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Stadtgespräch

Ramadan: Interview mit einer Kölner Imamin Rabeya Müller

Golrokh Esmaili · 29.04.2021

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Imamin Rabeya Müller arbeitet unter anderem im Zentrum für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung. © privat

Imamin Rabeya Müller arbeitet unter anderem im Zentrum für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung. © privat

Am 12. April dieses Jahres hat der Fastenmonat Ramadan begonnen. Diese im islamischen Glauben bedeutungsvolle Zeit begehen auch in Köln und Bonn wieder zahlreiche Muslim:innen. Die 30-tägige Zeit der Entbehrung ist für Muslim:innen von großer familiärer Bedeutung. Sie beinhaltet unter anderem eine dreitägige Festzeit. KÄNGURU spricht mit Islamwissenschaftlerin und Imamin Rabeya Müller über den Ramadan in Corona-Zeiten.

KÄNGURU: Frau Müller, Sie sind Imamin. Können Sie uns erklären, was das ist und was Sie machen?
Rabeya Müller: Eine Imamin oder ein Imam leitet, spirituell gesehen, eine Gemeinde, das heißt
a) das Gebet leiten – dazu gehört auch das Predigen
b) mit der Gemeinde qur'anische Texte erarbeiten
c) Seelsorge für die Menschen innerhalb und auch außerhalb der Gemeinde
d) Eheschließungen vornehmen
e) Bestattungen, aber auch noch viele andere Dinge.
Ich selbst mache das ehrenamtlich, weil unsere Gemeinde niemandem eine volle Stelle bezahlen kann. Das erschwert die Sache natürlich.

War es im Islam schon immer so, dass es weibliche Imaminnen gibt?
Ja, so gab es zum Beispiel in der frühislamischen Zeit eine Frau namens Umm Waraqa, die diese Aufgaben, besonders das Vorbeten, wahrgenommen hat. Die ist aber leider wieder in Vergessenheit geraten. Das Patriarchat hat sich in den meisten Ländern erfolgreich den Imaminnen wiedersetzt.

Gibt es Imaminnen auch in den arabischen Ländern, wie in der Türkei oder im Iran zum Beispiel?
Wie bereits erwähnt: Das Patriarchat hat sich erfolgreich durchgesetzt und obwohl schon einmal Ali Goma, der Mufti an der Azhar Universität in Kairo war, zwar widerwillig zugestanden hat, dass eine weibliche Gebetsleitung auch für gemischtgeschlechtliche Gemeinden möglich ist, hat sich das bisher nicht durchgesetzt. Das wird sicher noch ein langer Weg sein. Wer sich für die theologischen Grundlagen interessiert, kann sich auf der Homepage des Liberal-Islamischen Bundes unter Positionspapiere: Frauen als Vorberterinnen informieren.

Aktuell ist Ramadan. Was ist das? Beziehungsweise wie läuft das ab?
Im Ramadan fastet der/die erwachsene, gesunde Muslim:in vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang, das heißt, wir enthalten uns von Essen, Trinken, Rauchen und des Geschlechtsverkehrs. Möglichst sollen wir uns auch bemühen unsere Zunge im Zaum zu halten und zu trainieren uns der Schimpfworte und der Lästerei über andere zu enthalten. Das ist eine Übung, bei der auch Kinder gut mitmachen können. Nach Sonnenuntergang wird dann das Fasten gebrochen, das nennt sich Iftar, und bis zum nächsten Morgen sind wieder alle oben genannten Dinge erlaubt. Das Fasten dauert einen Monat und hat in diesem Jahr am 12. April begonnen. Da das islamische Jahr ein reines Mondjahr ist, ist es circa elf Tage kürzer als das des allgemeinen Kalenders. Daher wandert der Ramadan durch das Jahr und er wird zum Beispiel im nächsten Jahr elf Tage früher beginnen. Das ist auch eine Art Gerechtigkeitsprinzip, damit alle Muslim:innen auf der Welt auch zwischendurch einmal in den Genuss einer kurzen Tagesfastenzeit kommen können.

Warum wird gefastet? Wofür steht das Fasten?
Das Fasten steht bei vielen für die Solidarität mit den Menschen, die wenig haben. Es steht auch für das Training des eigenen Egos und die Rückbesinnung auf die eigene Spiritualität. Gott sagt, dass wir das Fasten für ihn begehen. Jedenfalls ist es mehr als Hunger und Durst haben. Es gibt laut Qur'an viele Ausnahmen zum Beispiel für Alte, Kranke und Schwangere, aber auch für Menschen, die sich außer Stande sehen zum Beispiel in dieser Zeit um die 16 Stunden zu fasten. Dafür gibt es Ersatzleistungen und niemand darf deshalb schief angesehen werden, denn es sind ja Erleichterungen, die Gott zulässt.

Fastenbrechen/Iftar ist sehr besonders, hier kommen Familien zusammen, um das Fasten gemeinsam zu brechen. Was passiert unter Corona-Bedingungen? Wie geht es den Menschen, die das gemeinsame Fastenbrechen seit Jahren feiern?
Das ist tatsächlich eine schwierige Zeit für Muslim:innen. Vieles geschieht momentan online. Zum Beispiel treffen sich in unseren Familien viele Mitglieder am Bildschirm, um gemeinsam das Fastenbrechen zu begehen und zu beten. Es haben sich viele Veranstaltungen ergeben, um wenigstens einige Teile des Ramadan wie das gemeinsame Qur'anlesen und Gespräche über das Gelesene, auf diese Art und Weise bei zu behalten. Trotzdem trifft die Muslim:innen die fehlende Möglichkeit gemeinsam den Iftar zu begehen in dieser Zeit besonders hart. Aber, wenn Fasten Verzicht bedeutet, dann verzichten wir momentan in diesem Zusammenhang auf eine besondere Weise.

Ab wann sollen/dürfen Kinder/Jugendliche fasten?
Normalerweise ab der Pubertät beziehungsweise, wenn sie körperlich dazu in der Lage sind. Aber auch hier gibt es Ausnahmen wie bei den Erwachsenen. Manche Kinder wollen schon gern mitfasten. Hier ist es wichtig sie langsam an das Fasten heranzuführen und ihnen klar zu machen, dass es nicht verwerflich ist, wenn sie nicht fasten oder das Fasten früher abbrechen. Das ist kein Versagen, sondern etwas, was möglich und okay ist, gemäß der Aussage des Qur'ans in Sure zwei, Vers 286: „Gott fordert von keiner Seele etwas über das hinaus, was sie zu leisten vermag“.

Ist es gesund, den ganzen Tag nichts zu essen und dann am Abend vor dem Schlafengehen?
Eigentlich wäre das eine Frage an ein/e Mediziner:in, aber da jedes Jahr rund um den Erdball Millionen von Muslim:innen fasten ohne dabei einen gesundheitlichen Schaden davon zu tragen, lässt sich die Frage wohl mit „ja“ beantworten. Immer unter der Voraussetzung, dass die erlaubten Ausnahmen auch in Anspruch genommen werden und sich niemand quält.

Was ist außerdem noch wichtig, während der Fastenzeit?
Wie schon erwähnt ist auch das Zügeln des eigenen Temperaments eine Sache, die im Fokus steht. Hier lässt sich Zurückhaltung für das ganze restliche Jahr einüben. Für manche ist der Verzicht auf die oben genannten Dinge nichts, das ihnen schwer fällt. Ich schlage dann manchmal vor, dass sie versuchen sollten während der Fastenzeit auf ihr Smartphone zu verzichten. Das stößt aber meist nicht auf große Gegenliebe.

Bis wann geht die Fastenzeit und was passiert am Ende?
Die Fastenzeit endet, so Gott will, am 12. Mai – das richtet sich nach dem Neumondund – am nächsten Tag beginnen wir eine meist dreitägige Festzeit, die mit einem Festgebet startet. Meist gibt es für die Kinder Geschenke und die Familien besuchen sich gegenseitig. Letzteres wird wohl auch dieses Jahr mit einem Fragezeichen versehen sein. Manche Familien sind schon richtige Spezialist:innen beim Onlinefeiern.

Herzlichen Dank für das Interview.

Rabeya Müller, geboren 1957 in der Eifel, ist Islamwissenschaftlerin, muslimische Theologin, Religionspädagogin und in Köln ehrenamtlich als Imamin tätig. Die ehemalige Katholikin konvertierte Ende der 1970er Jahre zum Islam.

Neben zahlreichen – zum Teil ausgezeichneten – Publikationen arbeitet sie als Vertreterin eines geschlechtergerechten Islams im Zentrum für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung. Daneben engagiert sie sich in verschiedenen Zentren, Kommissionen und Komitees mit islamischem Bezug.

2017 verlieh die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste neben anderen an Rabeya Müller die Toleranzringe. Diese erhalten Vertreter der drei abrahamitischen Religionen zur Förderung von Gerechtigkeit und Toleranz zwischen Christentum, Judentum und Islam.