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Gesellschaft

Ideen und Projekte für eine grüne Stadt

Janina Mogendorf · 23.09.2024

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Die Stadtalm im Werksviertel Mitte am Münchner Ostbahnhof © URKERN, Ivana Bilz

Die Stadtalm im Werksviertel Mitte am Münchner Ostbahnhof © URKERN, Ivana Bilz

Knapper Wohnraum, Stau, Parkplatznot, Luftverschmutzung und Betonwüsten – wie können wir den Herausforderungen wachsender Metropolen begegnen? Inga Melchior, Referentin beim Deutschen Städtetag im Dezernat für Klima, Umwelt, Wirtschaft, Brand- und Katastrophenschutz, stellt Ideen und Initiativen vor, die das Leben in der City naturnaher und attraktiver machen.

Eine Großstadt der Zukunft. Wir treten aus der Haustür ins Grüne. Sonnenlicht fällt auf Bäume, eine Wiese und einen kleinen Nutzgarten mit Hochbeeten. Wir atmen frische Luft und genießen die Ruhe in unserem Paradies auf dem Dach. Unter uns liegt die Stadt mit vielen Parks. Autonome E-Fahrzeuge bringen Menschen kostenlos, klimafreundlich und pünktlich von A nach B. Wir verbringen den Tag im Schwimmbad, das direkt im sauberen Fluss liegt. In den gesicherten Becken ist das Schwimmen gefahrlos möglich. Abends im Spielpark liefert eine Drohne das Abendessen fürs Picknick, während die Kinder noch ein bisschen toben und die Großen den Tag mit guten Gesprächen ausklingen lassen. Was wie eine Utopie klingt, ist an manchen Orten bereits Wirklichkeit.

Bis so eine Lebensweise Alltag wird, kann aber noch viel Zeit vergehen. Dass bei Innovationen Geduld gefragt ist, zeigt zum Beispiel die lange Geschichte des autonomen Fahrens. Die Idee ist nämlich keineswegs neu. Sie kam bereits in den 1930er Jahren auf und steckt immer noch in der Entwicklung.

Knapper Wohnraum und Luftverschmutzung

Visionen sind wichtig, weil sie Antworten liefern. Und die brauchen wir dringend, denn weltweit wachsen die Städte. Bis 2050 werden zwei Drittel aller Menschen in Metropolen leben, samt der Herausforderungen, die das heute schon mit sich bringt: Knapper Wohnraum, fehlende Betreuungsplätze, überlaufene ärztliche Praxen und vernachlässigte Milieus sind nur ein Teil davon. Stau und Parkplatznot sind an der Tagesordnung. Die Luftverschmutzung belastet Gesundheit und Klima. Viele Innenstädte sind versiegelt mit zu viel grauem Beton. Das macht sie nicht nur unattraktiv, sondern im Sommer auch heiß und im Winter zugig. Bei häufigeren Unwettern mit Starkregen kommt es zu Überschwemmungen, weil das Wasser nicht versickern kann.

Inga Melchior ist Referentin beim Deutschen Städtetag im Dezernat für Klima, Umwelt, Wirtschaft, Brand- und Katastrophenschutz. Im Interview erzählt sie von interessanten Ansätzen der Stadt- und Grünplanung, die heute schon umgesetzt werden. Dabei geht es (noch) nicht um die große grüne Revolution. Dafür um viele Ideen und Initiativen, die das Leben in der City naturnaher und attraktiver machen. Wo der Platz begrenzt ist, konkurrieren Wünsche und Notwendigkeiten miteinander, wie der öffentliche Raum genutzt wird. Kommunen, Bauverantwortliche, Architekturbüros, Umweltinitiativen, lokale Unternehmen und die Menschen vor Ort reden hier mit. „Aus Sicht des Städtetages ist es wichtig, zu schauen, wie man vorhandene Räume lebenswert gestalten kann“, erklärt Inga Melchior.

Wachsende Grünflächen

Da werden Randstreifen zu Bienenweiden, vernachlässigte Winkel zu sogenannten Pocket Parks. In Offenbach verwandelte das Projekt „Beweg dein Quartier“ ein kleines Grünflächendreieck in eine Oase mit Bänken, Hochbeeten und einer Spielstation, die viele Menschen anzieht. „Solche ‚grünen Trittsteine‘ können in der City für Biodiversität sorgen. Dort können sich die Menschen auch erholen“, macht die Referentin für Natur-, Artenschutz und Nachhaltigkeit klar.

Dazu gehören auch Baumpatenschaften, denn jeder einzelne Stadtbaum bindet Feinstaub, speichert CO2, produziert Sauerstoff und verbessert das Klima. Familien, Nachbarschaftsinitiativen, Schulen und Vereine pflegen Baumscheiben und legen Beete rund ums Wurzelwerk an. So erhalten sie ein Stück urbaner Natur und schützen auch den Baum selbst. Interessierte können sich an ihre Stadtverwaltung oder das Grünflächenamt wenden.

Manchmal entsteht auf Brachen auch ein neuer Stadtwald. In Hamburg-Altona pflanzten Familien auf einem kleinen Areal gleich 1.000 Setzlinge. Die Idee solcher „Tiny Forests“ stammt aus Japan: Dort fand man heraus, dass Wälder besonders schnell wachsen, wenn viele Bäume auf wenig Fläche um Licht konkurrieren. Ideal, um auch kleine Plätze in der Großstadt in artenreiche Biotope zu verwandeln.

Doch nicht jedes Gehölz eignet sich heute noch für die Stadt. „Viele Straßenbäume wurden in der Nachkriegszeit angepflanzt, sind jetzt alt und müssen nachgepflanzt werden. Da setzt man auch auf neue Baumarten“, sagt Inga Melchior. „Der Ginkgobaum oder die Felsenbirne kommen besser mit Hitze und Trockenheit klar.“ Sie stehen daher auf der Liste der „Zukunftsbäume“, die die Konferenz der Deutschen Gartenamtsleiter (GALK) herausgibt.

Raum für alle

Ein weiteres Zauberwort grüner Stadtplanung lautet Mehrfachnutzung. Eine Fläche kann eine ökologische Funktion haben und zugleich Verkehrs-, Erholungs- und Begegnungsraum sein. So wie die geplante „Familienstraße“ in Gelsenkirchen. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie hat dieses Pilotprojekt zusammen mit mehreren Kooperationspartnern im Rahmen der Studie „Lebenswerte Straßen“ übernommen und Menschen vor Ort ins Boot geholt.

Wo jetzt noch Autos parken und über die sanierungsbedürftige Fahrbahn rollen, soll eine schmale, gepflasterte Einbahnstraße für alle entstehen. Eine Variante umfasst breite Gehwege und Raum für Tische und Bänke. Parkplätze werden reduziert und ans Ende der Straße verlagert. Bäume, blühende Beete und Spielelemente wie Tischtennisplatten und Klettergerüste prägen das Bild.

Viele Städter:innen sind von solchen Ideen begeistert. Immer wieder kommt aber auch Sorge um wegfallenden Parkraum auf. Denn auch wenn Berlin im weltweiten ÖPNV- Ranking mit Bestnoten abschneidet, Münster unter den Top Ten der fahrradfreundlichsten Städte rangiert und München kostenlose Mikrobusse und E-Rikschas testet: Die Verkehrswende ist vielerorts noch Zukunftsmusik.

Nachhaltig und grün

Auf der Suche nach geeigneten Naturflächen in der Stadt sind auch private Grundstücke, Firmengelände, Schulen oder Friedhöfe interessant. „Vor allem letztere sind wichtige grüne Lungen der Stadt“, betont Inga Melchior. Die Ruhe, der gepflegte Baumbestand, viele Hecken und naturbelassene Wiesen zwischen Grabfeldern sind Heimat von Singvögeln, Fledermäusen, Igeln, Eichhörnchen, Eidechsen und zahlreichen Insekten. Auf einigen Friedhöfen gedeihen mittlerweile sogar Obst und Gemüse. Was in Zusammenhang mit einer letzten Ruhestätte erstmal gewöhnungsbedürftig klingt, ist heute auf vielen städtischen Grünflächen möglich. In Köln gibt es mehr als vierzig Standorte der „Essbaren Stadt“: Tomaten, Bohnen, Salat und Kräuter wachsen zwischen Hochhäusern, in Parks, auf Firmenflächen oder Spielplätzen und werden von verschiedenen Initiativen gepflegt.

Wo am Boden wenig Raum ist, wird auch in die Höhe gedacht. Nachhaltige Stadtarchitektur wirbt für begrünte Dächer und Fassaden. Kletterpflanzen wie Efeu und wilder Wein oder Dachgrün aus Moosen, Kräutern und Gräsern verbessern das Klima. Sie haben gute Dämmeigenschaften, sodass weniger Heizkosten anfallen, und sorgen durch Verdunstung für kühlere, frischere Luft in der Umgebung.

Was naturnahe Dächer angeht, ist das „Werksviertel München“ schon in der Zukunft angekommen. Im neuen Stadtquartier auf dem ehemaligen Industriegelände werden alle Dächer ökologisch genutzt. Besonderes Highlight ist das Flachdach von „Werk 3“. Rund um eine Schäferhütte leben Schafe, Hühner, Bienen- und Ameisenvölker. In Hochbeeten wachsen Zucchini, Kohlrabi und Wildblumen, daneben gedeihen sogar Obstbäume.

Riesenrad, Schafe und Imkerei auf der Stadtalm im Werksviertel Mitte in München © URKERN, Ivana Bilz
Biodiversität im Werksviertel Mitte in Münchner © URKERN, Ivana Bilz

Rotterdam denkt noch weiter, wenn es um ein Leben auf dem Dach geht. Ein junges Team arbeitet derzeit am Prototyp eines ganzen Dachdorfes auf dem Gewerbehaus „De Kroon“. Würde in Zukunft nur ein Zehntel der Rotterdamer Dächer bebaut, könnten auf diese Weise etwa 15.000 kleine Wohnhäuser inmitten von Dachgärten, Kieswegen und Spielflächen entstehen – eine lebenswerte grüne Stadt in luftiger Höhe.

Bis zu einem Leben in einer utopischen Welt wie anfangs beschrieben, ist es noch ein sehr weiter Weg. Doch Projekte wie Pocket Parks, Familienstraßen und „Essbare Stadt“ können uns dieser Zukunftsvision Stückchen für Stückchen näher bringen.