Familienleben
Welches Haustier passt zu uns?
Claudia Berlinger · 01.06.2020
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„Sehr viele Tiere sitzen hier, weil ihre Besitzer überfordert waren,“ berichtet Claudia Bauer, stellvertretende Leiterin des Tierheims Zollstock. Ihrer Erfahrung nach würde jedoch meist der Zeitaufwand unterschätzt, den Katze oder Hund erfordern. Ein Hund will täglich mehrmals Gassi geführt werden. Er braucht eine stabile Bindung zu Bezugspersonen, regelmäßige Sozialkontakte und eine gute Erziehung. Angehende Hundebesitzer müssen vorab einige Fragen klären: Bin ich ein aktiver Mensch? Vielleicht sportlich? Möchte ich viel Kontakt zu anderen Menschen? Habe ich neben meiner Berufstätigkeit Zeit und Lust, mit meinem Vierbeiner bei Wind und Wetter in den Park oder an den Rhein zu gehen? Und ist die Wohnung auch wirklich groß genug? Wer diese Fragen eindeutig mit Ja beantworten kann, hat die erste Hürde zur Anschaffung eines Hundes genommen – vorausgesetzt, der Vermieter stimmt zu. Falls ich abends meine Ruhe haben möchte, braucht der Hund tagsüber Auslastung in Form einer Hundetagesstätte. Das funktioniert, wenn der Hund gut sozialisiert ist, kostet aber mit 200 bis 400 Euro pro Monat so viel wie ein Betreuungsplatz für ein Kind – zuzüglich der Kosten für Futter, Hundesteuer und einer Hundehaftpflichtversicherung. Das sollte man vor der Entscheidung einkalkulieren. „Manche Hunde werden hier abgegeben, weil die Besitzer sich die Tierarztkosten nicht mehr leisten können. Dann verbringt der Hund seine letzten Wochen oder Monate im Kreise fremder Menschen.“ Das, so Bauer, sei einfach traurig für alle Beteiligten. Eine Krankenversicherung sollten Hundebesitzer für ihr Tier also unbedingt in Erwägung ziehen.
Die Chemie muss stimmen
Bei der Auswahl eines Familienmitgliedes ist es wichtig, dass die Bedürfnisse von Tier und Mensch gut zueinanderpassen, denn eine weitestgehend artgerechte Haltung ist die erste Bedingung für die Anschaffung eines Haustieres. So stellt Frau Bauer Interessenten an Katzen und Kleintieren die Frage, ob ein Garten zur Verfügung steht. Die allermeisten Katzen lieben es nämlich, sich draußen den Wind um die Nase wehen zu lassen. Sie brauchen Eindrücke, wollen Mäuse jagen und um die Häuser ziehen. Sind die Bedingungen durch viel befahrene Straßen hierfür nicht gegeben, braucht es schon zwei Stubentiger, denn Katzen können, wenn sie einsam sind, mitunter sehr empfindlich reagieren und zum Beispiel unsauber werden. Wissen muss man auch, dass Katzen, so viel sie einem auch zurückgeben, nicht mit allen Kindern kompatibel sind. Da braucht es schon ein gewisses Fingerspitzengefühl, das die Kleinsten noch entwickeln müssen.
Claudia Bauer empfindet Einsamkeit als ein großes Thema für unsere Haustiere. „Wellensittiche werden nur dann wirklich handzahm, wenn sie einzeln gehalten werden. Aber wer möchte das einem Tier, das er liebt, wirklich zumuten? Auch Meerschweinchen und Kaninchen brauchen Kontakt zu Artgenossen, und eigentlich gehören sie wirklich nicht in die Wohnung.“ Die meisten Kleintiere seien Fluchttiere, und wenn man nach ihnen greife, dächten sie, ein Raubvogel gehe ihnen an den Kragen. Kinder möchten gern mit Kaninchen & Co. schmusen. Für ihre Tiere seien das aber oft Stressmomente. Bauer rät zur Vorsicht. „Wenn Kleintiere zu fest gedrückt werden, können sie innere Verletzungen erleiden. Da müssen die Eltern wirklich gut aufpassen.“
Ratten: robust und anpassungsfähig
Und jetzt wird’s ungewöhnlich, denn Frau Bauer empfiehlt tatsächlich ab einem gewissen Alter der Kinder Ratten als Haustiere. „Als Spielkameraden sind sie deutlich besser geeignet als Degus oder Chinchillas, die sich durch jede Voliere durchbeißen.“ Ratten seien sehr intelligent, man könne sich mit ihnen beschäftigen und ihnen Tricks beibringen, erklärt Bauer. Während Meerschweinchen eine Lebenserwartung von acht Jahren und Kaninchen von zwölf Jahren haben, werden Ratten zwei bis drei Jahre alt. Auch wenn es einen merkwürdigen Beigeschmack hat, sollten zukünftige Tierbesitzer sich die Frage stellen, wie lange sie sich um ihr Tier kümmern wollen und können. Irgendwann sind die Kinder aus dem Haus oder haben andere Hobbys. „Eltern muss klar sein, dass immer sie die Besitzer der Tiere sind und nicht die Kinder“, betont Bauer und ergänzt: „Ihnen obliegt letzten Endes die Pflege, sie bezahlen die Tierarztkosten, und sie sind verantwortlich dafür, dass Kinder einen guten Umgang mit ihren Haustieren lernen.“
Zu den pflegeleichtesten Haustieren gehören wohl Aquarien- und Terrarienbewohner. Fische haaren nicht, sie möchten nicht Gassi gehen und für den Urlaub gibt es Futterautomaten. Reptilien eignen sich für Menschen, denen es reicht, ihr Tier nur anzuschauen. Wer Spaß daran hat, ein Terrarium oder Aquarium einzurichten, könnte Wasserschildkröten in Betracht ziehen. Die haben allerdings eine sehr hohe Lebenserwartung.
Im Tierheim Haustiere in Ruhe kennenlernen
„Von Ostern bis Sommer herrscht in unserem Tierheim Hochbetrieb. Da werden alle Arten verunglückter Weihnachtsgeschenke bei uns abgegeben. Es landen sogar Minischweine bei uns, die gelernt haben, ein Katzenklo zu benutzen. Dabei müssen sie sich doch suhlen und benehmen dürfen wie ein Schwein.“ Frau Bauer empfiehlt, das zukünftige Haustier genau unter die Lupe zu nehmen und von Internetkäufen Abstand zu nehmen. Im Tierheim bestehe die Möglichkeit, ein Tier erst in Ruhe kennenzulernen. Denn ein Tier kann bei Nichtgefallen nicht wie Kleidung einfach zurückgesendet werden.
Als meine eigene Zeit für einen Hund gekommen war, standen eigentlich nur zwei Dinge fest: Kinderlieb musste er sein und schwarz. So sind wir auf Mops Shima gekommen und haben diese Entscheidung während unserer bald dreizehn gemeinsamen Jahre nie bereut. Als sie starb, war die Trauer groß. Auch mit dem Thema Abschied müssen sich Haustierbesitzer auseinandersetzen. Ein Leben ohne Tier können wir uns langfristig nicht vorstellen, doch einen Ersatz kann und soll es für Shima gar nicht geben. Wie Loriot finden wir ein Leben ohne Mops – nun ja, nicht gerade sinnlos, doch einer überaus charmanten und zauberhaften Bereicherung beraubt. Vielleicht lassen wir uns von einem bedürftigen Tier adoptieren, so etwas soll ja vorkommen. Ein Mops käme uns nur noch ins Haus, wenn die Qualzuchtstandards aufgeweicht würden und Möpse wieder richtig atmen dürften. Bis dahin gehen wir zum Katzenstreicheln ins Tierheim. Die sind nämlich voll von Tieren, die sich nichts sehnlicher wünschen als ein bisschen Liebe und ausgiebige Streicheleinheiten.
Die üblichen Verdächtigen
Haustier ist nicht gleich Haustier. Jede Art hat ihre eigenen Bedürfnisse und Ansprüche, die es zu berücksichtigen gilt.
HUND: Der beste Freund des Menschen braucht in erster Linie eine stabile Bindung zu einer Bezugsperson, 365 Tage im Jahr ausreichenden Auslauf sowie rassenspezifische Beschäftigungen, die sehr variieren. Außerdem fordern sie vom Besitzer ein Händchen für Erziehung.
KATZE: Die erste Frage, die ihr euch bei dieser eigensinnigen Mitbewohnerin stellen müsst: Soll es ein Stubentiger sein und wenn ja, ist meine Wohnung groß genug für Kratzbaum, Katzenklo und Spielmöglichkeiten? Oder kann ich einem Freigänger ein sicheres Umfeld mit Garten in einer wenig befahrenen Nachbarschaft bieten? Manche Katzen sind ausgesprochene Einzelgänger, andere lieben es, mit Hunden und ihren Familien zu kuscheln.
MEERSCHWEINCHEN UND KANINCHEN: Freundliche Kumpel für Kinder, aber richtig glücklich sind sie nur, wenn sie in Gruppen mit zwei oder mehr Artgenossen in einem ausreichend großen Gehege im Garten gehalten werden. Der Stall muss immer sauber gehalten werden. Entgegen der landläufigen Meinung lieben sie es nicht, ständig gekuschelt zu werden. Kinder müssen somit lernen, dass ihr Tier eigene Bedürfnisse hat, auf die man eingehen muss.
HAMSTER: Nachtaktive Einzelgänger und selten zahm. Werden sie tagsüber gestört, löst das Stress aus und ihr Biorhythmus gerät durcheinander.
MÄUSE UND RATTEN: Intelligente Kolonisten und Fruchtbarkeitsgötter und nichts für schwache Nasen. Mäuse eignen sich für Menschen, die Spaß am
Beobachten haben. Ratten erfordern Fingerspitzengefühl. Lässt man sie nicht in Ruhe, wenn sie signalisieren, dass sie keinen Kontakt möchten, kann es zu schmerzhaften Bissen kommen.
CHINCHILLAS: Wahnsinnig putzig! Sie lieben es, gestreichelt zu werden, aber auf den Arm möchten sie nicht. Als nachtaktive Tiere eignen sie sich eigentlich nicht für Kinder. Sie werden mit bis zu 20 Jahren sehr alt und brauchen ein Gehege, in dem sie mit gleichgeschlechtlichen Gesellen im Rudel gehalten werden.
VÖGEL: Nichts für Lärmempfindliche. Obwohl Vögel in der Regel klein sind, brauchen sie viel Platz, bestenfalls eine Voliere. Richtig wohl fühlen sich Wellensittiche, wenn sie mit mindestens einem Artgenossen gehalten werden und täglich mehrere Stun-den frei fliegen dürfen. Ihre Besitzer dürfen nicht pingelig sein, was die Hinterlassenschaften der Vögel angeht. Sinnvoll ist auch ein Allergietest, denn der Federstaub kann Allergikern Probleme bereiten.
FISCHE: Haaren nicht und sind auch sonst pflegeleicht, wenn das Aquarium erst einmal bezugsfertig ist. Die Inbetriebnahme eines Beckens erfordert ein gewisses Maß an Interesse an Wasserchemie – ein Aquarium ist eine Wissenschaft für sich.
Checkliste
Diese Fragen solltet ihr für euch und mit eurer Familie klären, bevor ihr ein Tier aufnehmt.
- Möchte ich mich mit meinem Tier beschäftigen oder es lieber nur anschauen?
- Wie alt wird mein Tier? Hunde und Katzen können an die 20 Jahre alt werden.
- Wie viel Platz habe ich zur Verfügung? Eine Dogge und eine Wohnung von 60 Quadratmetern passen einfach nicht zusammen.
- Welche Tiere erlaubt mein Mietvertrag? Viele Mietverträge schließen das Halten großer Hunde aus.
- Bin ich gerne in der Natur? Machen mir Regen, Sturm und Wind nichts aus? Nur wer diese Frage eindeutig mit „Ja“ beantwortet, sollte sich einen Hund anschaffen.
- Wie viel Zeit muss das Tier alleine verbringen? Hunde sind Rudeltiere. Sie suchen instinktiv immer Anschluss an ihren Sozialverband. Alleinsein aktiviert in ihnen eine Urangst vor dem Zurückgelassen-Werden. Das erzeugt unnötigen Stress.
- Wie viel Zeit kann ich für ein Tier aufbringen? Auch eine Katze braucht tägliche Fürsorge und sollte nicht alleine in der Wohnung gehalten werden.
- Wer kümmert sich um das Tier im Fall von Krankheit oder Urlaub? Gibt es Nachbarn, Freunde oder Familie, die helfen?
- Welche finanziellen Möglichkeiten habe ich? Kann ich anfallende Tierarztkosten bestreiten und mir eine Hundetagesstätte oder eine Katzenpension leisten?
Sollten die Bedingungen für ein eigenes Tier nicht ausreichen, werdet doch auch Katzenstreichler oder Gassigänger im Tierheim! In eurem Bekanntenkreis freut sich sicher jemand, wenn ihr eine regelmäßige Urlaubsvertretung für deren Haustier übernehmt. Auch die Meerschweinchen-Nothilfe sucht immer wieder Pflegestellen.