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Sicherheit hat Vorrang: Ausbildung zum/zur Chemikant:in
Hanka Meves-Fricke · 04.04.2025
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Romeo Sistig, Chemikant in Ausbildung © Wenke Atkins
Sicherheit hat Vorrang
Schnell kommen wir nicht hinein: Erst einmal heißt es, einen Besucherausweis abholen, dann einen Sicherheitsfilm und die Sicherheitseinweisung ansehen und anhören, dann kommt die Ausrüstung: ein knallroter Overall, Sicherheitsschuhe, Gehörschutz sowie ein Helm, Fluchtfilter und Warngeräte gehören dazu. Nach zehn Minuten sind wir endlich fertig für das Interview.
Sicherheit hat Vorrang: Knallroter Overall und Helm © Wenke Atkins
Ein Güterzug von Köln nach Kapstadt
Hier bei Shell Rheinland werden Kraft- und Heizstoffe, Bitumen, Wasserstoff und Flüssiggase produziert sowie Grundstoffe für weitere Produkte, die wir täglich nutzen, wie Lacke, Farben oder Kleber. Die durchschnittliche Jahresproduktion der Energie- und Chemieprodukte bei Shell Rheinland würde auf einen Güterzug passen, der so lang wäre wie die Strecke von Köln nach Kapstadt.
Romeo Sistig erzählt uns, dass hier viele verschiedene chemische Produktionsprozesse ablaufen: „Die Anlagen hier finde ich spannend und auch wir Auszubildende dürfen schon bei Wartungen und Säuberungen auf dem Gelände mitarbeiten.“
Gut zuhören können gefragt
Romeo möchte uns seinen Lieblingsarbeitsplatz zeigen, das Kraftwerk an den Gaskesseln. Für den Weg dorthin brauchen wir einige Minuten. „Es gibt auch Fahrräder hier“, erzählt Romeo mit einem Schmunzeln. Dann kommt der Hinweis, dass wir uns am Treppengeländer festhalten sollen. Sollte ein Unfall passieren, muss dieser gemeldet und Rat des werkseigenen medizinischen Dienstes, also der Ärzt:innen auf dem Gelände, eingeholt werden. Für alle Arbeiten brauchen die Mitarbeiter:innen tagesaktuelle Genehmigungen.
Chemikant Romeo Sistig erläutert die Schieber der Anlage © Wenke Atkins
„Sicherheit und Einweisungen in die Anlagen machen einen großen Teil des Unterrichts hier vor Ort aus“, erklärt uns Romeo, während er uns die vielen Schieber der Anlage erläutert. „Das Gute ist, dass wir immer Kollegen fragen können, damit wir keine Fehler machen, denn jeder kann zu einem Unfall oder Schlimmerem führen.“
Vielfalt an Aufgaben
Romeo geht flotten Schrittes über das Gelände. „Die Vielfalt der Aufgaben, einerseits das Arbeiten hier draußen und andererseits Büroarbeiten, das macht mir besonders Spaß.“ Gemeinsam mit einer Auszubildenden absolviert er die Ausbildung und ist jetzt im ersten Lehrjahr. In der Berufsschulklasse sind sie 21 Schüler:innen, gut die Hälfte sind junge Frauen.
Seine Ausbildung hat Romeo mit 18 Jahren direkt nach dem Fachabitur am Europakolleg in Wesseling mit Chemieschwerpunkt begonnen. Mit einem Zweier-Schnitt ist er genommen worden. Wichtiger als die Schulnoten ist der Einstellungstest. „Gut ist, dass ich mit dem Auto zur Arbeit fahren kann, denn wir beginnen schon um 7 Uhr morgens“, erzählt er. Dafür endet sein Arbeitstag auch bereits um 15 Uhr und er hat Zeit für seine Freizeitbeschäftigungen, sich mit Freunden treffen oder schwimmen gehen. Später kommt Schichtarbeit über alle sieben Tage der Woche und 24 Stunden hinzu. Der Chemiepark muss rund um die Uhr betreut werden. Doch das stört Romeo nicht. „Dafür gibt es dann ja Zulagen.“
Ganz schön riesig und hoch sind die Anlagen an der Godorfer Straße © Wenke Atkins
Kritische Stimmen über Umweltprobleme in der Chemiebranche hat Romeo noch nicht gehört. „Umweltschutz spielt dafür in der Ausbildung eine große Rolle und wir hier bei Shell erleben gerade eine riesige Umstellung.“ Shell baut zurzeit einen Wasserstoff-Elektrolyseur, und zwar nicht irgendeinen, sondern einen der größten der Welt. Bis 2050 will Shell als Unternehmen Netto-Null-CO₂-neutral werden, also emissionsneutral. Anstatt allein auf den Rohstoff Öl baut das Unternehmen für die Kraftstoff- und Chemikalienproduktion zunehmend auf die Abfallkreislaufwirtschaft, biogene Feedstocks, also biobasierte Einsatzstoffe, und grünen Wasserstoff. Doch eine solche Transformation geht nicht von heute auf morgen.
Spass an Chemie und Mathe ist ein Plus
„Spaß am Chemieunterricht sollte man auf jeden Fall haben, wenn man Chemikant werden möchte, doch Mathematik ist ebenfalls wichtig, um die Formeln zu verstehen und die Arbeit schriftlich festhalten zu können“, erläutert Romeo. Zur Arbeit in den Anlagen gehört das Überwachen chemischer Reaktionen, das Steuern von Produktionsprozessen, das Durchführen von Qualitätskontrollen sowie die Wartung der Anlagen. Ein Teil der Arbeit erfolgt auch im Labor. Shell setzt Drohnen und Roboter zur Kontrolle seiner Anlagen ein. Begeisterung für Innovation und neue Technologien sind daher ebenfalls willkommen. Die Ausbildung selbst dauert dreieinhalb Jahre. Auszubildende können verkürzen. „Wenn es weiter so läuft, kann ich das tun, aber das hängt von den Noten im zweiten Ausbildungsjahr ab.“
Sorgfalt und Zuverlässigkeit sind wichtige Voraussetzungen, um hier zu arbeiten. „Eine Notfallübung habe ich noch nicht erlebt, aber einen Feueralarm.“ Mir fällt die italienische Flagge am Helm des Pressesprechers Sebastian Düring auf. Er antwortet lachend: „Die Flaggen zeigen, welche Sprache wir außer Deutsch noch sprechen. So erkennen Mitarbeitende, die vielleicht nicht fließend Deutsch sprechen, an wen sie sich im Notfall in ihrer Muttersprache wenden können.“
Vom Meister bis zum Studium – Alles ist möglich
Für Chemikant:innen gibt es viele Möglichkeiten, sich weiterzubilden: Chemie oder Verfahrenstechnik studieren oder einen Meister machen. „Ich bin ja erst im ersten Lehrjahr, aber ich könnte mir schon vorstellen, später einen Meister zu machen“, meint Romeo. „Und wer sehen möchte, wie wir arbeiten, kann einen Schnuppertag oder ein Praktikum bei uns machen. Da sieht man am besten, wie vielfältig hier die Arbeit ist.“ Dann zeigt Romeo noch auf die Fackel neben den Schornsteinen der Anlage. „Das ist eine gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitseinrichtung. Wenn es in den Anlagen zu Störungen kommt oder sie ganz abgeschaltet werden müssen, bleiben Gase und andere Stoffe in den Anlagen übrig. Diese können kurzfristig nicht mehr weiterverarbeitet werden und werden an eine Fackel weitergeleitet, wo sie kontrolliert abgebrannt werden.“ Wenn alles ruhig ist, ist nur die kleine Pilotflamme zu sehen, die zeigt, dass die Anlagen für das Abfackeln bereit sind. Und wer Fragen dazu hat oder wissen will, warum dieser Prozess manchmal laute Geräusche macht, kann sich rund um die Uhr an die Shell-Hotline für die Anwohner:innen wenden.
Am Ende unseres Rundganges geht das Ablegen der Sicherheitskleidung viel leichter als das Anlegen. Ich könnte mich dran gewöhnen, sage ich zu Wenke, und sie stimmt mir zu.
Ausbildung als Chemikant:in
Voraussetzungen:
- Mindestens mittlerer Bildungsabschluss. Die meisten Unternehmen erwarten einen Realschulabschluss oder das Abitur sowie Zuverlässigkeit und Sorgfalt.
Ausbildungsinhalte:
- Schulische Themen: Parallel zur Arbeit im Betrieb wird die Berufsschule besucht. Dort wird das notwendige theoretische Wissen in Fächern wie Chemie, Physik, Mathematik und Werkstoffkunde vermittelt. Deutsch und Umwelttechnik gehören auch dazu.
- Berufsbezogener Lernbereich:
- Installationstechnische Arbeiten
- In der Produktionsanlage Arbeitsmittel bedienen
- Organische Grundchemikalien handhaben
- Stoffsysteme trennen und reinigen
- Messtechnik
- Qualitätsprüfungen durchführen
- Thermische und mechanische Verfahrenstechnik
Weiterbildung:
- Studium der Chemie oder Verfahrenstechnik
- Meisterausbildung
- Technische Weiterbildungen
Vergütung:
- Lehrjahr ca. 1.050 Euro
- Lehrjahr ca. 1.100 Euro
- Lehrjahr ca. 1.150 Euro
- Lehrjahr ca. 1.200 Euro
Weitere Infos:
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