Gesellschaft
Zeit für Friedenslieder – Interview mit Musiker Eddi Hüneke
Claudia Berlinger · 13.04.2022
zurück zur ÜbersichtMusiker und Liedermacher Eddi Hüneke © Dirk Lörper
KÄNGURU: Du hast in den ersten Tagen des Ukraine-Krieges dein Friedenslied mit dem Untertitel „alle wollen leben“ geschrieben. Wie kam es dazu?
Eddi Hüneke: Als es mit der Verschärfung des Konflikts um die Ukraine losging, wurde mir bewusst, dass ein Land mitten in Europa auf einen Krieg zusteuert. Mich überkam Hilflosigkeit und Angst um die Menschen, die in diesem Krieg ihr Leben lassen müssen. Der erste Impuls war: „Ich muss was tun! Da gibt es wieder Flüchtlinge innerhalb von Europa.“ Das Gefühl, dass wir eine kriegerische Handlung in Europa haben, hat mich einfach überwältigt. Als Musiker kann ich eins tun: Lieder schreiben - und mit den Einnahmen die Nothilfe Ukraine unterstützen.
Magst du uns mitnehmen in den Entstehungsprozess? Das Lied tauchte ja gefühlt unmittelbar nach Kriegsbeginn auf.
Ja, so schnell habe ich noch nie ein Lied veröffentlicht. Als die Kinder donnerstags um 7.30 auf dem Weg zur Schule waren, habe ich mit Texten begonnen und um 10 Uhr stand die erste Rohfassung. Die Entwicklungsschritte habe ich mit meiner Fangemeinde geteilt. Es fällt mir nicht immer leicht, kreative Ideen in der Entstehung zu teilen, aber ich wurde wirklich sehr unterstützt. Am Sonntag war der Song fertig und Montag war ich im Studio. Von der Idee bis zur Veröffentlichung dauerte es zwei Wochen.
Hattest du die Idee, den Jugendchor St. Stephan einzubinden schon beim Schreiben?
Nein, sonst hätte ich wahrscheinlich eine andere Tonart gewählt. Die Idee kam von Tobi, meinem Bühnenpartner. Die Wise Guys und der Jugendchor haben ja schon früher zusammen auf der Bühne gestanden. So habe ich Chorleiter Michael Kokott kennen gelernt. Und der hatte die Idee, zusätzlich eine Sängerin seiner Lucky Kids für ein Solo dazu zu holen. Norea hat das auch unheimlich gut gemacht, sowohl im Studio als auch bei den Auftritten. Wenn eine Zehnjährige darum bittet, in Frieden leben zu dürfen, kommt die Message anders als von einem Mann in den Fünfzigern. Das berührt einfach sehr.
Gab es den Impuls, den Friedenssong mit Wise Guys Kollegen aufzunehmen? Habt ihr überhaupt noch Kontakt?
In mir war so ein starker Antrieb zu schreiben, dass ich daran gar nicht unmittelbar gedacht habe. Ich bin mit vielen der Wise Guys noch in Kontakt. Mit Sari und seiner Familie fahren wir jeden Sommer in Urlaub. Und Sari, Nils, Andrea, Clemens und Björn waren schon Gäste bei meinen Wohnzimmerkonzerten. Wir planen auch, demnächst etwas zusammen zu machen. Mehr kann ich leider noch nicht verraten.
Seid ihr damals in Frieden auseinander gegangen?
Leider haben wir es mit den Wise Guys nicht in Gänze geschafft, in Frieden auseinander zu gehen. Das hat mir sehr weh getan. Doch jeder Mensch hat nur seinen eigenen Wirkungsbereich und es hängt im Leben und bei Konflikten ja immer davon ab, was einzelne Menschen tun. Mal sehen, ob es auch hier noch gelingt, Brücken zu bauen.
Musiker und Liedermacher Eddi Hüneke © Dirk Lörper
Wäre ich eine Fee, was würdest du dir wünschen?
Dass wir alle friedlich zusammen leben. Und hierbei denke ich nicht nur an Menschen, wir sind ohnehin viel zu anthropozentrisch unterwegs. Es geht auch um die Natur. Alle Wesen haben ihren Platz auf der Erde. Für meinen Song würde ich mir wünschen, dass er dazu beiträgt, dass Menschen verstehen, das wir niemals mit Waffengewalt zu friedlichen Lösungen kommen.
Gerade ist eine Aktion gestartet, bei der jeder seine eigene Version des Liedes einsingt und in Sozialen Medien teilt. Heen, ein befreundeter Künstler, hat eine russische Version beigetragen und den Text für sich so ausgearbeitet: „Hinter jeden harten Militäruniform wohnt eine Seele ohne Dogmen und System.“ Das ist ein ganz tolles Bild.
War Frieden bisher in deinem Familienleben Thema?
Mit dem großen politischen Frieden bin ich und sind meine Kinder ja aufgewachsen. Wir haben in Deutschland ja sogar die Wiedervereinigung friedlich hinbekommen. Ich habe drei Söhne (12, 18 und 24) und eine Tochter (16), und alle sind in dem Bewusstsein erzogen, dass Demokratie ihnen ein Mitspracherecht einräumt. In unserer Familie haben wir uns viel mit Konfliktbewältigung auseinandergesetzt. Mein ältester Sohn ist aus einer vorherigen Beziehung. Da liegt naturgegeben viel Konfliktpotenzial.
Wie lebt ihr Konfliktbewältigung im Alltag?
Meine Frau und ich haben früh den Elternkurs STEP besucht. Ein paar Grundsätze haben wir komplett internalisiert. Ein demokratischer Umgang in der Familie ist uns wichtig. Wir reagieren auf die Bedürfnisse und Anliegen der Kinder und haben regelmäßig Famlienkonferenzen, wo wir alles besprechen, was einer aus dem Familienkreis anbringt. Das heißt natürlich auch, dass jeder Verantwortung dafür trägt, dass die Grenzen der anderen eingehalten werden. Ich bin ein Freund von kleinen Schritten geworden.
Eddi hat auch unsere 11 Fragen im Stadtgespräch beantwortet: |
Singt ihr als Familie zusammen?
Wir singen schon, aber viel weniger als ich mir das wünschen würde. Ich komme ja aus einer extrem musikalischen Herkunftsfamilie und bin als Krabbelkind schon bei den Chorproben meines Vaters dabei gewesen, der Pfarrer war. Abends schlief ich ein mit den Klängen der Musik meiner Geschwister. Immer hat irgendeiner ein Instrument gespielt. Das war unheimlich schön. Wenn ich mich mit meinen Geschwistern treffe, können wir zum Beispiel gemeinsam einen Bachsatz singen. Das ist in dem Maße bei uns zuhause nicht so, die Interessen meiner Kinder liegen einfach anders.
Musiker und Liedermacher Eddi Hüneke © Dirk Lörper
Wie hat deine Herkunftsfamilie deinen Lebensweg geprägt?
Da mein Vater in einer evangelischen Auslandsgemeinde in London tätig war, verbrachte ich die ersten neun Jahre meines Lebens in Großbritannien. Meinem Vater waren Pazifismus und „tätig werden“ sehr wichtig. Er war in der Friedensbewegung engagiert und ich bin schon früh mit der Gemeinde bei den Ostermärschen gewesen. Den Beruf des Pfarrers lernte ich so kennen, dass man sehr viel mit Menschen kommuniziert, häufig auch im seelsorgerischen Kontext. Wir hatten Gesprächskreise für junge Erwachsene und vereinten unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen in der Kirche. Tiefgehende Fragen haben mich schon immer interessiert und die Funktion des Brückenbauens ist mir im Grunde in die Wiege gelegt.
Und doch hast du dein Theologiestudium irgendwann aufgegeben. Warum?
Richtig. Die Musik rückte einfach immer mehr in den Vordergrund. Es gestaltete sich zunehmend schwieriger, mit all den Konzerten und familiären Verpflichtungen mein Studium zu beenden. Doch auch so, wie ich meine Kreativität lebe, kann ich etwas Gutes in die Welt tragen: Nämlich Brücken bauen. Es macht mir wahnsinnige Freude, mich zu vernetzen, anderen Künstlern Raum zu geben und auf meine Weise (seelischen) Beistand zu geben, dass jeder seinen Platz findet.
Wie bei deinen Online-Wohnzimmer-Konzerten, richtig? Da erfüllt jedes deiner Kinder Aufgaben, ihr seid ein richtiges Familienunternehmen. Wie ist es denn dazu gekommen?
Das erste Online-Konzert war in der Corona-Zeit. Da durfte einfach kein Externer dazu kommen, so hat sich das entwickelt, das jedes Kind seine Interessen und Fähigkeiten eingebracht hat. Wir haben immer interessante Gäste. Manchmal wird es ordentlich eng bei uns: Beim bestbesuchten Konzert war Anette Frier zu Gast. Da hatten wir 13 oder 14 Leute im Raum. Für mich ist meine Familie das naheliegendste Team. Und solange alle – inklusive meiner Frau, die das Publikum stellt – Spaß daran haben, ist das eine tolle Familienproduktion. Sie machen das auch alle richtig gut.
Das kann ich bestätigen. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für unser Gespräch genommen hast!
Danke dir.
Ostermarsch und Friedensveranstaltung am 16. April 2022
Im Kölner Friedensforum sind Menschen aktiv, die sich für eine friedliche Welt einsetzen. Das schließt längst nicht mehr nur den Abbau von Rüstung, sondern Klimaschutz und die Förderung von Bildungsangeboten mit ein. Der Verein organisiert den diesjährigen Ostermarsch in Köln am 16. April 2022 um 11.00 Uhr mit einer Kundgebung unter dem Titel „Eskalationsspirale durchbrechen!“.
Treffpunkt ist das Deserteursdenkmal am Appellhofplatz. Um 13.30 Uhr fahren die Teilnehmenden gemeinsam ab Köln Hbf zum Ostermarsch Rhein/Ruhr 2022 nach Düsseldorf, wo auch Teilnehmer aus Duisburg und Neuss erwartet werden, die gemeinsam zur Wiese an der Reuterkaserne laufen werden. Um 16.00 Uhr beginnt die dortige Friedensveranstaltung mit Reden und Musik.
Aktuelle Infos zum Ukraine-Konflikt
Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg erklärt den Ukraine-Konflikt chronologisch und bietet auf ihrer Webseite eine Livemap Ukraine, die das aktuelle Kriegsgeschehen auf einer Karte abbildet.