Kolumne
Nutzen statt Besitzen
Holger Müller · 03.05.2019
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Vor kurzem – ich war in der Garage und reparierte ein Fahrrad – kam ein Nachbar, mit dem ich, seit wir dort wohnen, noch nie gesprochen hatte, und fragte, ob er sich mal meinen Winkelschleifer ausleihen könne. Er hätte auch einen, würde ihn aber gerade nicht finden. Zuerst irritiert, dachte ich dann aber, klar, das könnte mir auch passieren! Und eigentlich ist das doch spitze: Nutzen statt Besitzen. In unserem Familienleben gibt es nämlich ein Problem: Es sind die vielen Sachen, die wir besitzen. Und derer wir in regelmäßigen Abständen versuchen, Herr oder Frau zu werden. Nicht selten folgt der Überlegung „Brauchen wir das noch?“ eine neue ausgefuchste Stufe der Komprimierung, ein neues Ordnungssystem. Weniger haben wir dadurch nicht. Unter all diesen Besitztümern befindet sich eine Gruppe von Dingen, die zwar einerseits nützlich sind, die wir aber tatsächlich nur sehr selten brauchen. Ich meine den riesigen Emailletopf nebst Frittiersieb, in dem wir einmal im Jahr Fastnachtsküchle machen; die Standpumpe für Fahrräder, den Entsafter, die Bohrmaschine, Koffer in beliebiger Größe, den Winkelschleifer eben und einiges mehr. Aber müssen wir das alles besitzen?
Das Umweltbundesamt bietet eine Broschüre mit dem Titel „Nutzen statt Besitzen: Neue Ansätze für eine Collaborative Economy“ kostenlos zum Download an.
Ich habe im Haus angeregt, bestimmte Dinge zu teilen. Wir diskutieren noch, wie man das „Nutzen statt Besitzen“ organisieren könnte. Ein Teilschrank? Wem gehören die Sachen? Wer ist verantwortlich, wenn was kaputtgeht? Wer bringt was ein? All das und noch mehr gilt es zu bedenken. Das Schöne dabei: Wir kommen sofort ins Gespräch und sind uns alle einig, dass es eine gute und überfällige Idee ist. Und selbst wenn das Wie noch nicht geklärt ist, würden wir das Experiment gerne auf die Nachbarschaft ausweiten. Den Winkelschleifer habe ich übrigens unversehrt zurückbekommen, mit einer neuen Schleifscheibe obendrauf.
Autor Holger Müller lebt mit Frau und Töchtern in Köln. Als Familie versuchen sie, das komplexe Thema Nachhaltigkeit in ihrem Alltag zu leben. Holger arbeitet als Qualitätsmanager an einer Hochschule und lehrt an der Universität Duisburg-Essen, wie Nachhaltigkeit und Zukunft zu gestalten sind. Im KÄNGURU schreibt er regelmäßig über diese Ideen in seiner Kolumne „Grüner Leben“.
Kennt ihr schon alle „Grüner Leben“-Kolumnen? Stöbert euch durch.