Kolumne
Reste? Gibt es gar nicht!
Holger Müller · 30.03.2023
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Beim Stöbern im Onlinewald habe ich meinen Bruder im Geiste gefunden – zumindest was die Meinung über die Bowl betrifft, früher als Schüssel bekannt. Sebastian Erb hat in der TAZ das Essen aus Schüsseln auf den Punkt gebracht: „Die Bowl ist Quatsch“. Der Reihe nach: Wir haben eine Familientradition: Einmal im Monat probieren wir essensmäßig Neues aus, heißt in ein Lokal gehen, in dem wir noch nie waren, oder uns einer kulinarischen Sparte zuwenden, die uns bisher verschlossen war. Irgendwann landeten wir in einem hippen Laden, der eben Essen in Schüsseln (Bowls) servierte.
Ich gebe zu, die haben sich tolle Namen für das Essen einfallen lassen. Mein Problem ist ja, dass mich das eher zweifeln lässt. Wie der „frische Salat“, das „regionale Gemüse“ oder „Powerfood“ – letzteres formerly known as Leinsamen. Ich frage mich auch immer, wo genau regional aufhört. Frau und Töchter fanden es so irgendwie cool. Ich wusste sofort, das kann ich auch. Ich packe einfach alle Reste, die die Küche hergibt, in eine Schüssel und denke mir einen fancy Namen aus.
Ich gebe zu, die Familie war nicht begeistert. Aber hier soll ja nicht gemosert werden, sondern positiv nach vorne gedacht. Ich habe mich also an ein italienisches Gericht erinnert: die Frittata.
Die Frittata ist die Wunderwaffe gegen Hunger, schlechte Laune und Lebensmittelverschwendung. Und krass: Sie ist in Butterbrotpapier eingewickelt transportabel und hält sich ein paar Tage. Also, nicht bei uns, denn sie ist immer sofort weg.
Basisrezept: Eier, Parmesan und alles, was sonst in die Bowl gekommen wäre. Eier und Parmesan verquirlen, würzen und was eben weg muss dazu. Halbe Zucchini, ein paar Kapern, ein trauriger Nudelrest, der exotische Zuckerhutsalat vom Gemüseabo (war nicht unseres). Ab in eine beschichtete Pfanne. Sachte brutzeln bis wendefähig. Dann Deckel drauf, umdrehen, Pfanne runter, Oberseite in die Pfanne gleiten lassen. Weiter brutzeln, abkühlen lassen. Magnifico. Es würde mich nicht wundern, wenn findige Gastroleute bald eine Frittateria eröffnen würden.
Autor Holger Müller lebt mit Frau und Töchtern in Köln. Als Familie versuchen sie, das komplexe Thema Nachhaltigkeit in ihrem Alltag zu leben. Holger arbeitet als Qualitätsmanager an einer Hochschule und lehrt an der Universität Duisburg-Essen, wie Nachhaltigkeit und Zukunft zu gestalten sind. Im KÄNGURU schreibt er regelmäßig über diese Ideen in seiner Kolumne „Grüner Leben“.