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Rund ums Baby

Wickeln mit Stoffwindeln

Anja Janßen · 22.07.2021

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Stoffwindeln bestechen häufig mit farbenfrohen Mustern. © Anikonaann/Adobe Stock

Stoffwindeln bestechen häufig mit farbenfrohen Mustern. © Anikonaann/Adobe Stock

Sophia aus Köln hat sich bereits vor der Geburt ihres Sohnes gegen Plastik- und für Stoffwindeln entschieden. Sie erzählt KÄNGURU, wie ihr der Einstieg in die Wickelmethode gelungen ist, und verrät ihre persönlichen Tipps für Anfänger:innen.

Stoffwindeln – das Thema begegnet mir immer häufiger. Im Netz lese ich vermehrt davon, aber auch im Freundes- und Bekanntenkreis ist es zumindest schon Gesprächsthema gewesen. Auch ich bin interessiert an dem Thema, doch die Hemmschwelle ist hoch. Funktionieren Stoffwindeln wirklich? Ist das nicht total teuer?

Dabei ist das Wickeln mit Stoff eigentlich ja nichts Neues. Von jeher wurden Kinder damit trockengelegt. Der Boom der Wegwerfwindel begann in Deutschland erst in den 1970er Jahren und verdrängte die traditionelle Wickelmethode schnell. Inzwischen ist die Stoffwindel jedoch wieder auf dem Markt – mit der klassischen Mullwindel von anno dazumal hat sie aber nur noch wenig zu tun. Heute gibt es sogenannte „Stoffwindel-Systeme“ für jeden Bedarf. Wer sich über das Thema informiert, tritt in einen wahren Dschungel aus farbenfroh gemusterten, saugstarken Windelhöschen ein.

Deshalb suche ich mir für meine Expedition durch den Stoffwindel-Dschungel erfahrene Begleitung: Sophia und Mats aus Köln. Sophia ist Sonderpädagogin und hat sich in der Schwangerschaft intensiv mit dem Thema Stoffwindeln auseinandergesetzt. Ihr Sohn Mats ist mit seinen drei Monaten mittlerweile Profi auf dem Gebiet: Für ihn sind die bunten Höschen Alltag – ob Tag oder Nacht, unterwegs wie zu Hause.

Frau mit Kind in Trage © Anja Janßen
Sophia und Mats sind ein eingespieltes Team, was Stoffwindeln angeht. © Anja Janßen

Tipp 1: Lasst euch beraten!

Sophia und Mats laden mich ein, um mir einmal ihr gesamtes Repertoire an Stoffwindeln zu zeigen. „Das hätte ich mir damals auch gewünscht“, sagt Sophia. „Dass mir jemand, der Erfahrung auf dem Gebiet hat, alles erklärt.“ Denn das schreckt viele Eltern ab: die Komplexität des Themas gekoppelt mit einer hohen finanziellen Investition zu Anfang. Zwischen 350 und 800 Euro zahlen Mütter und Väter im Durchschnitt für eine brandneues Starter-Set. Bei solchen Preisen möchten Eltern natürlich sicher sein, dass sie es auch wirklich „durchziehen“ mit der noch unbekannten Wickelmethode. Häufig sind die Zweifel dann doch größer und ist der Griff zur Wegwerfwindel verlockender.

Und hier schließt sich auch schon ein erster Tipp für Interessierte an: „Im Nachhinein hätte ich gerne eine professionelle Stoffwindelberatung in Anspruch genommen“, sagt Sophia. „Bei diesen Anbietern kann man nämlich auch Pakete für den Anfang mieten.“ Sophia ist einen anderen Weg gegangen und hat durch ausgiebige Recherche im Internet, einen Podcast und viel Ausprobieren zu ihrem Ziel gefunden. Zu Anfang musste sie sich dann für ein Stoffwindel-System entscheiden. Hier rauchen den meisten Interessierten bereits die Köpfe.

Die Stoffwindel-Systeme

Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten: das einteilige System, das zweiteilige und das dreiteilige. Welches System für Eltern das richtige ist, hängt unter anderem davon ab, wie viel Geld sie ausgeben möchten, ob sie vor allem Wäsche sparen wollen und ob sie mehrere Wickelkinder haben.

Das dreiteilige System besteht aus einer Außenwindel, die durch eine herausnehmbare Innenwindel ergänzt wird. Diese Kombination verhindert das Durchdringen von Nässe. Die „Hauptarbeit“ leistet die Saugeinlage, mit der die Innenwindel ausgelegt wird. Die Einlagen werden nach Gebrauch gewaschen, die Außen- und Innenwindel nur bei Bedarf. Das spart Wäsche, weil bestenfalls hauptsächlich die Einlagen im Wäschekorb landen und euer Baby die Außen- und Innenwindel länger trägt. Das zweiteilige System besteht aus einer Saugeinlage plus einer Außenwindel, die den Nässeschutz bereits impliziert. Noch einfacher wird es beim einteiligen System, das quasi der „All-inclusive-Urlaub“ ist. Hier vereint die Stoffwindel Saugeinlage, Nässeschutz sowie Außenwindel und wandert nach Gebrauch als Gesamtpaket in die Waschmaschine. Das ist natürlich einfach in der Handhabung, produziert aber viel Wäsche.

Meine Darstellung ist an dieser Stelle aus Platzgründen vereinfacht. Wer die unterschiedlichen Ausführungen der Systeme, die Pros und Contras und die verschiedenen Materialien kennenlernen möchte, kann sich beispielsweise auf den Webseiten im Serviceteil dieses Artikels informieren.

Tipp 2: Nicht dogmatisch sein!

Zurück zu meinem Besuch bei Sophia. „Komm, ich zeige dir einfach direkt einmal etwas“, sagt sie, nachdem ich den kleinen Mats bewundert habe, der meinen Besuch völlig entspannt aufnimmt. Schon liegt er glücklich strampelnd auf der Wickelkommode und lacht mit einem Origami-Kranich, der an einem Mobile über ihm schaukelt. Auf der Weichholzwickelkommode stehen ein Körbchen mit bunten Stoffwindelhöschen und eine Flasche Olivenöl. Auf einem Regal darüber ist ein Töpfchen Lanolin zu finden, darunter hängt eine Wollhose auf einem Kleiderbügel. Ganz unten in der Wickelkommode zeigt Sophia mir einen überschaubaren Vorrat an Wegwerfwindeln. Denn Stoffwindeln sind für sie und ihren Mann kein Dogma. „Neulich waren wir auf einer Hochzeit eingeladen“, erzählt sie. „Da haben wir Plastikwindeln mitgenommen. Schon allein, weil die Wickeltasche mit den Stoffwindeln und Einlagen so umfangreich wird.“

Stoffwindeln sehen hübsch aus auf der Wickelkommode. © Anja Janßen
Stoffwindeln sehen hübsch aus auf der Wickelkommode. © Anja Janßen

Dass einmal etwas daneben gehe, passiere ihnen aber mittlerweile eher mit Plastik- als mit Stoffwindeln. „Klar, anfangs hatten wir auch mit den Stoffwindeln Unfälle“, berichtet Sophia. Aber sie hat das vielfältige Angebot an Einlagen und Windelhosen getestet und herausgefunden, wie die verschiedenen Materialien reagieren: Einlagen aus Baumwolle und Bambusviskose saugen schnell, Hanf speichert Flüssigkeit langsam und lange. Sophia ergänzt deshalb eine Bambusviskose-Einlage mit einer zusätzlichen Hanf-Einlage. Bei der Außenwindel setzt sie auf Wolle. Die absorbiert nach ihrer Erfahrung Feuchtigkeit hervorragend. Außerdem bleiben auch getragene Wollhöschen in der Regel geruchsfrei, sie lassen sich gut auslüften und müssen selten gewaschen werden. Ein bis zwei Maschinen pro Woche fallen derzeit für die Einlagen an. Diese werden in einem offenen Wäschesack in der Waschmaschine gewaschen. Wollhosen legt sie hin und wieder in Lanolin ein. Das fettet und imprägniert.

Tipp 3: Probieren geht über Studieren!

Das zweiteilige System hat sich für die Familie aktuell als das optimale herauskristallisiert. Sophia nutzt Außenwindeln mit Druckknöpfen oder ersetzt sie durch eine Schlupfhose aus Wolle. Es gibt auch Außenwindeln, die Eltern mit einer Klammer verschließen oder binden. „Man muss einfach viel ausprobieren und dranbleiben, dann klappt es auf jeden Fall“, betont Sophia. Für fast jedes Bedürfnis gibt es eine Lösung. So beispielweise die praktischen „Wetbags“ oder „Nasstaschen“, um gebrauchte Stoffwindeln unterwegs zu transportieren. Oder die Bodyverlängerungen mit Druckknöpfen, wenn die Stoffwindel zu viel Platz im Windelbereich benötigt.

Tipp 4: Lasst euch Zeit!

Außerdem haben sich die Eltern für den Prozess viel Zeit gegeben. „Die ersten beiden Wochen nach der Geburt haben wir erst einmal mit Wergwerfwindeln gewickelt“, erzählt Sophia. Langsam haben sie sich über ein Set für Neugeborene an die andere Wickelmethode herangetastet. „Ich habe auch lange gebraucht, um in der Nacht mit Stoffwindeln zu wickeln“, so Sophia. Doch auch hier hat sie mittlerweile eine zuverlässige Kombination aus Einlagen und Mullwindeln gefunden. „Mit der Zeit wird man kreativ“, weiß Sophia, die manches Mal auch zerschnittene Gästehandtücher als Einlagen nutzt.

Kind auf Arm seines Vaters © privat
© privat

Sophias Umfeld reagiert ganz unterschiedlich auf die unkonventionellen Windeln. Freunde fragten sie, ob es denn wirklich funktioniere. „Ja, zu hundert Prozent“, versichert Sophia. „Mats‘ Kleidung wird nie schmutzig. Wenn die Einlage einmal nicht hält, dann saugt die Überhose aus Wolle.“ Die Kinderärztin fragte, ob Mats denn mit dem nassen Po zurechtkäme. „Ich denke nicht, dass Mats ein Problem mit Nässe hat“, so Sophia. Mittlerweile hat sie erkannt, dass ihr Sohn immer nach dem Schlaf seine Blase entleert. „Da halten wir ihn dann erst einmal über dem Töpfchen ab. So hat er anschließend eine halbe bis ganze Stunde eine trockene Windel.“

Kleiner Exkurs: Abhalten und „windelfrei“

Abhalten – also das Ausscheiden außerhalb der Windel – ist ein Thema, zu dem Sophia über die Stoffwindeln kam. Ihr geht es nicht darum, den drei Monate alten Mats bereits jetzt zur Sauberkeit zu erziehen, sondern sein Bedürfnis nach Ausscheidung zu erkennen und sensibel darauf zu reagieren. Bestseller-Autorin und Wissenschaftsjournalistin Nicola Schmidt beschäftigt sich im Rahmen ihres „artgerecht-Projekts“ mit dem Thema Abhalten – auch unter dem Begriff „windelfrei“ bekannt. Sie liefert Eltern in ihren Kursen und Büchern hilfreiche Informationen dazu. „artgerecht“ fußt auf dem Konzept der bindungsorientierten Elternschaft und umfasst auch Themen wie Babyschlaf, Ernährung, Lernen, Persönlichkeitsentwicklung, Trotzphase und Betreuung. Eltern, die eine bindungsorientierte Elternschaft leben, gehen sehr achtsam und bewusst mit sich selbst, ihrem Kind und der Umwelt um.

Stoffwindeln und Ökobilanz

Bewusstheit und Achtsamkeit – das sind auch von Anfang an Sophias Begleiter, wenn es um das Wickeln ihres Sohnes geht. Sie hat sich bereits vor seiner Geburt Gedanken gemacht, wie sie dieses Thema gestalten möchte. „Man packt immer das ganze Kind in Bio-Baumwolle, da wollte ich keine Plastikwindeln verwenden.“ Denn Wegwerfwindeln enthalten eine Substanz auf Basis von Erdöl, welche die Flüssigkeit aufnimmt, damit der Babypopo trocken bleibt. Schätzungen zufolge benötigt jedes Kind 5.000 bis 6.000 Plastikwindeln und produziert damit rund eine Tonne Müll, der nicht recycelt werden kann. „Wir leben nicht plastikfrei“, betont Sophia. „Aber vielleicht können die Stoffwindeln unser kleiner Beitrag für die Umwelt sein.“

Sind Stoffwindeln umweltfreundlicher?

Ob Stoffwindeln die Ökobilanz verbessern, untersuchten Forscher der britischen Umweltbehörde in der 2005 veröffentlichten Studie „Disposable and reusable nappies in the UK: life cycle assessment“. Hier wurden drei Windelsysteme miteinander verglichen: Einwegwindeln, Stoffwindeln, die zu Hause gewaschen werden, und kommerziell gewaschene Stoffwindeln, die nach Hause geliefert werden. Laut der Studie hat keines der drei Systeme eine eindeutig bessere oder schlechtere Umweltleistung. Kritiker:innen bemängeln, dass die Studie fehlerhaft sei und Eltern beispielsweise viel weniger Stoffwindeln kauften als in der Untersuchung angenommen. In der öffentlichen Debatte gehen Stoffwindel-Verfechter:innen davon aus, dass Familien ihre Ökobilanz mit Stoffwindeln verbessern können. Voraussetzung ist, dass sie ein System nutzen, das wenig Wäsche produziert und dass sie umweltschonende Waschmittel sowie eine energiesparende Maschine verwenden.

Kind auf Boden © privat
© privat

Sind Stoffwindeln günstiger als Plastikwindeln?

Ob sich die Stoffwindeln finanziell mehr rentieren als Wegwerfwindeln, ist für Sophia zweitrangig. Wer im Internet dazu recherchiert, liest es auf einschlägigen Webseiten: Stoffwindeln seien unterm Strich günstiger als Wegwerfwindeln. Für herkömmliche Windeln zahlen Eltern über die gesamte Wickelzeit im Durchschnitt 1.500 Euro. Hinzu kommen die Entsorgungskosten. Bei Stoffwindeln belaufen sich die ersten Anschaffungskosten auf 350 bis 800 Euro. 30 bis 40 Euro zahlt Sophia außerdem im Durchschnitt bei kleinen Manufakturen für jede neue Außenwindel aus Wolle, wenn ihr Sohn aus einer Größe herausgewachsen ist. Für ihr zweiteiliges System hat Sophia stets sechs Stoffwindeln auf Lager. Hinzu kommen die Kosten für das Waschen, die je nach System unterschiedlich hoch ausfallen. Die Rechnung geht sicher beim zweiten Kind auf oder wenn Eltern ihre Sets später weiterverkaufen. Auf Plattformen wie „Vinted“ – ehemals „Mamikreisel“ – sind gebrauchte Einlagen, Außenwindeln und zusätzliche Artikel zu finden.

Wickeln mit Stoffwindeln bedeutet: bewusster leben

Müll sparen, gegebenenfalls auch Geld sparen – Sophia hat sich bewusst für einen Weg entschieden, der ihren eigenen Werten entspricht. „Es macht ein gutes Gefühl“, resümiert sie und fügt lachend hinzu: „Außerdem macht es einfach Spaß, schöne Stoffwindeln zu shoppen. Und ich freue mich, wenn ich andere für das Thema begeistern kann.“ Eine schwangere Freundin hat bereits Interesse gezeigt. Sophia und Mats werden sie auf jeden Fall auf ihrer Expedition durch den Stoffwindel-Dschungel begleiten.

Windeln aus Stoff: Anbieter, Shops und Blogs

Es gibt zahlreiche Blogs, Anbieter und Shops, die auf ihren Webseiten umfangreiche Informationen zum Thema liefern. Wir haben euch eine kleine Auswahl zusammengestellt:

Lokale Anbieter

naturgerie
Lindenstr. 54
50674 Köln
Tel. 0221 – 95 93 22 29