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Warum Vielfalt in Kinderbüchern wichtig ist – Ein Interview mit Dayan Kodua

Lisa Böttcher · 08.01.2025

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Dayan Kodua ist Verlegerin und Kinderbuchautorin © gratitude Verlag

Dayan Kodua ist Verlegerin und Kinderbuchautorin © gratitude Verlag

Dayan Kodua ist Verlegerin und Autorin. Ihre Bücher zeigen die Lebensrealitäten von Kids of Colour, sollen empowern und inspirieren. Mit uns spricht sie darüber, wie wichtig Vielfalt und Repräsentation in Kinderbüchern sind.

Kinderbücher begleiten die kleinsten Mitglieder unserer Gesellschaft durch die ersten Jahre ihres Lebens. Sie schaffen eine Grundlage für ihr Verständnis und ihre Sicht auf die Welt, liefern Vorbilder und bilden Kinder und Eltern gleichermaßen. Umso wichtiger ist es, dass alle Kinder sich in den Büchern wiederfinden, die sie aufschlagen. Dass sie ihren Held:innen ähnlich sehen, dass ihre Lebensrealitäten gespiegelt werden. Dass sie auch etwas über andere Kulturen und andere Lebensweisen lernen, sodass sie vorurteilsfrei durch das Leben gehen.

Diesem Ziel hat sich auch Dayan Kodua verschrieben. Mit zehn Jahren kam sie mit ihrer Familie aus Ghana nach Deutschland. 2005 wurde sie zur „Kulturbotschafterin für den afrikanischen Kontinent in Deutschland“ ernannt. Heute ist sie Schauspielerin, Sprecherin, Kinderbuchautorin und Verlegerin. 2019 gründete sie den gratitude Verlag und verlegt seitdem ausschließlich Kinderbücher mit BIPoC-Held:innen (Anm. d. Red.: Das Kürzel BIPoC steht für Black, Indigenous and People of Colour und ist eine Selbstbezeichnung von und für Menschen mit Rassismuserfahrungen). Warum Diversität in Kinderbüchern so wichtig ist und was ihren Verlag sonst noch ausmacht, erzählt Dayan Kodua im Interview.

KÄNGURU: Frau Kodua, das erste Buch, welches Sie herausgegeben haben, war „My Black Skin“ – ein Buch für Erwachsene. Was inspirierte Sie einige Jahre später dazu, ausgerechnet Kinderbücher zu schreiben?

Dayan Kodua: Als „My Black Skin“ erschien, hätte ich nie gedacht, dass ich irgendwann Kinderbücher schreiben würde. Doch schon damals hatte ich erste Ideen notiert. Es hat ganze zehn Jahre gedauert, bis mein erstes Kinderbuch veröffentlicht wurde, aber der Wunsch war immer da. Ich wollte etwas schaffen, das auf eine andere Weise inspiriert und neue Perspektiven bietet.

Sie haben einen Verlag gegründet, der ausschließlich Bücher mit BIPoC-Held:innen herausgibt. Wie groß ist die Lücke an Büchern mit BIPoC-Held:innen auf dem deutschen Buchmarkt?

Bevor ich den gratitude Verlag gegründet habe, gab es so gut wie keine Kinderbücher mit BIPoC als Hauptfiguren. Sie waren meist nur Randfiguren, die kaum etwas zu sagen hatten. Ihre Lebensrealitäten wurden selten gezeigt und es ging fast ausschließlich um die Erfahrungen ihrer eurozentrischen Mitmenschen. Es gab sicherlich kleinere Verlage oder Self-Publisher, die sich dem Thema gewidmet haben, aber ihre Werke waren nicht für die breite Masse sichtbar. Genau hier wollte ich mit gratitude ansetzen.

Sie haben gesagt, dass BIPoC häufig nur als Randfiguren auftreten. Warum ist das Ihrer Meinung nach nicht genug?

Oft fühlt es sich an, als würden wir gar nicht existieren – als hätten wir keine Familien, keine Berufe, kein Leben. Das Bild, das gezeichnet wird, spiegelt nicht die Realität wider. Wir sind viel mehr als das, was man von uns in der Öffentlichkeit zeigt. Es ist deshalb essenziell, dass wir unsere Geschichten selbst erzählen. Es ist doch so: Man lebt in Deutschland, die Mutter wird schwanger, das Kind kommt auf die Welt und das erste, was dieses Kind sieht, sind weiße Menschen. Das Kind kommt dann in den Kindergarten und sieht überwiegend weiße Menschen. Die Erzieher:innen sind weiß, vielleicht sind auch die meisten anderen Kinder weiß. Dabei ist es für Kinder besonders wichtig, Vorbilder zu haben, die ihnen ähneln, damit sie lernen, sich selbst wertzuschätzen. Ein Kind, das in einer mehrheitlich weißen Umgebung aufwächst, fühlt sich oft unsichtbar. Bücher und Spielzeug, worin es sich wiedererkennt, machen einen großen Unterschied.

Repräsentation ist also sehr wichtig, aber nicht gleich Antirassismus. Häufig werden BIPoC und Menschen mit Migrationshintergrund in Büchern als Außenseiter:innen oder „anders“ dargestellt – sogenanntes Othering. Was muss ein Kinderbuch Ihrer Meinung nach mitbringen, um tatsächlich antirassistisch zu sein?

Für mich ist es wichtig, von diesen ständigen Antirassismus-Themen wegzukommen. Es wirkt oft so, als müssten alle Projekte von nicht-weißen Menschen in diese Schublade passen. Mein Fokus liegt darauf, normale Lebensrealitäten von BIPoC zu zeigen, die empowern und inspirieren. Wenn daraus auch eine Botschaft gegen Rassismus entsteht – wunderbar. Aber mein Ziel ist es, durch authentische Geschichten Vielfalt zu zeigen und Menschen sichtbar zu machen, die sonst oft übersehen werden.

Es gibt viele Sachbücher zum Thema Rassismus – auch für Kinder. Sie publizieren aber überwiegend fiktionale Erzählungen. Was macht diese so besonders und warum können sie ebenso lehrreich sein wie Sachbücher?

Geschichten ziehen Menschen auf eine ganz andere Art in ihren Bann. Niemand möchte Pippi Langstrumpf oder Conni als Sachbuch lesen – man möchte unterhalten werden. Es wäre traurig, wenn Bücher über BIPoC oder andere marginalisierte Gruppen immer Erklärbücher wären. Meine Bücher beruhen oft auf wahren Geschichten, wie zum Beispiel „Emmanuels Traum“, worin die Geschichte eines Kindes mit Behinderung erzählt wird. Es zeigt, dass man trotz Hindernissen Großes erreichen kann, wenn man bereit ist, dafür zu kämpfen. Oder „Wasserkämpferin“, ein Buch über Wasserrechte – ein Thema, das uns alle betrifft. Was meine Bücher besonders macht, ist, dass sie von Own-Voices-Autor:innen geschrieben und illustriert werden – Menschen, die wissen, wovon sie sprechen. Das macht den Unterschied.


Im gratitude Verlag erscheinen ausschließlich Bücher mit BIPoC-Held:innen.
© Paul Zimmer

Was würden Sie sich denn für die Auswahl und den Gebrauch von Kinderbüchern in deutschen Schulen und Kindergärten zukünftig wünschen?

Viele Kinder gehen morgens aus dem Haus und kommen abends wieder. Lehrer:innen und Pädagog:innen spielen deshalb eine entscheidende Rolle in der Erziehung. Sie sind oft die Menschen, die Kindern verschiedene Perspektiven näherbringen können. Es ist ihre Verantwortung, Kindern zu vermitteln, offen und empathisch mit Themen wie Hautfarbe, Religion, Integration oder Sprache umzugehen. Dazu gehören auch Bücher, die Vielfalt zeigen. Natürlich gibt es auch Werke, die man heute besser aussortieren sollte, aber ich denke, da passiert schon viel.

Sind ihre Kinderbücher auch für den Kindergartenalltag oder Schulunterricht geeignet?

Absolut! Zum Beispiel „Es ist doch nur Haut“ ist perfekt geeignet. Es erklärt auf spielerische Weise, was Melanin ist und warum unsere Haut so vielfältig ist. Kinder lernen so, dass die Hautfarbe nichts über den Charakter einer Person aussagt und dass Rassismus künstlich produziert ist. Solche Bücher sind wunderbar für Schulen und Kitas geeignet, weil sie aufklären und gleichzeitig Spaß machen.

Ein Ziel des gratitude Verlages ist, Kids of Colour Vorbilder und Held:innen zu geben, mit denen sie sich identifizieren können. Schreiben und verlegen Sie Ihre Bücher denn auch mit dem Ziel, in nicht von Rassismus betroffenen Familien, in Schulen und gesamtgesellschaftlich zu einer antirassistischen Erziehung beizutragen?

Ja, auf jeden Fall. Wenn weiße Eltern ihren Kindern Bücher aus meinem Verlag vorlesen, lernen diese automatisch andere Realitäten und Kulturen kennen. Bücher bauen Brücken zwischen Kulturen. Wenn Kinder früh lernen, dass Unterschiede normal und bereichernd sind, wachsen sie vorurteilsfrei auf.

Sehen Sie eine positive Entwicklung auf dem deutschen Medienmarkt – sowohl Diversität als auch Antirassismus in Kindermedien betreffend?

Definitiv. In den letzten Jahren habe ich einige Titel mit BIPoC-Held:innen gesehen, auch von großen Verlagen. Es passiert langsam, aber es passiert. Und die Menschen erkennen immer mehr, dass es nicht nur um Hautfarbe geht, sondern um gute Geschichten.

Welche Resonanz bekommen Sie auf Ihre Buchprojekte?

Ich bekomme unglaublich positive Rückmeldungen. 2023 habe ich den Deutschen Verlagspreis gewonnen und wir wurden als Kultur- und Kreativpilot:innen ausgezeichnet. Da gratitude bisher der einzige Verlag im deutschsprachigen Raum mit diesem speziellen Fokus ist, stößt unsere Arbeit auf viel Begeisterung. Mir ist es besonders wichtig, gratitude als Referenzverlag zu etablieren – als erste Adresse für Bücher, die Vielfalt auf eine empowernde und inspirierende Weise thematisieren. Gerade Kleinverlage müssen doppelt und dreifach so viel leisten, um wahrgenommen zu werden und nicht als Nischenverlage abgestempelt zu werden. Dieser Herausforderung stelle ich mich jeden Tag mit großem Engagement.

Wie wählen Sie denn die Bücher aus, die Sie ihren Kindern vorlesen?

Natürlich lese ich die Bücher und wenn die Sprache mir einfach nicht gefällt, wenn zum Beispiel das N-Wort in Büchern vorkommt, dann werden die aussortiert. Das braucht es heute nicht mehr. Man kann zum Beispiel das Wort Schwarz verwenden. Klar sind das alte Bücher und das verstehe ich vollkommen, aber ich muss es ja nicht meinen Kindern vorlesen und reproduzieren.

Und zuletzt: Welche Bücher haben Sie durch Ihre Kindheit begleitet?

Struwwelpeter, Pipi Langstrumpf, Max und Moritz. Das sind die drei Bücher, die ich hatte. Und ich habe natürlich als Kind nicht verstanden, worum es geht. Ich habe die gelesen und dachte: Ja cool. Ich habe vor Jahren auf dem Flohmarkt Kinderbücher gekauft. Eins davon war ebenfalls Struwwelpeter und das habe ich dann meinen Kindern vorgelesen. Und beim Lesen dachte ich: Oh Gott, das kann ich nicht mehr weiterlesen. Dementsprechend sortiere ich alle Bücher aus, die ich heute nicht mehr sehen und lesen möchte.

Vielen Dank für das Gespräch!

Alle Bücher, die Dayan Kodua schreibt oder verlegt, können im Online-Shop des gratitude Verlag erworben werden.

Wenn ihr euch für diverse Kinderbücher oder Kinderbücher zum Thema Rassismus interessiert, findet ihr außerdem viele schöne Empfehlungen in unserem Artikel zu antirassistischen Kinderbüchern.