Gesundheit
Feinstaub – und seine Wirkung auf Kinder
Petra Hoffmann · 12.06.2017
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Über 86.000 vorzeitige Todesfälle in Deutschland pro Jahr aufgrund verschmutzter Luft stellt die Europäische Umweltagentur in ihrem Bericht zur Luftqualität 2016 fest. Auch in Köln leiden die Menschen unter schlechter Luft. Die Stationen des Landesumweltamtes NRW messen hier durchschnittlich bis zu 50% mehr Stickstoffdioxid als der EU-Grenzwert erlaubt. In Verbindung mit Ozon und Feinstaub – z.B. von Dieselruß, Reifen- und Bremsabrieb – entsteht so ein gefährlicher, unsichtbarer Giftcocktail.
Interview mit dem Kölner Kinderarzt Christian Döring
Über die Auswirkungen dieses Giftcocktails auf die Gesundheit – mit einem besonderen Fokus auf den Feinstaub – beschäftigt sich der Kinderarzt Christian Döring. Wir haben mit ihm über das Thema gesprochen.
KÄNGURU: Hallo Herr Döring, ist Feinstaub in der Luft für Kinder besonders gefährlich?
Ja, das ist so. Grundsätzlich gilt: Wenn Feinstaubpartikel in die Lunge eindringen, findet durch die Flimmerhärchen ein Reinigungsprozess statt, um diese Partikel wieder auszuwerfen. Das funktioniert bei Feinstaubpartikeln, die etwa 10 Mikrometer groß sind. Wenn diese Partikel vier Mal kleiner sind – 2,5 Mikrometer – dann klappt das leider nicht mehr. Dann bleiben sie in der Lunge und es kommt zu Entzündungsreaktionen. Eine Überlegung ist hier, dass die Lungenkrebswahrscheinlichkeit steigt, wenn man solche Rußpartikel über viele Jahre abbekommt. Das macht Kinder natürlich besonders anfällig, denn sie haben viele Jahre vor sich. Wenn jemand erstmals mit 70 Lebensjahren mit Feinstaub konfrontiert wird, ist das eine ganz andere Situation. Wahrscheinlich wird er die Auswirkung Lungenkrebs nicht mehr erleben.
Dazu kommt, dass die Atemwege bei Kindern enger sind und die Kinder nicht so gut abhusten können. Deswegen verbleibt bei den Kindern mehr Feinstaub in der Lunge. Außerdem ist es so, dass die Oberfläche der inneren Lunge noch schneller entzündlich reagiert, weil die eigene Immunkraft noch nicht so ausgebildet ist, wie bei einem Erwachsenen. Das ist ja ein unreifes Abwehrsystem.
Heißt das: Je jünger das Kind, desto gefährlicher der Feinstaub?
Ja, das kann man so sagen. Und man kann auch sagen: Je kleiner die Feinstaubpartikel, desto gefährlicher sind sie.
Was passiert da?
Die noch kleineren Feinstäube, die nur 1 Mikrometer groß sind, durchtreten die Lungenbläschen und dringen ein in die kleinen Blutgefäße. Sie nehmen dann den selben Weg wie der Sauerstoff durch unseren Körper und werden überall verteilt. Und das ist auch der Grund, warum diese kleinen Feinstäube schon für ungeborene Kinder eine Gefahr darstellen.
Ach, wirklich? Eigentlich würde ich denken, das Ungeborene ist vor Feinstäuben geschützt im Bauch der Mutter.
Das ist leider nicht so. Über den Mutterkuchen findet ein Austausch statt und das Blut der Mutter inklusive der Feinstäube kommt in Kontakt mit dem Blutkreislauf des Babys. Das ist hinter dem Mutterkuchen eigentlich darauf angewiesen, dass sich seine Gefäße nicht entzünden ... aber die giftigen Feinstäube rufen Entzündungen hervor und sorgen dafür, dass das Wachstum des Babys gestört wird. Dafür reichen auch schon kleine Mengen aus, die deutlich unter dem Grenzwert liegen. Aber das Risiko, von Feinstaub belastet zu werden, ist natürlich an großen Verkehrswegen am größten.
Kann man Kinder denn irgendwie vor Feinstaub schützen?
Medizinisch gesehen gibt es natürlich die Möglichkeit von Atemmasken. Aber die Atemmasken, die man aus dem Baumarkt kennt, sind nicht dafür geeignet, die gesundheitlich relevanten Partikel herauszufiltern. Man bräuchte hochaufwändige und auf das Kinder- oder Babygesicht angepasste Filtersysteme, um die Feinstäube herauszuhalten. Jedes Kind mit einer solchen Atemmaske zu versorgen ist glaube ich ein unrealistisches Vorgehen. Da müsste man meiner Ansicht nach eher an die herangehen, die Feinstäube freisetzen. Luft ist wie Wasser, und vielleicht müssen wir das Ganz mal aus einer anderen Perspektive betrachten. Im Grundgesetz ist unser Recht auf körperliche Unversehrtheit festgeschrieben – und dazu brauchen wir natürliche und saubere Atemluft.
Woher kann ich denn wissen, wann die Feinstaubkonzentration in der Luft besonders hoch ist?
Wir brauchen einfach mehr Messstationen, um verlässliche Daten der ganzen Stadt zu haben. Das Messen ist sehr einfach, es gibt gute, von der Universität Stuttgart geprüfte Messgeräte, die kosten etwa 40 Euro Material. Über W-Lan können diese Messgeräte Verbindung zu einem Server in Stuttgart aufnehmen und dann die Messwerte – zum Beispiel vom eigenen Festerbrett draußen – übertragen. Auf einer Karte sind diese Werte dann zu sehen, für alle. Wir können so zum Beispiel sehen, wo wir Feinstaub-Hotspotts haben, die wir zuerst angehen müssen. Das ist auch für Schwangere besonders wichtig, denn nur mit einer ausreichenden Datenmenge können sie entscheiden, in welcher Luftqualität sie sich bewegen wollen. Wir überlegen im Moment, diese Messgeräte über Hebammen und Gynäkologen an Schwangere auszuleihen, damit sie einfach wissen, wie die Luftbelastung ist und sich entsprechend verhalten können. Es darf natürlich nicht dazu führen, dass wir No-Go-Areas für Schwangere haben. Da ist dann auch die Stadt gefragt, Schwangeren ausreichend Schutz zu geben.
Das mit den Messgeräten klingt ja nach einer sehr leicht umzusetzenden Idee. Wir könnten ja auch hier vor unserem Ehrenfelder Büro eine solche Station einrichten. Wo bekomme ich denn so etwas?
Es gibt verschiedene Kölner Initiativen, die weiterhelfen, wie zum Beispiel den Kölner Gesundheitsladen und die OK-Labs Köln – das bedeutet Open Knowledge. Wir werden in den nächsten Monaten auch öffentliche Bastelstunden in Bürgerzentren, Bibliotheken und Repair-Cafés machen und erklären, die diese Messgeräte funktionieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
Kinderarzt Christian Döring erklärt im Youtube-Video mehr zum Thema Feinstaub.
Service
Gesundheitsladen Köln e.V.
Venloer Str. 46
50672 Köln
www.gesundheitsladen-koeln.de
OK Lab Köln
www.codefor.de
Infos über Feinstaub:
Als Feinstaub, Schwebstaub oder englisch „Particulate Matter" (PM) bezeichnet man Teilchen in der Luft, die nicht sofort zu Boden sinken, sondern eine gewisse Zeit in der Atmosphäre verweilen. Die winzigen Partikel sind mit bloßem Auge nicht wahrzunehmen. Lediglich während bestimmter Wetterlagen kann man Feinstaub in Form einer „Dunstglocke" sehen. Je nach Korngröße der Staubteilchen wird der Feinstaub in so genannte Fraktionen unterteilt: Unter PM10 versteht man alle Staubteilchen, deren aerodynamischer Durchmesser kleiner als 10 Mikrometer (das sind 10 Millionstel Meter) ist. Eine Teilmenge der PM10-Fraktion sind die feineren Teilchen, deren aerodynamischer Durchmesser weniger als 2,5 Mikrometer beträgt. Diese bezeichnet man als „Feinfraktion" oder 2,5 (im Gegensatz dazu den Größenbereich 2,5 bis 10 Mikrometer „Grobfraktion"). Die kleinsten von ihnen mit einem aerodynamischen Durchmesser von weniger als 0,1 Mikrometer sind die ultrafeinen Partikel. (Quelle Umweltbundesamt)