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Gesellschaft

„Die Bedürfnisse der Kinder sollten sehr schnell und sehr konsequent in den Blick genommen werden“

Golrokh Esmaili · 14.04.2021

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Lars Hütter ist Geschäftsführer des Kinderschutzbundes Köln.

Lars Hütter ist Geschäftsführer des Kinderschutzbundes Köln.

Wir fragen Menschen, die mit Kindern leben und arbeiten nach ihrer Meinung. Ein Jahr Corona hat uns alle ganz schön mitgenommen. Wie verarbeiten wir diese Situation als Gesellschaft? Welche Folgen hat Corona für die Entwicklung unserer Kinder? Was tut Familien jetzt gut? Und was können sie so gar nicht gebrauchen? Golrokh Esmaili spricht darüber mit Lars Hütter. Er ist Geschäftsführer des Kinderschutzbundes Köln.

Ein Jahr Corona-Krise - was brauchen Kinder im Moment?

Zunächst liegt leider der Verdacht nahe, dass diese zentrale Frage von den Entscheidungsträgern bisher nur an wenige Kinder gestellt wurde, wenn überhaupt. Meiner Meinung nach brauchen Kinder auch in der Krise das, was sie sonst auch brauchen: verlässliche Beziehungen, Schutz vor Bedrohung und Angst sowie ein entwicklungsförderndes Umfeld. Sie erleben allerdings: dauerhaft eingeschränkte Kontakte zu Gleichaltrigen, Eltern in Sorge und unter Stress, entwicklungshemmende und angstauslösende Situationen in ihrer Alltagsroutine (in Kita, Schule, Verein etc.). Die Bedürfnisse der Kinder sollten sehr schnell und sehr konsequent in den Blick genommen werden. Wir haben uns daher das Jahresthema „Kinder sehen – Kindern gerecht werden“ gegeben, um dieses einzufordern.

Wie sah Ihre Arbeit im letzten Jahr aus und können Sie einschätzen, was noch so auf sie zukommt?

Wir mussten die persönliche Beratung von Familien und Fachkräften umorganisieren und verstärkt telefonische oder video-gestützte Formen einsetzen. Hochbelastete Familien in Krisensituationen haben wir natürlich weiterhin persönlich gesehen. Unsere Fortbildungen, Informationsveranstaltungen und Gruppenangebote mussten wir stark einschränken oder sogar ganz aussetzen. Der persönliche Austausch ist nur schwerlich „auf Abstand“ zu ersetzen. Im Gegensatz zu den Beratungen steht in einer Gruppe die präventive Wirkung im Vordergrund und der dauerhafte Ausfall dieser Arbeit wird Konsequenzen haben.
Die Anzahl der Anrufe an unserem Kinder- und Jugendtelefon („Nummer gegen Kummer“) stiegen um bis zu 30% gegenüber dem Vorjahr. Die Anfragen zu Fällen von Kindeswohlgefährdung an die Beratungsstelle des Kinderschutz-Zentrums nahmen zwar rein statistisch im Vorjahresvergleich nicht zu, allerdings wechselten sich „Null-Phasen“ in den Lockdowns ab mit überproportional vielen Anfragen in der Zeit dazwischen. Diese Entwicklung und Umfrage-Ergebnisse zu der Situation in Familien weisen unserer Ansicht nach darauf hin, dass viele Fälle von Kindeswohlgefährdung unbemerkt und unbeobachtet stattfinden. Wir registrieren seit dem Jahresbeginn 2021 eine deutliche Zunahme der Anfragen und erwarten eine stetige Steigerung.

Wie haben Sie und ihre Mitarbeiter das letzte Jahr – für Kinder und Jugendliche – erlebt?

Viele Kinder und Jugendliche haben uns gegenüber ihre Ängste – bis hin zur umfassenden Zukunftsangst – und Vereinsamung thematisiert. Die Pandemie hat Vorhandenes verschärft und eine neue Hilflosigkeit geschaffen. Die häufigen Verluste von Beziehungen – z.B. zu Großeltern, Freund:innen, Lehrkräften oder Übungsleiter:innen – werden als sehr einschneidend erlebt. Einer besonderen Problematik sehen sich hierbei Kinder gegenüber, deren Eltern in Trennung leben. Eine eindeutige Erkenntnis ist, dass benachteiligte Kinder und Jugendliche besonders hart getroffen sind.

Ihre Arbeit finanziert sich auch aus Spendengeldern, die Sie aus Veranstaltungen gewinnen – diese konnten nicht stattfinden. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Wir mussten in der Tat unsere zentrale Benefizveranstaltung im Mai absagen und sahen einem sehr ungewissen Wirtschaftsjahr entgegen. Wir haben allerdings erfahren, dass sich viele Kölner Bürger:innen und Unternehmen um den Kinderschutz gesorgt und uns darum mit einer Spende bedacht haben. Diese Hilfsbereitschaft hat uns nicht nur finanziell sehr geholfen, sondern gibt uns auch viel Energie und Rückenwind für unsere Arbeit. Wir bemühen uns natürlich, alle spendenfinanzierten Angebote für Kinder und Familien aufrecht zu halten, aber ein weiteres Jahr unter diesen Bedingungen macht es nicht unbedingt leichter.

Was genau ist die Aufgabe des Kinderschutzbundes?

Der Kinderschutzbund engagiert sich seit 66 Jahren für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen. Hierfür stellen wir verschiedene Hilfen für Kinder und Eltern in Krisen zur Verfügung. Unsere Familienberatung ist z.B. eine Anlaufstelle für Kinder, Familien und Fachkräfte aus Kita, Schule und Jugendamt. Wir können in Ergänzung der Beratung auch (spendenfinanzierte) kindertherapeutische Hilfen anbieten und kooperieren darüber hinaus eng mit Kindertagesstätten und geben Fortbildungen für Fachkräfte aus vielen Bereichen. Unser Kinderschutz-Zentrum ist in Köln außerdem DIE spezialisierte Fachberatungsstelle, wenn es um Gewalt gegen Kinder geht. Wir sind mit vielen präventiven Angeboten in den Stadtteilen bzw. –bezirken Kalk, Bayenthal und Rodenkirchen aktive Partner der Familien und Institutionen. Hierzu zählt auch die Sozialraumkoordination in Kalk und Humbold-Gremberg. Wir haben es zu unseren zentralen Aufgaben gemacht, die Prinzipien der gewaltfreien Erziehung zu vermitteln und zu etablieren sowie die Rechte der Kinder fest in der Gesellschaft zu verankern – quer durch alle Institutionen, Gruppen und Lebenssituationen.

Werden Sie angerufen, wenn es brennt? Wer ruft sie an?

Wir sind telefonisch und per Mail erreichbar. Wenn „es brennt“, erhalten Hilfesuchende innerhalb von 24 Stunden einen Termin - das geschieht regelmäßig. Jede Beratung hat zunächst zum Ziel, die Lage zu erfassen und zu klären, wobei wir die persönlichen Daten der Hilfesuchenden konsequent vertraulich behandeln. Wenn es allerdings konkrete Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung gibt, werden unsere Berater:innen aktiv, wie es alle Beschäftigten in pädagogischen Berufen tun müssen.
Es melden sich bei uns Kinder, Jugendliche, Mütter, Väter, Großmütter, Großväter, Lehrkräfte, Erzieher:innen, Tageseltern, Vereinsvertreter:innen, Übungsleiter:innen, Mitarbeitende der stationären und ambulanten Jugendarbeit, Mitarbeitende des Jugendamtes. Nicht aus jeder Kontaktaufnahme entsteht eine konkrete Beratungssituation, manchmal stellen sich Vermutungen als nicht begründet heraus, aber es ist in jedem Fall besser etwas zu unternehmen und eine Beratung einzuholen, als gar nichts zu tun.

Können Sie bestätigen, dass Gewalt gegen Kinder während der Pandemie zugenommen hat?

Wie oben bereits erwähnt, lassen die Betrachtung unserer Beratungszahlen und einiger Umfrage-Ergebnisse keinen anderen Schluss zu. Es ist immer schwierig, ein Dunkelfeld seriös begründet auszuleuchten – und ein solches ist die „Gewalt gegen Kinder in Familien“. Weil vieles im Verborgenen geschieht ist es so wichtig, dass Kinder und Jugendliche eine vertrauensvolle und verlässliche Unterstützung in ihrem Umfeld haben, an die sie sich in Notlagen wenden können. Wenn diese Vertrauenspersonen wiederum überfordert sind, können sie sich bei einer Familienberatungsstelle Hilfe holen.

Was wünschen Sie sich von der Stadtgesellschaft, um Kinder und Familien in diesen Zeiten zu stärken?

Behörden, die die Menschen und nicht die Verordnungen im Blick haben und auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die soziale Struktur unserer Stadt unterstützen. Unternehmen, die Ihren Mitarbeitenden mit Familien den notwendigen (Gestaltungs-)Freiraum geben, um mit Sorgen und Stress umgehen zu können. Bildungs- und Kindertageseinrichtungen, die in ihrer schwierigen Lage kreative Lösungen finden, um Kindern und Jugendlichen einen verlässlichen und sicheren Alltag zu ermöglichen. Mitbürger:innen und Nachbar:innen, die sich ruhig und solidarisch umeinander kümmern und besonders die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im Blick haben

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Von der Politik im Allgemeinen? Ach, das hat sich eigentlich nicht geändert, nur verschärft: das konsequente Zurückstellen persönlicher und parteipolitischer Interessen, Klarheit in der Haltung, Offenheit in der Kommunikation und Verlässlichkeit in der Handlung! Einiges davon vermisse ich aktuell…
Und im Speziellen: Im November 1989 wurde die UN-Kinderrechtskonvention verabschiedet. Im März 1992 folgte die Ratifizierung durch den Deutschen Bundestag. Wir warten schon recht lange darauf, dass konsequenterweise die Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden, um der Bedeutung des Schutzes von Kindern gerecht zu werden. Ich wünsche mir, dass dieses zum 30-jährigen Jubiläum der Ratifizierung geschieht, die Bedenkzeit scheint mir mittlerweile ausreichend zu sein…

KINDER sehen – Kindern geRECHT werden!

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