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Kolumne

So gesehen

Frau Karli · 22.11.2021

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© gipi23/Getty Images

© gipi23/Getty Images

Oder: Ohne Kinder unterwegs

Tanzende Blätter in allen Farben und Formen, knackendes Gehölz unter den Wanderschuhen und dazu die fantastische Waldluft. Am Wochenende gibt es für meinen Mann und mich nichts Schöneres als Streifzüge durch den goldenen Herbst. Unsere beiden Töchter hingegen feiern das Leben derzeit lieber auf andere Weise: Indem sie in abgedunkelten Räumen unter kleinen Funzeln kauern und schweigend an Miniatur-Objekten herumtüddeln – komplett umlullt von Hörbüchern.

Deshalb waren sie auch nicht dabei, als wir neulich im sonnigen Altenberg zufällig dem Start eines Heißluftballons beiwohnten. Mein Mann verfiel sofort in Nostalgie. Er hat nämlich eine aeronautische Vergangenheit: Als Student arbeitete er als Ballonverfolger. Aber nicht mit Smartphone, Navi-App und im technisch gestützten Dauerkontakt zum Piloten, nein! Er arbeitete noch mit einer Karte und war ansonsten zurückgeworfen auf seine Instinkte, wenn er mit dem Geländewagen über Felder, Äcker und Privatgrundstücke preschte (Ballonverfolger haben Sonderrechte), um die Zielobjekte nach ihrem Abenteuer wieder einzusammeln. Ein Offroad-Job, der ihn in alle erdenklichen Winkel und Ecken des Bergischen Landes und einmal sogar nach Polen geführt hat.

Unsere Unterhaltung auf der Heimfahrt hatte schon fast meditativen Charakter, weil wir nicht durch Zwischenfragen oder Genörgel unterbrochen wurden. Wir sprachen über die Vertriebskonzepte entlegener Hofl den, über das Wunder des Urvertrauens und über das Aroma geklauter Äpfel. Wir beklagten die entsetzlichen Schäden, die „moderne“ Arbeitsstrukturen in der Seele anrichten und fragten uns, wie ausgerechnet wir zu Menschen hatten werden können, die einen Großteil ihrer Arbeitszeit vor einem Bildschirm verbringen statt mit den Händen in einer artgerechten Umgebung etwas Sinnstiftendes, etwas Schönes zu erschaffen.

Zu Hause angekommen, rissen wir die Fenster auf, verteilten Küsse und bestaunten die Miniaturwelt, die unsere Kinder mit ihren kleinen Fingern modelliert und zusammengeklebt hatten. Und hatten dann, am Ende jenes schönen Herbsttages, noch das Gefühl, dass vielleicht doch nicht alles vermurkst ist.

Herzlichst Ihre
Frau Karli


© John Krempl/photocase.com

Frau Karli lebt zusammen mit ihren beiden Töchtern und ihrem Mann, der zugleich ihre Jugendliebe ist, in freundlichen Verhältnissen irgendwo im Raum Köln. Sie beherrscht das gesamte Alphabet, hält herzlich wenig von medialer Freizügigkeit und kann alle Familienmitglieder am Duft ihrer Stirn erkennen.

In jeder KÄNGURU-Ausgabe und online: Kennt ihr schon alle Frau-Karli-Texte?

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