit KÄNGURUplus-Autorin Ursula Katthöfer schildert Littschwager, was den Garten so wertvoll macht.
Was macht den Naturgarten für Ihre Schüler:innen so interessant?
Sie können aktiv etwas für den Naturschutz tun und selbstwirksam etwas bauen, was wirklich Erfolg hat. Wenn ich den Schüler:innen sage, dass ich sie brauche, kommen sie – egal für welche Arbeit. Einen zusätzlichen Teich anzulegen, Zement für die Uferbefestigung zu mischen und dabei eine Schutzbrille zu tragen, ist echte Arbeit. Sie finden das gut, obwohl sie halb im Scherz von der „Buddel-AG“ sprechen. Nun hoffen wir, dass aus dem älteren Teich Molche in den neuen Teich einwandern.
Die Jugendlichen müssen also warten, bis sich ein Erfolg einstellt?
Die Wildblumenwiese haben wir im Herbst angelegt. Der Boden musste abgeschält werden, das Saatgut wurde ausgebracht. So etwas dauert, aber es funktioniert. Wenn die Wiese blüht, kommen die Insekten. Die Wildrosen, die wir im Herbst eingesetzt haben, werden groß. Es ist ein Riesenerlebnis, etwas wachsen zu sehen. So werden die Schüler:innen darin bestätigt, dass sie etwas bewirken können.
Hat die Gartenarbeit also einen Wert?
Die Schüler:innen erhalten mehr als ein Lob wie „Das hast du aber schön gemacht“. Wir haben einen Mispelbaum im Schulgarten, den ein früherer Kollege vor vielen Jahren gepflanzt haben muss. Die Mispeln sind im November überreif und matschig. Aus diesen Früchten hat die Ganztags-AG der 5. und 6. Klassen Marmelade gekocht. Die Mispeln wurden durch ein Sieb gequetscht, mit Gelierzucker aufgekocht und abgefüllt. Wir haben die Marmelade beim Tag der offenen Tür verkauft. So wurden die Kinder darin bestätigt, etwas Wertvolles gemacht zu haben. Das gilt auch für die Vogelfutterstellen. Dafür haben wir Kokosfett erhitzt, mit Sonnenblumenkörnern und Erdnüssen gemischt und in Tontöpfen abgefüllt. Auch die wurden verkauft.
Wie wirkt sich der Schulgarten auf das gesamte Schulleben aus?
Er ist wie eine Oase zwischen den asphaltierten Flächen. Im Sommer heizt der Schulhof sich extrem auf. Doch hier im Garten ist frischere Luft. Hier sitzen Schwalbenschwanz und Grünspecht im Baum. Die Biologieräume sind direkt daneben, so dass man alle Schüler:innen darauf aufmerksam machen kann.
Stellen Sie fest, dass Ihre Gartenidee über die Schule hinaus Wellen schlägt?
Eltern fragen nach. Die Insektenwiese sieht toll aus, wenn sie blüht. Bilder wie von den Lichtnelken im Teich dringen nach draußen. Wir zeigen, dass eine Blühwiese keine kurzfristige Show ist, sondern dass ein langfristiges Konzept dahinter steht, mit dem die gesamte Stadt aufgewertet werden könnte. Auch Verkehrsinseln könnten naturnäher sein. Das würde sogar den Pflegeaufwand senken. Eine Idee ist daher, mit den Schüler:innen die Wildblumensamen zu ernten und sie beim Tag der offenen Tür zu verteilen.
Haben Sie Kontakt zu Naturschutzverbänden?
Der NABU fragte, ob wir zusammenarbeiten könnten und wollte unser Konzept kennenlernen. Er hat uns mit Samentütchen unterstützt und uns Bestimmungsbücher geschenkt. Das lief über eine ehemalige Schülermutter. Außerdem kooperieren wir mit der Uni Köln. Studierende haben uns geholfen, das Insektenhaus zu bauen. Wir wollen uns weiter außerschulisch vernetzen. Außerdem möchten wir uns von der Kampagne „Tausende Gärten – Tausende Arten“ für unseren Naturgarten prämieren lassen.
Vielen Dank!