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Rund ums Baby

Schwangerschaft - Das dritte Trimester

Svenja Kretschmer · 04.01.2022

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© Svenja Kretschmer

© Svenja Kretschmer

Eine Achterbahnfahrt vom Zellhaufen zum Fötus – KÄNGURU-Autorin Svenja erzählt von ihrer Schwangerschaft. Begleitet sie bei wichtigen Momenten, Gefühlen und Erfahrungen während des letzten Trimesters.

Seit über acht Monaten ist Ole jetzt bei uns. Inzwischen hat er zwei kleine Zähnchen, isst den ersten Brei und entdeckt auch den hintersten Winkel unserer Wohnung, durch die er robbend unseren Kater jagt und dabei laut „aaaah” macht. Er lacht sich schlapp, wenn ich ihm den Bauch küsse und er liebt es, wenn sein Papa Nils ihm Gitarre vorspielt. Er zieht sich an Mülleimern und Beistelltischen hoch, weshalb wir viel Zeit damit verbringen, ihm dabei zuzusehen und aufzupassen, dass er nicht einfach loslässt und umkippt. Es ist verrückt, dass genau dieser kleine Junge die ersten vier Monate diesen Jahres noch in meinem Bauch verbracht hat.

Über das erste und zweite Trimester meiner Schwangerschaft habe ich bereits geschrieben. In diesem Text geht es nun um das dritte Trimester und schon ganz bald um die Geburt und die erste Zeit mit Baby. Ich nehme euch mit in die Geschichte vom Beginn des Lebens meines ersten Kindes und meinem Startschuss in ein Leben als Mutter.

Was bisher geschah:

Mit dem Wechsel vom ersten ins zweite Trimester habe ich mich schlagartig besser gefühlt. Die Übelkeit und Lust auf Pommes - weg. Ich befand mich in einer Aufwärtsspirale, hatte wieder mehr Energie und endlich einen Bauch, den man eindeutig als „schwanger” bezeichnen konnte. Mein Arbeitsvertrag wurde nicht verlängert. Kurz entschlossen habe ich einen Illustrationskurs für 2021 gebucht und mir und meinem Baby das Versprechen gegeben, endlich meine beiden größten Träume miteinander zu verbinden: Mama zu sein und zu illustrieren. Beim zweiten Ultraschall haben Nils und ich das Geschlecht unseres Babys erfahren: Wir bekommen einen Sohn und er wird Ole heißen. Kurz vor Jahresende ist mein Bauch plötzlich hart geworden und gab mir unmissverständlich zu verstehen: Das zweite Trimester nähert sich dem Ende. Jetzt kommt der Endspurt und ich muss mehr als nur einen Gang herunterschalten.

Schwangerschaftswoche 23

Es ist Silvester. Trimester- und Jahreswechsel. Während Nils und ich zum Ufer des Höhenfelder Sees laufen, stelle ich mir vor, wie wir schon bald zu dritt genau denselben Weg gehen werden und es kribbelt in mir bei dem Gedanken daran. Um 00:00 Uhr sehe hinauf in den Himmel, schließe meine Augen und wünsche mir etwas, so wie ich es jedes Jahr tue. In diesem Jahr ist mein Wunsch, dass die Geburt meines Sohnes gut wird. Vielleicht sogar, dass sie eine kraftvolle und positive Erfahrung wird. Fast traue ich mich nicht, die Wörter „positiv” und „Geburt” in einem Satz zu verbinden, aber ich tue es dennoch, denn genau das ist mein sehnlichster Wunsch.

Bis es aber soweit ist, bestreite ich mit meiner riesigen Kugel den Alltag. So ein großer Bauch ändert viele Kleinigkeiten, die zusammengerechnet eine Menge ausmachen: Ich muss dauernd (eigentlich immer, sobald ich stehe) auf Klo, bin schneller müde und kann nicht mehr so lang sitzen. Ich habe in meinem Leben noch nie so langsam gegessen. Generell dauert vieles länger und ich muss häufiger Pausen machen. Unser Bett steht jetzt einen Meter von der Wand weg, damit ich nachts, wenn ich (mindestens drei Mal) auf Klo muss, nicht mehr umständlich über Nils und unseren Kater klettern muss. Wenn ich stehe, kann ich meine Füße nicht mehr sehen und ich gebe mir jedes Mal ein innerliches High-Five, wenn ich mir allein und ohne umzukippen die Schuhe zugebunden habe. Wieso besitze ich keine Schuhe mit Klettverschluss?! Alltag ist durch Corona nun auch diese Situation: Während ich im Wohnzimmer jeden Mittwoch online bei einem Yogakurs für Schwangere tief in meinen Bauch atme, stöhne, „Bienensummen” übe und lautstark das Mantra „Om namah shivaya” mitsinge, nimmt Nils im Schlafzimmer an einem beruflichen Online-Meeting teil. In seinen Pausen ernte ich nur belustigtes Kopfschütteln.

Schwangerschaftswoche 27

Die Arbeit gestaltet sich für mich von Woche zu Woche schwieriger. Dass mein Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde, als meine Schwangerschaft bekannt wurde, ist die eine Sache. Die schlechten Hygienemaßnahmen, in Zeiten, in denen es noch keinen Corona-Impfstoff gibt, die Angst mich mit Corona anzustecken und womöglich Ole zu gefährden, die andere. Auch die lange Autofahrt, meine vergeblichen Versuche, vom Home Office aus arbeiten zu dürfen und die Tatsache, dass es bei all dem Stress absolut nichts für mich zu tun gibt, belasten mich sehr. Über viele Nächte verfolgt mich ein Alptraum, in dem ich meiner Frauenärztin meine Situation erkläre. Sie glaubt mir nicht und tut all das als harmlos und mich als empfindlich ab. Also gehe ich weiter arbeiten. Eines Feierabends tut mein Bauch weh und ich habe Angst, dass er wieder hart wird, wie noch vor wenigen Wochen. Damals hatte ich mir versprochen, besser auf mich und meine Bedürfnisse zu achten und mir Hilfe zu holen, wenn ich sie brauche.
Am nächsten Tag sitze ich also im Wartezimmer meiner Frauenärztin und schwitze, weil ich so aufgeregt bin. Ich habe Angst, dass meine Alpträume Realität werden. Dank ihnen bin ich wenigstens perfekt vorbereitet und erkläre alles sehr verständlich und Punkt für Punkt. Die Ärztin muss merken, wie wichtig mir mein Anliegen ist. Sie hört mir bis zum Ende zu. Es folgt eine kurze Stille. Dann schüttelt sie den Kopf und sagt: „Da gehen Sie nie wieder hin.” Ich bekomme eine Krankschreibung, die ab sofort gilt und kann zunächst nicht glauben, dass diese mir im Grunde völlig fremde Frau sich derart mit mir solidarisiert. Sie glaubt mir und gibt mir sogar Recht. Es ist Donnerstag und ich muss nie wieder zur Arbeit. Nils holt Eis und alkoholfreien Sekt und wir stoßen an auf diesen Befreiungsschlag.

Es dauert ein paar Tage, bis ich die neue Situation begriffen habe: Ich muss nie wieder in meine alte Stelle zurück. Stattdessen habe ich von jetzt an bis ein Jahr nach der Geburt Zeit, mir etwas Neues aufbauen. Eine Arbeitssituation, die zu mir und meinem Leben passt. Das Timing könnte nicht besser sein, denn während meine Energie endlich zu mir
zurückkommt, ich wieder Kapazität für Sport und Haushalt habe, beginnt genau jetzt mein Illustrationskurs. Also male ich was das Zeug hält und mache den ersten Schritt in die Richtung, mir auch beruflich einen Traum zu erfüllen.

Schwangerschaftswoche 29

Nils und ich sitzen bei meiner Frauenärztin und sehen auf den Bildschirm des Ultraschalls. „Moment”, sagt die Ärztin, „ich messe lieber noch einmal nach.” Das tut sie auch und kommt zu folgendem Schluss: Mein Sohn ist „groß”. Das müsse nichts heißen, vielleicht sei das einfach seine Anatomie, aber ich solle zur Sicherheit einen weiteren Ultraschall bei einer Pränataldiagnostikerin machen. Ansonsten ist alles wunderbar und Ole gesund. Das höre ich aber schon gar nicht mehr richtig. Wir verlassen die Praxis und der einzige Satz, der in meinen Gedanken in Dauerschleife läuft, ist: Ole ist zu groß. Was soll das überhaupt heißen, „zu groß”? Meine Sorge um Ole und die Angst vor der Geburt steigen ins Unermessliche. In mir steigen Horrorszenarien auf. Irgendwie muss dieses riesige Kind, das nun einmal bereits in meinem Bauch steckt, ja auch wieder dort heraus. Ich fürchte mich eh schon davor, dass mein Damm einreißen könnte oder ich einen Notkaiserschnitt benötige. Das scheint mir jetzt vollkommen unumgänglich. Panisch rufe ich meine Hebamme Anke an. „Lass dich nicht verunsichern”, sagt sie ruhig, „freu dich lieber.” Kurz bin ich irritiert. „Ole wird also richtig gut versorgt.” Was mich trotzdem noch beschäftigt, ist, ob die Größe von Ole in irgendeiner Weise Einfluss auf die Geburt haben könnte. “Wenn dir das Angst macht und du deshalb angespannt bist, dann schon. Aber die Größe an sich hat für mich überhaupt keine Relevanz.” Das erleichtert mich sehr. Um trotzdem sicher zu gehen, dass die Ursache für Oles Größe kein Schwangerschaftsdiabetes ist, mache ich am nächsten Tag den großen Zuckertest. Den kleinen habe ich nicht gemacht und stattdessen selbst meine Blutzuckerwerte über ein paar Wochen gemessen. Ich - die im Moment dauernd Sodbrennen hat, der ständig übel ist und die morgens mit einem Hunger aufwacht, den sie so noch nicht erlebt hat - liege nun also fast drei Stunden vollkommen nüchtern, bloß ein riesiges Glas flüssigen Zucker intus, auf einer Couch, bekomme Blut abgenommen und frage mich, ob ich jemals etwas Ekelhafteres erlebt habe. Ein paar Tage später kommt das Ergebnis: kein Diabetes. Eat this, Angst.

Schwangerschaftswoche 32

Ich bin so dankbar, Nils an meiner Seite zu haben. Er lässt sich voll auf die neue Situation ein und sagt Dinge wie „Es ist doch verrückt, wie sehr man jemanden lieben kann, der noch gar nicht richtig da ist.” Es ist ihm wichtig, Oles neuen Kinderwagen schon jetzt sichtbar im Wohnzimmer stehen zu haben und er liebt es, an meinem Bauch zu fühlen, wie Ole gerade liegt. Wenn er das macht, dann meldet sich Ole fast immer mit einem Treten zurück oder drückt sich ganz ganz fest in Nils Handfläche, als würde er mit ihm kuscheln. Das einzige, was mich konfrontiert, ist, dass Nils sich so sehr auf die Geburt freut und es einfach nicht abwarten kann, dass es endlich losgeht. Er zweifelt kein bisschen an einer guten Geburt. Ich hingegen habe Angst. Ich kann einfach noch nicht an die Geburt denken. Alles in mir sträubt sich dagegen. Ich will nicht, dass es bald losgehen kann und es macht mich wahnsinnig, dass die Zeit immer weiter voranschreitet obwohl ich mich noch nicht bereit fühle. „Ich schaffe das nicht”, sage ich am Abend, als Nils sich wieder einmal darüber freut, dass er Ole bald endlich so richtig kennen lernen kann. Nils lässt sich nicht von seiner Freude wegbringen, stattdessen hilft mir mit meiner Angst. „Du schaffst das. Ich weiß es einfach”, sagt er, „Und ich bin bei dir und passe auf dich auf.”


© Svenja Kretschmer

Schwangerschaftswoche 33

In dieser Woche startet unser Geburtsvorbereitungskurs. Gemeinsam mit drei anderen Paaren sitzen wir mit jeweils 1,5 Metern Abstand in der Hebammenpraxis. Heute geht es um die Phasen der natürlichen Geburt. „Wir fangen erstmal ganz harmlos an”, ist die Devise. Man kann merken, wie sehr uns alle die Auseinandersetzung konfrontiert, schließlich ist es für jeden von uns die erste Geburt. Nachdem wir ausführlich über jede Phase gesprochen haben, alle offenen Fragen geklärt sind und ich bereits die Grenze meiner Aufnahmefähigkeit zu dem Thema überschritten habe, folgt ein Programmpunkt, den wir nicht erwartet haben: Die Hebamme spielt uns jede der Phasen einmal live vor. Da steht nun also diese erwachsene Frau inmitten von uns acht Teilnehmern und beginnt, konzentriert hin und her zu wippen. Sie holt sich den Gymnastikball zur Hilfe, stützt sich darauf und beginnt zu stöhnen, bis sie irgendwann in einer Lautstärke tönt und schreit, dass ich nicht weiß ob ich lachen oder weinen soll. In der Gesprächsrunde danach fehlen mir die Worte. Niemals, denke ich, niemals wird das bei mir so aussehen oder klingen. Dass die Erinnerung an genau diese Performance mir am Ende bei der Geburt unheimlich helfen wird, das kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen.

Schwangerschaftswoche 34

Ein bisschen fühlt es sich an, wie ein Kreis der sich schließt. Ich merke, dass mein Körper ähnlich intensiv arbeitet wie im ersten Trimester. Damals war ich ständig müde, noch viel emotionaler als sonst und gleichzeitig ein bisschen wie auf Stand-By, weil der Fokus so sehr bei den Veränderungen in meinem Bauch lag. Jetzt ist es wieder ganz ähnlich. Genau wie im ersten Trimester mag ich von heute auf morgen plötzlich keinen Kaffee mehr und mache mein Müsli wieder mit Bananenmilch statt mit Joghurt. Mein Bauch ist weicher und breiter geworden. Ich hatte erste leichte Vorwehen und seitdem fühle mich durchlässiger und sensibler, so als hätte ich weniger Möglichkeiten zur Abgrenzung. Wie in Wellen kamen solche Phasen durchaus häufiger in der Schwangerschaft vor, aber seit dem Beginn war es nie mehr so intensiv wie jetzt, am Ende. Mein Körper macht die zweite große Umstellung durch. Statt sich aber darum zu kümmern, dass aus Nichts ein Menschenleben wird, geht es jetzt um den Endspurt und darum, Ole einen Weg in sein eigenes Leben zu bereiten. Auch Oles Bewegungen verändern sich in diesen Wochen stark. Ganz am Anfang habe ich nur ein Kribbeln im Bauch gefühlt. Dann wurden es kurze, leichte Tritte, als würde jemand von Innen gegen meinen Bauch schnipsen. Mittlerweile würde ich es eher ein sich Winden und Drücken beschreiben. Ich kann seine Gliedmaßen differenzieren (oder jedenfalls glaube ich das) und wenn er besonders aktiv ist, dann kann man seine Bewegungen sogar von außen sehen, weil mein Bauch sich in alle Richtungen wölbt.Ich verbringe viel Zeit damit, über die Wölbungen meines Bauches zu streichen und Ole zu fühlen und wenn ich meinen Bauch so umarme und Ole sich gegen meine Hände drückt, dann ist es, als würden wir kuscheln.

Schwangerschaftswoche 35

In den letzten Wochen hat mich der Nestbautrieb gepackt. Ich hielt es für ein Klischee und bisher hat es Nils fast mehr getroffen als mich, aber nun kann ich es nicht mehr leugnen. Als ich Oles Babyklamotten in die Wickelkommode einräume, fühle ich mich, als hätte ich Herzen in den Augen: alles ist so winzig. Allerdings merke ich schnell, dass ich im Grunde keine Ahnung von Babyklamotten habe. Zwar kenne ich die Wörter „Strampler” und „Body”, könnte aber niemals sagen,auf welche Kleidungsstücke die Begriffe zutreffen. Also verbringe ich einige Zeit im Internet und lerne alles, was es über Babyklamotten zu lernen gibt. Am Ende bin ich so aufgeregt und glücklich und stolz, dass ich schreien möchte. Das, was hier gerade passiert - dieses Baby in meinem Bauch, diese Schwangerschaft, das Erleben und Erwarten mit Nils - das ist mit Abstand das Größte, was ich jemals erlebt habe. Ich könnte platzen - und wenn ich so an mir herunter blicke, wirkt das gar nicht mal so abwegig - wenn ich darüber nachdenke, wie glücklich ich bin. Ich möchte der ganzen Welt zeigen, wie schön es bei uns ist, wie viele selbstgemachte Pizzen in unserer Tiefkühltruhe auf uns warten und wie viele Spucktücher, Tragen und Babyklamotten wir bekommen haben. Ich möchte das Mobilé zeigen, das Nils und ich gebastelt haben und das jetzt über der Wickelkommode hängt, die Nils für Ole gebaut hat. Ich möchte von den Windeln erzählen, die wir gekauft haben, von den Binden und dem Wickelrucksack, den wir schon bald als Kliniktasche packen wollen. Es übersteigt meine Vorstellungskraft, all das zu besitzen und zu wissen, dass vieles davon bald Teil unseres Alltags sein wird, obwohl der Mensch, für den wir es brauchen werden, noch in meinem Bauch steckt.

Schwangerschaftswoche 37

„Meinst du das sind schon Wehen?” Wir sitzen im Auto, auf der Rückfahrt vom Geburtsvorbereitungskurs. Beinahe nach jedem Kurs hat danach mein Bauch mit Anspannung reagiert, so als würde schon die reine Beschäftigung mit der Geburt Ole dazu ermutigen, sich ein Stückchen tiefer in mein Becken zu bewegen. Diesmal ist der Schmerz intensiver, es ist ein richtiges Ziehen. Aber noch wäre es zu früh. Nils fährt langsamer. „Geht es?”, fragt er. Ich nicke. Ich habe das Bedürfnis, irgendwie meinen Bauch in Schwingung zu versetzen. Also probiere ich das “Bienensummen” und singe das Mantra aus dem Yoga-Kurs.

Ich sehe zu Nils herüber und frage mich, ob er mich jetzt für völlig bescheuert erklärt. „Du machst das gut”, sagt er. Und während mein Körper zum ersten Mal richtig Wehen übt, ich summend und tönend auf dem Beifahrersitz sitze und mich freue, dass das tatsächlich hilft, hält Nils meine Hand und fährt uns nach Hause. Alles wird konkreter. Als wir an Ostern ein letztes Mal unsere Familien besuchen, da fühlt es sich ganz unwirklich an, dass wir ihnen das nächste Mal, wenn wir sie wiedersehen, unseren Sohn vorstellen werden und nächsten Vorsorgetermin haben wir im Krankenhaus. Anke zeigt uns den Geburtsraum. Hier wird in absehbarer Zeit unser Sohn zur Welt kommen. Zwischen Uterus-farbenen Handtüchern, einer Badewanne und Seilen an der Decke, sitze ich mit Akupunkturnadeln in meinen Beinen auf einem Stuhl und versuche, mich darauf einzulassen. In genau diesem Raum mit genau diesen beiden Menschen, wird bald unser Sohn geboren. Aber noch sind es fast drei Wochen bis zum errechneten Termin.

Schwangerschaftswoche 38

Montag, der 12. April 2021, ist ein Tag der Bewegung und Erledigungen. Heute beginnt etwas verspätet Ankes Rufbereitschaft. Endlich habe ich die beruhigende Gewissheit, rund um die Uhr eine erfahrene Ansprechpartnerin an meiner zu haben, der ich vertraue und die mir hilft. Ab jetzt kann die Geburt von den äußeren Umständen her so verlaufen, wie ich es mir wünsche. Es ist, als hätte etwas in mir „Klick” gemacht und ich die Entscheidung getroffen, jetzt bereit zu sein für die Geburt. Ich erledige an einem Tag all das, was mir vorher noch so viel Stress bereitet hat:
Ich schreibe wichtige E-Mails, bereite die Anträge für das Elterngeld und Teile der Steuererklärung vor und wir hängen endlich das Ole-„O” auf, das Nils Schwestern uns zu Weihnachten geschenkt haben. Wir kaufen auch für das letzte Gericht ein, das wir für das Wochenbett noch kochen und einfrieren wollen: Eine kräftigende Hühnersuppe, für die wir ausnahmsweise Fleisch essen werden. Am Abend sind wir sehr müde, aber zufrieden. Ein 25€-Suppenhuhn liegt in unserem Kühlschrank, während wir auf der Couch liegen, ein Teller Spargel auf meinem kugelrunden Bauch thront und wir bei „the voice kids” talentierten Kindern beim Singen zusehen. Als ich gegen Mitternacht meinen Wecker auf 7:25 Uhr stelle, weil ich einen Osteopathie-Termin habe und mich danach in Nils Arm kuschele, kann ich nicht ahnen, dass diese Nacht die wohl aufregendste sein wird, die ich jemals erlebt habe. Und auch nicht, dass ich um 8:08 Uhr des nächsten Morgens den ersten Schrei unseres Sohnes Ole hören werde.

to be continued…

 

© Svenja Kretschmer

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