Kolumne
Eine Pistazie namens Ananas
Frau Karli · 08.12.2020
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Wir haben Zuwachs bekommen: Unsere Siebenjährige brachte vor einigen Monaten aus der Schule eine Pistazie namens Ananas heim. Das hielten wir natürlich für einen Gag. Uns war ja zunächst nicht klar, welches krampflösende, vermittelnde Potenzial in dem kleinen, obskuren Gebilde steckt, das immer höflich zu lächeln scheint und inzwischen in einer schicken Pillendose lebt. (Aber wer weiß: Vielleicht lacht sie auch über uns alle. Oder jammert. Vorsicht vor schnellen Fehlschlüssen!)
Weil Ananas noch jung, unwissend und unerfahren ist, muss ihr alles erklärt werden. Auch die selbstverständlichsten Dinge. Während wir an den unterschiedlichen Fronten des Lebens Gas geben und Kastanien aus dem Feuer holen müssen, hören wir zwischendurch immer wieder leise Stimme unserer Jüngsten, wie sie ihrem Schützling in einfachen Worten die Welt darlegt. Das C-Thema: „Nicht so eng zusammen spielen und mit spuckigen Händen anfassen. Zum Glück hast du keine Hände, deshalb brauchst du nicht so aufzupassen.“ Trump: „Er ist nicht nett und er lügt und alle lachen über ihn. Aber trotzdem ist er ein Bestimmer geworden.“ Madonna: „Ich mag das Lied nicht so, aber ich glaube, sie gibt sich Mühe.“
Weil die Pistazien-Mentorin ja sonst unseren Erklärungen und ungeprüften Weisheiten ausgeliefert ist, muss man an dieser Stelle natürlich eine gute Portion Übernommenes und Projektion rausrechnen. Trotzdem ist es immer eine Freude, auf das Stimmchen zu lauschen. Schon deshalb, weil es mal erfrischend ist Erklärungen zu hören, die pragmatisch und schlicht sind, ohne blöd zu sein. Freundliche und unaufgeregte Worte, die nicht den uncharismatischen Beigeschmack von Herablassung, von unsachdienlicher Anprangerungs- und Diffamierungssucht haben. Denn was wir letztlich brauchen, sind konsensfähige Lösungen. Und Konsens gedeiht nicht gut auf von unversöhnlichen Spaltungen zerfurchtem Boden.
Herzlichst Ihre
Frau Karli
© John Krempl/photocase.com
Frau Karli lebt zusammen mit ihren beiden Töchtern und ihrem Mann, der zugleich ihre Jugendliebe ist, in freundlichen Verhältnissen irgendwo im Raum Köln. Sie beherrscht das gesamte Alphabet, hält herzlich wenig von medialer Freizügigkeit und kann alle Familienmitglieder am Duft ihrer Stirn erkennen.
In jeder KÄNGURU-Ausgabe und online: Kennt ihr schon alle Frau-Karli-Texte?