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Familienleben

Mobbing in der Schule

Janina Mogendorf · 01.02.2019

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© Juanmonino / iStockphoto.com

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Jeder Sechste wird an deutschen Schulen regelmäßig gemobbt, so eine aktuelle Pisa-Studie. Eine neue Stiftung setzt sich nun für die mobbingfreie Schule ein.

Miss Piggy geht in die vierte Klasse. Eigentlich heißt sie Lina, hat eine große Klappe und ein fröhliches Lachen. Hatte sie. Denn seit Sven in der Klasse ist, hat sich viel verändert. Jetzt steht Lina morgens vor dem Spiegel und betastet ihre Nase. Sie ist so kurz und dick wie bei einem Schwein, sagt Sven und nennt sie Miss Piggy. Die anderen kichern und ihre beste Freundin sagt dazu nichts. Gestern in der Pause hat sie mit den anderen Mädchen getuschelt. Lina lacht nicht mehr, sie zieht sich zurück. Am liebsten wäre sie unsichtbar.

Anführer, Unterstützer und Beobachter

Jeder Sechste wird an deutschen Schulen regelmäßig gemobbt, so eine aktuelle Pisa-Studie. Jedes Opfer ist eines zu viel. Mobbing kann in jeder Gruppe auftreten. Vor allem dann, wenn es sich um eine Zwangsgemeinschaft handelt, wie eben eine Schulklasse. Dabei gibt es in der Regel einen Anführer, der einen anderen systematisch fertigmacht, um ihn aus der Gruppe zu drängen. Er wird flankiert von Unterstützern, die aktiv mitmachen, und Beobachtern, die passiv zuschauen.

Es geht immer um Macht

Mobbing kann jeden treffen, auch den typischen Täter gibt es nicht. Allen geht es jedoch um Macht. Nicht selten, um damit eigene Schwächen auszugleichen. Sven wurde in seiner vorherigen Klassegemeinschaft wegen seiner Segelohren geärgert. Das passiert mir nie wieder, hat er sich geschworen und in der neuen Klasse den Spieß einfach umgedreht. Solange er Lina ärgert, fühlt er sich stark und niemand kommt auf die Idee, ihn blöd anzumachen. „Nur wer Schmerz erfahren hat, kann gut mobben. Denn nur wer weiß, wie sich diese Erniedrigung anfühlt, will mal die Kehrseite des Ganzen spüren“, schreibt Paul bei bento.de. Als Jugendlicher machte er eine Klassenkameradin so lange fertig, bis sie die Schule verließ. Heute weiß er, dass er mit diesem Verhalten etwas kompensiert hat. Wahrscheinlich seine zerrütteten Familienverhältnisse. Das Mobbing sei ein Ventil für seine eigenen schlechten Gefühle gewesen.

Wenn die Schule zur Qual wird


© Daisy-Daisy / iStockphoto.com

Für die Opfer wird die Schulzeit indes zur Qual. Wo körperliche Übergriffe, Drohungen und Beleidigungen an der Tagesordnung sind, wird die Seele ganz klein. Auch stille Ausgrenzung durch Missachtung, abwertende Blicke oder Ausschluss von gemeinsamen Unternehmungen setzen vielen Kindern zu. Die ständigen Demütigungen und Grenzüberschreitungen können schwerwiegende Folgen haben. Ein geringes Selbstwertgefühl, Schlaf- und Essstörungen, Alpträume, Aggressionen und Depressionen. Bis hin zum Suizid.

Hilfe von Erwachsenen ist nötig

Aus Scham vertrauen sich die Betroffenen niemandem an. Dabei brauchen sie Hilfe von Erwachsenen, um den Teufelskreis zu durchbrechen. Viele sprechen nur noch das Nötigste und sehr leise, weil sie Angst haben, etwas Falsches zu sagen. Sie wandern mit eingezogenem Kopf durch die Gänge. „Das entwickelt schnell eine Eigendynamik und die betroffenen Kinder werden zu Außenseitern“, sagt Regina Mader, die Selbstbehauptungskurse für Jungen und Mädchen ab dem Grundschulalter anbietet. Regina hat selbst vier Kinder im Alter von 9 bis 23 Jahren und spürt, dass in der Schule heute ein rauerer Wind weht als noch vor zehn Jahren. Gemeinsam mit ihrem kampfsporterfahrenen Kollegen Sascha Hippe bringt sie Kindern deshalb bei, wie sie selbstbewusst auftreten können, um gar nicht erst zum Opfer zu werden. „Neben Verteidigungstechniken lernen sie die richtige Körpersprache, um Selbstbewusstsein auszustrahlen. Dazu gehört sich aufzurichten, den Kopf zu heben, anderen fest in die Augen zu schauen, laut und deutlich zu sprechen.“

Über Schwächen wird nicht gelacht

Wertschätzung und Respekt vor den Grenzen des anderen ist in den Kursen ein wichtiges Thema. Die beiden Kursleiter machen den Kindern immer wieder klar, dass über Schwächen nicht gelacht wird. „Wenn einer etwas nicht gut kann oder anders aussieht, nehmen wir das wahr, aber wir urteilen nicht darüber. Diese Maxime sollte auch in jeder Familie gelten. Denn nur was im Kleinen funktioniert, funktioniert auch im Großen“, ist Reginas Erfahrung. Auf Werteerziehung und Sozialkompetenz setzt auch das bundesweite Programm der Stiftung „Mobbing stoppen! Kinder stärken!“, das von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey unterstützt wird. Unter dem plakativen Titel „Du doof!“ bringt Fernsehmoderator und Musiker Tom Lehel das Thema an die Grundschulen. „Ich habe selbst als Kind Mobbingerfahrungen gemacht. Als mein Sohn nun an seiner Schule Ähnliches erleben musste, habe ich mich entschlossen, gemeinsam mit Experten und Prominenten aktiv gegen Mobbing vorzugehen“, erklärt er seine Motivation.

Mobbing erkennen und dagegen angehen


© FatCamera / iStockphoto.com

Toms Vision ist die einer mobbingfreien Schule und damit auch einer mobbingfreien Zukunft. „Wenn man sich weltweit anschaut, wie die Menschen miteinander umgehen, was da alles im Internet passiert, dann ist das besorgniserregend“, sagt der beliebte Entertainer und betont, dass der Kampf gegen Mobbing und Cybermobbing nicht erst an weiterführenden Schulen einsetzen sollte. „Wenn man nur noch intervenieren kann, ist es zu spät. Wir müssen bei jüngeren Kindern den Grundstein für ein achtsames Miteinander legen, denn sie sind empathisch und lassen sich innerlich berühren.“

Im Programm „Du doof!“ lernen Kinder Mobbing zu erkennen und frühzeitig gemeinsam dagegen vorzugehen, damit potenzielle Täter keine Chance haben. Durch Rollenspiele und mit Hilfe multimedialer Lerninhalte refl ektieren sie ihr Verhalten und lernen, dass sie selbst die Verantwortung für einen fairen Umgang miteinander tragen. Wichtig ist es auch, die Lehrkräfte für das Thema zu sensibilisieren. „Wenn ich die Kinder frage, wer schon einmal Mobbing erfahren hat, melden sich teilweise 80 Prozent. Die Lehrer sind dann oft überrascht.“ Sie sind jedoch gefragt, wenn es darum geht, die Erkenntnisse des Programms nachhaltig in den Schulalltag umzusetzen und zu vertiefen. Damit die mobbingfreie Schule irgendwann Wirklichkeit wird.

„Mobbing stoppen! Kinder stärken!“ - Stiftung gegen Mobbing und Cybermobbing

Die Stiftung „Mobbing stoppen! Kinder stärken!“ finanziert sich über Spenden. Viele Infos rund um das Programm „Du doof!" und Möglichkeiten der Unterstützung findet ihr auf www.du-doof.org.

Lesetipps

In „Du Doof?! Auch ich wurde gemobbt“ berichtet Tom Lehel von seinen eigenen Mobbingerfahrungen.
360 Grad Verlag GmbH, ISBN-13: 9783961857562

In „Unsichtbare Wunden“ erzählt die Kölner Autorin Astrid Frank von der 13-jährigen Anna, die in eine verhängnisvolle Mobbingspirale gerät.
Urachhaus Verlag, ISBN-10: 3825179664

Hilfe im Netz

www.schueler-gegen-mobbing.de
www.nummergegenkummer.de
www.juuuport.de
www.jugend.support

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