Kolumne
Mamas Eingewöhnung
Katrin · 23.09.2020
zurück zur ÜbersichtUm es gleich vorweg zu schicken: Ich halte mich für eine lockere, „coole" Mutter von zwei lebhaften, süßen Jungs. Ich liebe meine Kinder, aber auch mein eigenes Leben. Ich mag meinen Job, ich habe Freunde, Hobbies und ein eigenes Leben. Nichts desto trotz bin ich in der Kategorie „Kinder loslassen" mit der Note mangelhaft gestraft.
Bei Mini Nr. 1 war die Eingewöhnung für mich schon sehr schwierig. Ich war eine engagierte Jungmutter und skeptisch, penibel und wachsam. Ich habe jede Klobrille, jede Bastelschere und jedes Spielzeug auf Sicherheit und Sauberkeit überprüft. Er war in einer privaten Betriebskita. Und nun ist Mini Nr. 2 dran. Ich bin natürlich jetzt etwas abgeklärter. Ich habe mir zwei Wochen Urlaub genommen und den Rest der Zeit unterstützen mich Omas und Opas bei der Betreuung für die Eingewöhnung. Er geht in eine staatliche „Regeleinrichtung" mit 80 Kindern und vier Gruppen.
Eingewöhnung - kurz und knackig
Das Eingewöhnungsgespräch läuft dort kurz und knackig ab. Es gibt nur die wichtigsten Fakten, ich bräuchte eigentlich mehr. Die Eingewöhnungszeit, in der die Eltern die Kinder in der Gruppe begleiten dürfen, beträgt nur drei (!) Tage. Ich starre die Erzieherin ungläubig an. Das finde ich zu wenig. Aber das sind die Regeln ...
Nach dem ersten Regeltag fängt sich der Mini eine ansteckende Krankheit ein – wir sind also erst mal wieder eine Woche raus. An Regeltag 2 besuchen wir gemeinsam die Gruppe zunächst nur eine Stunde. Er sitzt auf meinem Schoß und will nicht runter. An Regeltag 3 soll ich 10 Minuten weggehen. Er weint und schreit „Mama bleiben, Mama sitzen". Ich muss gehen. Nach 9 Minuten stürme ich in das Zimmer. Er sieht mich und rennt auf mich zu. Die Erzieherinnen sagen mir – wie dann später jeden Tag – „Alles top. Alles gut gelaufen".
An Tag 4 soll ich zwei Stunden gehen. Wir kommen in einen Gruppenraum mit vielen Kindern. Es ist nur eine Erzieherin im Raum, die ihm außer „Guten Morgen" keine Aufmerksamkeit schenkt. Ich bin nicht zufrieden mit der Situation. Er merkt das. Die Erzieherinnen merken, dass ich ich nicht wie besprochen einfach gehe, und schieben mich aus dem Raum. Mein Sohn schreit. Ich will wissen, wie er sich weiter verhält. Also gehe ich aus dem Gebäude und schleiche mich an das Fenster vom Gruppenraum ... und observiere wie ein Soldat von der Bodentruppe aus dem Gebüsch heraus das Geschehen. Er sitzt wieder alleine da im Kindergetümmel.
Nicht im Gebüsch hocken!
Als ich ihn abhole, sagt man mir, dass es wirklich nicht sehr günstig ist, wenn ein Kind seine Mutter vor dem Fenster im Gebüsch hocken sieht. Ich laufe rot an. Am nächsten Tag soll ich drei Stunden gehen. Als ich zum Kindergarten komme, sehe ich dass sie alle im Außengelände sind. Ich sehe schon von weitem, dass es meinem Sohn nicht gut geht. Die Erzieherin sagt: „Alles super, alles top". Mein Gefühl sagt mir was anderes. Ich sage nichts.
Der Kleine liegt schwach in meinen Armen. Ich gehe mit meinem Kind heim. Ich messe Fieber. Er hat 38.6 und keiner hat es bemerkt und mich angerufen. Mein Herz ist schwer. Ich habe das Gefühl, dass ihm die Einrichtung nicht gut tut. Sein Papa sagt zu mir: „Warte doch erst mal ab. Die kennen ihn da halt noch nicht so gut." Rational denkend, wie er eben häufig so ist.
Panik, zu spät zu kommen
Als ich nach ein paar Tagen wieder arbeiten gehe, sitze ich im Büro. Ich soll ihn heute um 13.30 Uhr abholen. Ich starre ständig auf die Uhr, weil ich Angst habe, dass ich zu spät komme und er dann traurig sein könnte. Ich lasse also pünktlich den Stift fallen, rase mit einem schnellen Abschiedsgruß aus dem Büro. Die Bahn fährt mir zu langsam. Es ist schon 13.39 Uhr! Ich renne zur Kita. Ich klingel Sturm und wunder mich nun. Wieso ist es hier so ruhig? Wo sind alle Kinder? Ich schaue nochmal auf die Uhr. Ich fasse es nicht! Ich habe das Büro EINE Stunde zu früh verlassen. Vor lauter Panik, mein Kind zu spät abzuholen.
Also begebe ich mich wieder unerlaubterweise vor das Fenster ins Gebüsch. Ich sehe meine kleinen Sohnemann mit anderen Kindern lachend Pudding essen. Er scheint so glücklich und in der Gruppe angekommen. Eine Erzieherin streichelt ihm liebevoll über den Kopf. Und dann passiert es: Er steht von seinem kleinen Stühlchen auf, nimmt sein Schüsselchen und räumt es mit seinen genau zwei Jahren alleine weg. Danach wischt er sich selbst mit einem feuchten Lappen seinen kleinen Puddingmund sauber und strahlt über das ganze Gesicht. Da muss ich plötzlich lachen, mit Tränen in den Augen. Ein bisschen über mich selbst und über meinen Kleinsten, der schon jetzt dort in dieser Kita viel gewonnen hat. Und wahrscheinlich die ganze Zeit innerlich viel stärker war als ich. Jetzt kann ich etwas loslassen.