Reisen
Nachhaltiger Wintersport
Christoph Schrahe · 31.01.2025
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Umweltschutz ist auch in Sachen Skiurlaub möglich. © oksanatrautwein/Adobe Stock
Judith Grasser, seit 13 Jahren im Unternehmen und seit bald fünf Jahren Geschäftsführerin des Skigebietes am Golm im Vorarlberger Montafon, weiß um das schlechte Bild, das viele von ihrer Branche haben: „Ich bekomme oft zu hören, ‚Ihr macht ja nichts‘, aber wenn ich dann erkläre, was wir tatsächlich alles tun, um nachhaltiger zu werden, heißt es am Ende nicht selten‚ Wow!‘.“ Als man am Golm 2018 damit begann, den Ski- und Bergbahnbetrieb auf Nachhaltigkeit auszurichten, stieß das auf viel Skepsis, nach dem Motto: Kann ja gar nicht sein, dass ausgerechnet die Skigebiete bei diesem Thema vorangehen.Dabei war dem Skigebiet am Golm gerade die Nachhaltigkeit gewissermaßen in die Wiege gelegt. Als Tochterunternehmen des Wasserkrafterzeugers Vorarlberger Illwerke nutze man für den Betrieb der Seilbahnen und Schnee-Erzeuger von jeher zu 100 Prozent Ökostrom. „Den beziehen wir aber zu normalen Marktpreisen,“ betont Judith Grasser. Am Ende zahlen also die Skifahrer:innen den Aufpreis für den grünen Strom und nicht andere Kund:innen der Illwerke – gerechtes Verursachendenprinzip.
Weniger CO2-Ausstoß
Da der Strom der Mutter aber auch anderweitig gebraucht wird, setzt man am Golm zudem auf Energieeinsparung und selbst produzierten Ökostrom. Mit der Hüttenkopfbahn installierte man die erste Photovoltaik-Sesselbahn der Welt. Insgesamt 60.000 Kilowattstunden werden durch die an der Tal- und Bergstation installierten Solarmodule erzeugt, etwa ein Drittel des jährlichen Energiebedarfs der Bahn – jeder dritte Gast fährt also unmittelbar mit der Kraft der Sonne. Auch ein Energiemanagementsystem trägt zum Stromsparen und damit zur Reduzierung der CO2-Emissionenbei.
Die will man am Golm bis 2030 um 77 Prozent gegenüber 2016 reduzieren, 60 Prozent haben Grasser und ihr Team schon geschafft. Zum kommenden Winter wird es nochmal eine große Einsparung geben, weil man die Pistenraupen von Dieselkraftstoff auf HVO – Abkürzung für Hydrotreated Vegetable Oil – umstellt. Das ist zwar deutlich teurer, aber frei von fossilen Energieträgern und reduziertden CO2-Ausstoß gegenüber herkömmlichem Diesel um bis zu 90 Prozent. Perspektivisch sieht man in der Branche Wasserstoff als Königsweg für den Pistenraupenantrieb. Erste Skigebiete erzeugen diesen mit Hilfe eigener Photovoltaik-Anlagen bereits selbst. Dafür braucht es aber neue Fahrzeuge, und mit HVO lässt sich der vorhandene Fahrzeugbestand weiter nutzen.
Bei der CO2-Bilanzierung bezieht das Skigebiet am Golm im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen die sogenannten Vorketten mit ein. Also beispielsweise das CO2, das beim Bau eines Wasserkraftwerks freigesetzt wird – auch Ökostrom ist eben nicht ganz klimaneutral. Aus diesem Grund achtet man in der eigenen Berggastronomie nicht nur auf energiesparende Zubereitung, sondern auch auf die Zusammensetzung der Speisekarte und die Lieferketten der verarbeiteten Produkte. Aktuell sind 25 Prozent der angebotenen Speisen im Panorama-Restaurant Grüneck vegan oder vegetarisch und man bezieht, wo immer es geht, von herstellenden Unternehmen aus dem Tal. Außerdem bemüht man sich, Plastik überall dort zu vermeiden, wo es nur irgendwie möglich ist, und setzt auf wiederverwendbare Produkte und Großgebinde als Alternativen zu Kunststoffverpackungen.
Ökologische Skitage
Was man auf die Speisekarte setzt, ist das eine, was der Gast ordert, das andere und nicht nur beim Essen haben die Besucher:innen selbst den größten Einfluss darauf, wie ökologisch ihr Skitag ausfällt. Grasser bringt es auf den Punkt: „An einem Standard-Skitag produziert ein Gastmehr als siebenmal so viele Treibhausgasemissionen wie an einem ökologischen Skitag.“ Ob ein Skitag ökologisch ausfällt, hängt ganz wesentlich vom genutzten Verkehrsmittel zur An- und Abreise ab und bei Urlauber:innen auch vom gewählten Quartier.
Für Tagesgäste aus der Region bietet der Golm kostenlose Anreise mit dem Nahverkehr an. Das sogenannte GreenTicket ist im Skipasspreis inkludiert. Fernreisende können es ab Lindau nutzen. Für Elektrofahrzeuge stehen an der Talstation 18 Ladesäulen zur Verfügung. Eine Anreise ist natürlich auch mit so gut wie allen anderen Urlaubsformen verbunden und daher kein spezifisches Problem der Skigebiete. Daher ist es nachvollziehbar, dass nicht alle Skigebietedie bei der Anreise entstehenden Emissionen in ihre Klimabilanz einbeziehen.
In den vom Fachverband der österreichischen Seilbahnen ausgewiesenen 18 Kilowattstunden Energiebedarf für einen Tag Skifahren (entspricht 100 Kilometer Strecke mit einem sparsamen Elektroauto) ist die Anreise nicht enthalten. Ohne Berücksichtigung der Vorketten wird diese Energie im Optimalfall fast CO2-neutral eingesetzt – bei Verwendung von Ökostrom, dem Einsatz von klimaneutralen Kraftstoffen und Heizenergie aus Holzhackschnitzeln, Erdwärme oder Biogas.
Sorgfältige Auswahl
Viele Skigebiete stellen auf ihren Webseiten Informationen zu verwendeten Energieträgern zur Verfügung. Außer durch die Wahl von Speisen und Anreisemitteln kann man als Wintersporturlauber:in also auch durch die sorgfältige Auswahl des Skigebietes einen Unterschied machen. Skigebiete mit technischer Beschneiung dürfen da durchaus dabei sein. Nicht nur, weil die Schnee-Erzeugung mittels Ökostrom weitgehend klimaneutral ist, sondern auch, weil es kaum Auswirkungen auf den Wasserhaushalt gibt. Das fürs Schneemachen verwendete Wasser fließt zur Schneeschmelze fast vollständig in Trinkwasserqualität zurück in den örtlichen Wasserkreislauf. Nur rund 20 Prozentent weichen durch Verdunstung in die Atmosphäre – es entsteht keinerlei Abwasser und man kann daher eigentlich gar nicht von Wasserverbrauch sprechen. Zudem nutzen Skigebiete die Infrastruktur von Beschneiungsanlagen auch zunehmend zur Erzeugung von Wasserkraft – auch am Golm.
Der liegt mit 634 Kilometern Distanz so nah an Köln wie wenige andere Skigebiete in den Alpen, verteilt auf sechs Skitage fährt man weniger Kilometer als bei einem Tagesausflug nach Winterberg. Auch wenn die gepäckintensive Skireise gerade mit Kindern schon mit dem PKW eine Herausforderung ist: Mit dem ICE 119 gibt es eine ziemlich zumutbare klimaschonende Alternative zur Anreise ins Montafon. Der Zug fährt um 9.21 Uhr vom Bahnhof Messe/Deutz direkt bis Bludenz. Von dort aus geht es halbstündlich per S-Bahn in 19 Minuten nach Schruns, dem Hauptortdes Tales. Logiert man dort dann auch noch in einem der mit dem österreichischen Umweltsiegel zertifizierten Hotels, kann man zukünftigen Outings als Wintersportler:in ganz gelassen entgegensehen.
Hier kann man besonders umweltfreundlich Ski fahren:
Die folgenden Wintersportziele sind nicht nur per Bahn erreichbar, sie tun sich auch durch besonders weitreichende Maßnahmen zum Umweltschutz, zur Ressourceneinsparung und Emissionsreduzierung hervor:
Die Skigebiete geben zum Teil Tipps für einen umweltfreundlichen Skitag oder halten ihre Nachhaltigkeitsberichte zum Download bereit.
Buchtipp
Schneelust
Die schönsten Ziele für nachhaltigen Wintersport in Europa
Polygott Verlag, 2023
216 Seiten
29 Euro