Kolumne
Geschichte vom Ekel
Holger Müller · 28.02.2023
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Ekel ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Und gerade vom Kind vorgebracht reagieren wir Eltern auf diese Empfindungen schon auch mal mit Sätzen wie „Ich mach das doch auch“ oder so ähnlich. Wir sind ja auch nur maximal Hobbypädagog: innen.
Wie komme ich darauf? Wir haben vom Bauernladen Flower Sprouts, eine britische Kreuzung aus Grünkohl und Rosenkohl (von wegen die Briten hätten keine Esskultur), erhalten und es stellte sich heraus: Es gab blinde Passagiere. Die Bewohner waren klein, aber umso zahlreicher – Läuse eben. Kind schnibbelt also die Strünke ab und wäscht die Sprouts und kreischt, als wäre der Mindflayer aus Stranger Things aus dem Waschbecken gedampft. Es lässt das Messer fallen und muss sich schnell die Hände waschen. Daraufhin erfolgte dieser Dialog:
Ich (scheinheilig): Was ist? (Ich wusste schon vorher, was passieren würde, aber der Erfahrung wegen und so weiter).
Tochter: Das lebt, ich kotz gleich!
Ich: Ach, die sind viel kleiner als du. Außerdem ist das der Beweis, dass das total bio ist, sonst wären die Viecher ja schon tot.
Tochter: Ist mir doch egal, lebendig oder tot. Aber nicht auf meinem Abendessen.
Ich: Genau deswegen waschen wir das Zeug vor dem Essen. Und falls Läuse überbleiben, die Pfanne überleben die nicht.
Tochter: Wasch doch selber. Ich mach mir ne Möhre.
Tja, manchmal müssen wir eben vorangehen. Und wer gerne mal Lippenstift aufträgt, sollte ohnehin keine Angst vor der Laus haben. Läuse sind nämlich hervorragende Farbstoffproduzenten. Apropos Ekel, die Frau und ich haben da auch eine Baustelle. Ich nutze die ausgepressten Zitronenhälften, um das Spülbecken zu reinigen. Gerade bei dem kalkigen Wasser in Köln ist Zitronensaft ein spitzen Kalklöser, duftet noch dazu gut, kostet nix und ist nicht schädlich für die Umwelt. Eine:r muss nur die zermatschte Zitrone durchs Spülbecken schrubbeln. Auch hier opfere ich mich und gehe voran. Am Ende freuen sich alle über ein blitzblankes Spülbecken, in dem keine einzige Laus mehr sitzt, und einige von uns über Flower Sprouts. Wohl bekomm’s!
Autor Holger Müller lebt mit Frau und Töchtern in Köln. Als Familie versuchen sie, das komplexe Thema Nachhaltigkeit in ihrem Alltag zu leben. Holger arbeitet als Qualitätsmanager an einer Hochschule und lehrt an der Universität Duisburg-Essen, wie Nachhaltigkeit und Zukunft zu gestalten sind. Im KÄNGURU schreibt er regelmäßig über diese Ideen in seiner Kolumne „Grüner Leben“.