Teenager
Typisch Teenie in der Pubertät oder psychisch krank?
Anja Schimanke · 25.05.2018
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Mit 14 findet sich Lena zu dick. Sie hasst ihren Körper, besonders die wabbeligen Oberschenkel. Erst meidet sie Kalorien, dann auch immer häufiger die gemeinsamen Mahlzeiten im Kreis der Familie. Angeblich hat sie schon gegessen. Dass Lena an einer Depression leidet und eine Essstörung hat, ahnen ihre Eltern lange nicht. Und auch nicht, dass sich ihre Tochter mit dem Zirkel in die Haut ritzt, bis sie blutet ...
Max duscht mehrmals täglich und wäscht sich ständig die Hände. Seine Mutter, die oft erst nach 20 Uhr zu Hause ist, bekommt davon nichts mit. Dass Max kaum noch mit ihr spricht, sich in seinem Zimmer vergräbt, viel und lange schläft, ist für sie „typisch Teenie“. Max ist 15 und an einer Zwangsstörung erkrankt …
Alles zu viel – kein Bock auf Nichts
Erwachsenwerden ist kein Kinderspiel. Schon ab dem 11. Lebensjahr beginnt für viele die Achterbahn der Gefühle. Gerade noch himmelhochjauchzend und im nächsten Moment zu Tode betrübt … Während sich der Körper umgestaltet und das Gehirn eine Dauerbaustelle ist, gibt es neben den körperlichen Entwicklungsschritten auch emotionale und soziale Aufgaben: Sich abnabeln, Grenzen austesten, Verantwortung übernehmen, sich verlieben, Trennungen meistern … Die Mehrzahl der jungen Menschen bewältigt die Anforderungen, für manche ist das aber eine große Herausforderung.
In der Pubertät entwickeln sich psychische Störungen leichter. Laut aktuellen Studien erkranken bis zu 10 Prozent aller Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren an einer behandlungsbedürftigen Depression – das sind etwa zwei Schülerinnen bzw. Schüler pro Klasse. Auch hinter aggressivem Verhalten, ADHS oder Schulverweigerung kann eine Depression stecken. Denn häufig geht die Depression mit weiteren psychischen Erkrankungen einher wie beispielsweise Angst- oder Essstörungen. Suizidale Gedanken sind ebenfalls ein Symptom der Depression. Das Risiko eines Suizids ist bei betroffenen Jugendlichen bis zu 20-fach erhöht.
Eine Depression kann jeden treffen
Warum sich bei manchen Kindern und Jugendlichen eine Depression entwickelt? Einen einfachen Grund dafür gibt es nicht. Meist kommen verschiedene psychische und biologische Ursachen zusammen. Das können belastende Lebensumstände wie chronischer Schulstress, Trennung der Eltern, Beziehungsprobleme oder Mobbing sein. Ist ein Elternteil ebenfalls an Depression erkrankt, besteht möglicherweise eine genetische Vorbelastung. Genauso können Depressionen aber auch ganz ohne Auslöser auftreten.
Für Eltern ist nicht leicht zu unterscheiden, ob die Schlafprobleme des Sohnes oder die Selbstzweifel der Tochter eine unbedenkliche Teenie-Phase sind, die wieder vorbei geht oder erste Anzeichen einer psychischen Störung. Dauern die Symptome länger als zwei Wochen an, sollten Eltern mit ihrem Kind sprechen und sich an einen Arzt, eine Ärztin oder Psychotherapeuten wenden. Bei einer frühen Behandlung sinkt die Gefahr, dass eine Depression einen chronischen Verlauf nimmt.
Mögliche seelische und körperliche Symptome bei psychischen Störungen
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Ängste
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Niedergeschlagenheit
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Energielosigkeit
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Keine Lust auf das, was sonst Spaß gemacht hat
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Besonders reizbar
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Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren
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Kopfschmerzen
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Leistungsstörung
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Schlafprobleme
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Magen-/Darmbeschwerden
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Veränderung der Essgewohnheit und Gewichtsveränderung
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Geschwächtes Selbstwertgefühl
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Schuldgefühle
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Wiederkehrende Gedanken an den Tod
Psychische Probleme sind kein Makel
Auch wenn sich von 2004 bis 2012 die Zahl der stationären Behandlungen bei depressiven Patienten zwischen 10 und 20 Jahren laut DAK bundesweit verdreifacht hat, heißt das nicht, dass immer mehr Kinder und Jugendliche an einer psychischen Störung erkranken! „Die Zahl der Diagnosen steigt, weil sich einfach mehr Menschen trauen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen“, so die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Julia Ebhardt von FIDEO (siehe Interview). Dazu käme, dass in den letzten Jahren offener mit psychischen Erkrankungen umgegangen wird. „Und viele Mädchen und Jungen kommen früher in die Pubertät und zeigen entsprechend eher die Symptome.“
In den meisten Fällen reicht eine ambulante Behandlung. „Leider sind 15 bis 20 Wochen Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz keine Seltenheit“, so Julia Ebhardt. Zwar gäbe es viele qualifizierte und gute ausgebildete Psychotherapeuten, aber nicht alle haben eine sogenannte Kassenzulassung. Sie rät betroffenen Eltern, sich an Ausbildungsinstitute für Psychotherapeuten zu wenden. „Da kommt man manchmal schneller an einen Therapieplatz.“
Wie Eltern ihrem Kind helfen können
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Akzeptieren Sie die Gefühle Ihres Kindes.
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Seien Sie für Ihr Kind da. Nutzen Sie die gemeinsame Zeit und reden Sie miteinander.
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Verstärken Sie jedes nichtdepressive Verhalten.
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Unternehmen Sie gemeinsam etwas Entspannendes, Angenehmes, Erfreuliches.
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Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind sich ausreichend bewegt.
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Versuche Sie Ihr Kind zu motivieren, sein Zimmer zu verlassen und soziale Kontakte zu pflegen.
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Ermuntern Sie Ihr Kind, Gedanken aufzuschreiben oder zu zeichnen.
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Schaffen Sie eine warme und einfühlsame Familienatmosphäre. Üben Sie weniger Kritik. Stärken Sie Ihr Kind durch Anerkennung und Lob.
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Sorgen Sie für Erfolgserlebnisse, die das Selbstwertgefühl des Kindes stärken
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Ignorieren Sie auf keinen Fall Drohungen, sich das Leben zu nehmen! Es steckt immer etwas dahinter.
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Achten Sie darauf, dass es Ihnen gut geht.
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Nehmen Sie die Krise als Chance zur Veränderung.
(angelehnt an Nevermann, Christine (2009): Depression im Kindes- und Jugendalter)
Quelle: www.fideo.de/fuer-familie-freunde/tipps-fuer-familie-freunde