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Klar Schiff machen: Ausbildung zum/zur Binnenschiffer:in
Hanka Meves-Fricke · 26.01.2024
zurück zur ÜbersichtAngehender Binnenschiffer Ingmar Laenen © Wenke Atkins
„Während der Corona-Zeit habe ich auf Lehramt studiert“, erzählt mir Ingmar, 22 Jahre alt. „Das hat mir überhaupt nicht gefallen, obwohl ich mir in der Schule immer sicher war, dass das genau das Richtige für mich ist. Nachdem ich das Studium abgebrochen hatte, wusste ich überhaupt nicht, was ich machen könnte oder wollte.“ Zum Glück kannte seine Mutter die Köln-Düsseldorfer, KD, gut und hat dort nachgefragt, ob er nicht ein Praktikum machen kann. Das konnte Ingmar. Zuerst ist er am Mittelrhein mitgefahren. „Es ist superschön, auf dem Mittelrhein zu fahren. Für mich war darum schnell klar, dass ich die Ausbildung machen möchte.“
Klar Schiff machen
Ingmar hat Abitur gemacht, aber viele andere Auszubildende in der Binnenschifffahrt haben einen Hauptschul- oder Realschulabschluss. „Bei uns in der Berufsschule ist sogar ein Auszubildender dabei, der schon über vierzig Jahre alt ist, und einer, der keine Schulausbildung abgeschlossen hat. Die Ausbildung zum/zur Binnenschiffer:in gibt es in zwei Variationen, entweder klassisch oder mit dem gleichzeitigen Erwerb des Kapitänspatents.
Maschinen warten und -schäden erkennen © Wenke Atkins
Doch was gehört eigentlich zur Ausbildung? Klar Schiff machen, dieses geflügelte Wort kennt fast jede:r. Klar Schiff gemacht wird auch bei der KD. „Es ist wichtig, dass sich Gäste an Bord wohlfühlen. Dazu muss das Schiff sauber und sicher sein“, erzählt Ingmar. Doch das ist nur eine Seite der Ausbildung. An Bord müssen die Matros:innen und Kapitän:innen für alles sorgen. „Zuerst schauen wir selbst, wie wir ein technisches Problem auf dem Schiff lösen können. Dazu lernen wir in der Berufsschule, wie die Maschinen laufen und welche typischen Fehler auftreten können. Eine Prüfungsaufgabe besteht darin, dass wir einen Maschinenschaden erkennen und beheben können müssen.“ Wenn sie keine Lösung finden, wird technische Hilfe gerufen.
Technisches und handwerkliches Interesse gefragt
Gerade die technische Ausbildung und der handwerkliche Teil der Arbeit machen Ingmar viel Freude. „Es ist aber auch toll, dass an Bord Menschen aus verschiedenen Nationen arbeiten.“ Zurzeit sind bei der KD Mitarbeiter:innen aus 16 Ländern beschäftigt. „Für uns ist Englisch die Sprache der Verständigung untereinander, wobei die meisten von uns eine andere Muttersprache haben.“ Niederländisch gehört auch zur Ausbildung, denn der Rhein läuft durch die Niederlande. Ingmar lächelt, als er davon erzählt. „Meine Eltern sind Niederländer. Die Sprache wurde mir in die Wiege gelegt.“
„Putzen gehört zur Arbeit. Das ist normal für mich“, ergänzt er. „Aber als ich auf der RMS Goethe stundenlang dieDampfpfeife, die aus Messing ist, wienern musste, da ist mir das schon mal bitter aufgestoßen.“ Zugleich hat er gerade auf diesem Schiff seine Liebe zur Rheinschifffahrt entdeckt. „Die RMS Goethe ist 1913 zu Wasser gelassen worden. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie versenkt, danach jedoch wieder schiffbar gemacht. Früher war sie mit Dampf betrieben und daher muss die Dampfpfeife noch immer geputzt werden.“ Während seiner Ausbildungszeit auf dem Mittelrhein hat sich Ingmar mit der Geschichte des Schiffes beschäftigt, dazu einen Aufsatz für die Berufsschule geschrieben. Stolz zeigt er mir ein Foto vom Gang der RMS Goethe. „Ein Kollege hat das, was ich geschrieben habe, grafisch aufgearbeitet und im Schiff aufgehängt. Jetzt können die Fahrgäste sich darüber informieren."
Gewohnt wird auf dem Schiff
Gut für diese Aufgabe war, dass Ingmar gern im Internet herumsurft und recherchiert.„Früher war ich ein Nerd. Durch die Arbeit und die regelmäßigen Mahlzeiten an Bord habe ich einige Kilos abgenommen.“ Das Besondere bei der Ausbildung zum Binnenschiffer ist, dass alle Schiffsleute an Bord wohnen, während der praktischen und der theoretischen Ausbildungszeiten und später, wenn sie auf dem Schiff arbeiten. Die Berufsschule befindet sich in Duisburg. 380 Schüler:innen aus ganz Deutschland besuchen zurzeit das Berufskolleg. Die Schulzeiten laufen im Block außerhalb der Sommerzeiten, in denen die meisten Schiffe unterwegs sind und die Auszubildenden dringend an Bord benötigt werden. Die Auszubildenden sorgen auch in der Schule täglich für klar Schiff, essen zusammen und verbringen den gesamten Tag gemeinsam. „Das ist wie Hogwarts für Binnenschiffer“, erzählt mir Ingmar begeistert. Für manchen kann das jedoch im täglichen Leben und Arbeiten zu einer Herausforderung werden.
Mehr und mehr Frauen interessieren sich für den Beruf
Die Mehrzahl der Auszubildenden in der Binnenschifffahrt sind Männer, doch mehr und mehr Frauen interessieren sich für diese Arbeit. Die KD hat im letztenSommer eine Frau als Matrosin eingestellt, die ihr Kapitänspatent erwerben möchte. Die jungen Mitarbeiter:innen teilen sich zu zweit eine Kabine. Ab einem goldenen Streifen auf der Uniform – das steht für Steuermann oder -frau – gibt es eine Einzelkabine. „Das war eine der ersten Bemerkungen, die ich an Bord gehört habe: Wenn du was werden willst hier, dann sollte eine Einzelkabine deinZiel sein.“
Ingmar will was werden, nämlich Kapitän. Er macht die Ausbildung über dreieinhalb Jahre. „Die Prüfungen sind anspruchsvoll. Die jetzige Zwischenprüfung im zweiten Jahr entspricht der Abschlussprüfung des Binnenschiffers in früheren Zeiten.“ Neben den technischen Aufgaben interessiert sich Ingmar für die nautischen. „Es ist unglaublich wichtig zu wissen, wie die Wasserwege verlaufen und wo es Untiefen oder einen Grund gibt, gerade jetzt, wo der Wasserstand im Rhein oft niedrig ist. Wir sind schließlich für die Sicherheit der Gäste verantwortlich.“ Wichtig ist bei der Arbeit, dass man teamfähig ist, einerseits um in der Mannschaft an Bord klarzukommen und den Anweisungen des/derKapitän:in Folge zu leisten, andererseits um mit den vielen Gästen umgehen zu können. Zudem sollten Interessent:innen an diesem Beruf über Eigeninitiative verfügen. „Kapitän:innen können nicht immerzu allen Anweisungen geben. Sie sind viel beschäftigt. Matros:innen sollten sich immer an Bord umschauen, wo etwas zu tun ist.“
Auszubildender Ingmar Laenen an Bord der MS Rheinenergie © Wenke Atkins
Erfahrungen sammeln für das Kapitänspatent
Ingmar möchte nach seiner Ausbildung als Matrose Erfahrung an Bord sammeln, sowohl in der Personenschiff- als auch der Frachtschifffahrt. Zusätzlich gibt es noch die Tankschifffahrt. Dafür organisiert die KD Praktika in Zusammenarbeit mit Unternehmen der Frachtschifffahrt. Während der Ausbildung bekommen die Auszubildenden ein relativ hohes Gehalt, sind aber auch oft lange von ihren Familien getrennt. Das ist eine Herausforderung bei der Arbeit an Bord. Oft ist die Mannschaft drei bis vier Wochen am Stück unterwegs und kann erst dann wieder Urlaub nehmen. „Es ist ein schöner Job. Man hat viel Kontakt mit anderen Menschen. Man kann sich ausleben hier in der Arbeit.“ Als ich und die Fotografin von Bord gehen, schauen wir noch einmal zurück: Ja, das ist ein schöner Job.
Ausbildung: Binnenschiffer:in
Voraussetzungen:
- Mittlerer Bildungsabschluss
- Hauptschule, es gibt auch manchmal Leute ohne Abschluss
Inhalte:
- Schulische Themen: Deutsch, Mathematik, Englisch, Niederländisch
- Berufsbezogener Lernbereich: Technik und Nautik sowie Erdkunde inklusive Kunde der Wasserwege, Erste-Hilfe-Kurs, der alle zwei Jahre als Auffrischungslehrgang wiederholt werden muss, sowie Rettung und Bergen. Ausbildung zur oder zum Sachkundigen in der Fahrgastschifffahrt, die alle fünf Jahre mit einer Prüfung bewiesen werden muss.
Weiterbildung:
- Weiterbildung vom Matrosen zum Steuermann und Kapitän
- Studium der Binnenschifffahrt und Hafenlogistik
Vergütung:
- Lehrjahr circa 950 Euro
- Lehrjahr circa 1.050 Euro
- Lehrjahr circa 1.150 Euro
Infos:
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