Familienleben
Gelassener, glücklicher und erfolgreicher
Claudia Berlinger · 29.05.2020
zurück zur ÜbersichtAutor Frank Behrendt
Streng genommen sieht sich Frank Behrendt heute in erster Linie als „Winnetou des Wohlergehens", der seine Lebenszeit und jeden darin enthaltenen Moment genießen möchte. Die Familie ist das Wichtigste, alles andere ist schönes Beiwerk. In seinem Buch „Von Kindern lernen" gewährt der Kommunikationsexperte deshalb Familieneinblicke. Holly, seine jüngste Tochter, ist Impulsgeberin an jedem Kapitelanfang. Anhand unterschiedlicher Alltagsszenarien schreibt Behrendt über Achtsamkeit, Positive Energie, Digital Detox oder Selbstliebe. Humorvoll führt er durch jede Geschichte und stellt heraus, was Kinder besser machen und wie Erwachsene sich hiervon inspirieren lassen können. Sein Freund, der Psychologe Dr. Bertold Ulsamer, zieht für die einzelnen Szenarien die Wissenschaft sowie seine langjährige Coaching-Erfahrung heran und analysiert diese in verständlicher Sprache. Am Kapitelende präsentieren die Autoren Hinweise und Übungen, um das Gelesene im privaten wie beruflichen Leben anzuwenden.
Kinder sind die wahren Entdecker
„Kinder sehen auch die kleinen Dinge des Lebens, sie schauen genauer hin und fokussieren besser. Sie sind die wahren, die großen Entdecker“, da ist sich das Autorenduo einig. Dass kindliche Denkmuster erfolgreicher und glücklicher machen, lernte Frank Behrendt in einer persönlichen Krise, die zum Ende seiner Ehe führte. Er nutzte diesen Schicksalsschlag als Kehrtwende, stellte seine Werte auf den Kopf und begann zu schreiben. Viele Jahre später ist er als „Guru der Gelassenheit" bekannt. Beide Experten machen sich dafür stark, dass der Mensch seine eigene Kindheit nicht abhakt, sondern sie als Kraftquelle für sein Tun nutzt. Wie man das lernen kann, erfragt KÄNGURU-Autorin Claudia Berlinger in diesem Gespräch.
Im Gespräch mit Frank Behrendt
KÄNGURU: Deine Biografie liest sich wie ein Erfolgskonzept vieler erster Male. Du scheinst aus allen Schwierigkeiten, vor die das Leben dich stellt, etwas Gutes zu machen. Bist du ein durch und durch positiver Mensch oder gab es auch Situationen, wo du an deinen Fähigkeiten, Schicksalsschläge zu überwinden, gezweifelt hast?
Frank Behrendt: Ich bin auch nicht als Guru der Gelassenheit auf die Welt gekommen (lacht), auch ich hatte meine dunklen Momente. Als ich als junger Typ bereits mit 26 Jahren Geschäftsführer einer Verkaufsförderungsagentur wurde, war ich nur auf der Überholspur unterwegs. Ich hatte eine junge Familie, ein schönes Auto, Haus, schöne Reisen in die Ferne. Ich habe immer weiter Vollgas gegeben, mit dem Antrieb, meiner Familie ein immer noch schöneres Leben zu bieten. Dabei habe ich das Leben im Hier und Jetzt vernachlässigt.
Ich war viel unterwegs, habe mich nicht um die Aufgaben im Alltag gekümmert. Ein Redakteur im Handelsblatt hat mal einen Satz über einen Top-Manager geschrieben: „Er hat seine Familie auf dem Altar der Karriere geopfert.“ Das ist eine harte Aussage, aber das kommt leider oft vor. Auch meine erste Ehe ist dadurch in die Brüche gegangen, die Hauptschuld hatte ganz klar ich dabei. Ich war danach am Boden und habe mir zum Glück Hilfe gesucht. Ein toller Coach, Dr. Bertold Ulsamer, hat mit mir einen Weg zurück zum Glück erarbeitet. Den habe ich seitdem nie mehr verlassen.
Was hat dich das Scheitern deiner Ehe gelehrt? Wie hat sie dich positiv verändert? Bist du jetzt ein anderer Vater?
Die negative Erfahrung hat mich sehr viel gelehrt. Bei der damaligen Arbeit mit meinem Coach kam heraus, was mir wirklich etwas bedeutet. Und das war nicht Geld oder ein schönes Auto. Es war eine heile Familie, Zeit zu haben, die kleinen schönen Dinge zu genießen. So wie ich es als Kind in meinem Elternhaus erlebt habe – meine Mutter und mein Vater waren über 50 Jahre lang glücklich miteinander verheiratet und haben uns viele Werte abseits des Materiellen vermittelt. Die schätze ich jetzt um so mehr, freue mich an jedem Tag, an jeder Runde mit meinem Hund, jeder Stunde, die ich mit meiner Frau und meinen Kindern zusammen sein darf. Ich bin jetzt ein ganz anderer Vater, vor allem einer, der ganz viel da ist und regen Anteil an allem nimmt, was meine Kinder tun und was sie beschäftigt. Und es macht mich heute viel glücklicher mit Kind und Kegel in einer Holzhütte am Strand in Holland zu sitzen als in irgendeinem teuren Luxushotel in der Ferne.
Was gibt dir letztlich die Kraft, aus Stolpersteinen Herausforderungen zu machen, die du bewältigen kannst?
Bei der Arbeit mit meinem Coach damals sind wir gedanklich auch wieder in meine Kindheit zurückgereist. Wir haben ganz viele positive Anker gefunden, die mir heute Kraft und positive Energie geben. So habe ich mir alle meine früheren Lieblingsspielzeuge aus der Kindheit auf Ebay zurückgekauft. Sie stehen in meinem Büro auf dem Schreibtisch. Und meine Helden von früher, Captain Kirk, Mr. Spock vom Raumschiff Enterprise sowie Han Solo aus StarWars stehen als lebensgroße Pappfiguren hinter meinem Schreibtisch. Sie erinnern mich jeden Tag daran, mutig zu sein und jede Herausforderung als Chance zu sehen. Zu Hause habe ich ein Bild von Pippi Langstrumpf an der Wand neben meinem Homeoffice-Schreibtisch hängen. Auch Pippi ist ein Vorbild, denn sie hat mit Fantasie immer einen Weg gefunden, Probleme zu lösen. So gehe ich heute auch vor.
Hast du dich aus deiner Firma Serviceplan wegrationalisiert, als du zum Buchautor wurdest?
Nein (lacht), natürlich nicht. Ich bin ja schon länger nicht mehr als festangestellter Mitarbeiter unterwegs, sondern als „Senior Advisor“ tätig, also so eine Art weiser Häuptling, der als freiberuflich tätiger Berater gute Ratschläge auf Basis seiner langen Erfahrung gibt und die Zeit hat, viele kreative Ideen einzubringen. Ich bin frei von administrativen Aufgaben, muss nicht jeden Tag arbeiten und kann auch viel von zu Hause erledigen. Das gibt mir viele Freiheiten, andere Dinge zu machen – zum Beispiel Bücher zu schreiben oder Vorträge zu halten.
Was ist das Besondere an deinem neuen Buch „Von Kindern lernen“? Welche Grundidee verfolgst du?
Die Grundidee ist, dass wir alle einmal Kinder waren, neugierig, lebensfroh, nicht so gefangen in einem Hamsterrad. Kinder denken anders, gehen anders mit Herausforderungen um, reden nicht dauernd von Problemen sondern machen einfach. Das sollten wir heute in einer Welt voller immer schnellerer Veränderungen auch wieder viel öfter machen. Deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, sich wieder mal auf Augenhöhe mit den Kindern zu begeben. Ihnen zuzuhören, die Welt mit ihren Augen sehen, auf Dinge zu achten, die wir übersehen. Ich lerne von meinen drei Kindern täglich mehr, als in allen Management-Seminaren zusammen. Die Heldin des neuen Buches Von Kindern lernen ist Holly, meine jüngste Tochter. Jedes Kapitel beginnt mit einer unterhaltsamen Geschichte, was ich in einer bestimmten Situation von ihr gelernt und dann in meinem Leben verändert habe.
Dr. Bertold Ulsamer, mein früherer Coach, über den wir schon sprachen, ordnet das dann aus der Perspektive des Psychologen ein und ergänzt ganz viele spannende Geschichten aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Coach und Trainer. Dazu gibt es von mir jeweils viele leicht umsetzbare Tipps, um etwas in seinem persönlichen beruflichen oder privaten Alltag zu ändern. Aus meiner Sicht ist das Buch ein großartiger Mix, aus dem jede und jeder garantiert etwas positives als Inspiration für sich mitnehmen wird.
Was hat sich durch das Bücherschreiben in deinem Leben verändert?
Ein Buch zu schreiben ist aus meiner Sicht wie eine Reise zu einem selbst. Ich habe bei allen drei Büchern ganz viel recherchiert, bin tief in unsere Familiengeschichte eingetaucht, habe stundenlang mit meiner Mutter, meinen Geschwistern und Verwandten geredet und mein ganzes Leben noch einmal Revue passieren lassen. Dabei entdeckt man ganz viele besondere kleine Momente, die man im Laufe der Jahre vergessen hatte. Jetzt sind sie alle wieder da und stehen frisch poliert im Schrank meiner Erinnerungen. Das macht unendlich glücklich und hat mir unfassbar viel positive Energie gegeben. Da ich so viele habe, gebe ich sie gerne weiter, um auch andere zu motivieren, positiver zu denken und das Leben mehr zu genießen, auch wenn es mal schwierige Zeiten gibt. Ich hatte die auch, aber es geht jeden Tag wieder aufs Neue die Sonne auf. Bis zum Ende aller Tage.
Wann hast du deine erste Geschichte geschrieben?
In Brasilien, als kleiner Junge. Wir sind in den heißen Sommermonaten immer aus der Millionenmetropole Rio de Janeiro, in der wir damals lebten, weil mein Vater als Auslandslehrer an der Deutschen Schule arbeitete, in die Berge in ein Ferienhaus von Freunden gefahren. Das war ein Paradies. Wir durften alles bauen, in den Wäldern herumstrolchen, reiten, es war eine traumhafte Zeit voller Abenteuer. Die habe ich in kleinen Geschichten beschrieben und Bilder dazu gemalt. Meine Mutter hat sie alle aufgehoben und kürzlich an ihrem 85. Geburtstag haben wir mein Frühwerk wieder mal gelesen. Wir haben alle herzlich gelacht.
Welche ersten Male möchtest du noch erleben? Beruflich und privat.
Jeder Tag ist für mich ein erstes Mal, denn es gibt immer einen Gedanken, eine Aktivität, die ich so noch nicht gemacht habe. Meistens in Zusammenhang mit meinen Kindern. Ich bin offen für alles, bin ja auch digital sehr aktiv in den Sozialen Netzwerken, ich beschäftige mich neugierig mit allem neuen, was da kommt, auch wenn ich nicht alles gut finde. „Alexa“ zum Beispiel hat bei uns Hausverbot, die finde ich einfach nur nervig.
Wo siehst du dich in 5 Jahren?
Hoffentlich weiter gesund und munter bei einer Hunderunde mit Fee und meiner Familie im wunderschönen Forstbotanischen Garten. Ich möchte nicht mehr erreichen oder mehr besitzen, das treibt mich nicht an. Ich möchte einfach in der aktuellen Konstellation mit den Menschen, die ich liebe, genauso glücklich bleiben wie ich jetzt mit ihnen bin.
Wo siehst du die Welt in 1 Jahr?
Ich habe das gute Gefühl, dass die Welt sich positiv verändern wird, weil sie es muss. Die Menschen stellen langsam fest, dass ein ewiges „schneller, höher, weiter“ nicht möglich sein wird, sondern immer mehr Menschen krank macht. Mehr miteinander, mehr Achtsamkeit, mehr Menschlichkeit wären Dinge, die uns allen guttun werden. Da sind wir in einem Jahr bestimmt einen kleinen aber wichtigen Schritt weiter, wenn die Mehrheit der Menschen mitmacht und aus Fehlern lernt.
Wenn du dir etwas wünschen dürftest, sagen wir, weil dir eine Fee drei Wünsche schenkt, ganz kindlich gesprochen: Was wären diese Wünsche?
Dass kein Mensch auf der Welt mehr hungern muss. Dass keinem Kind auf der Welt mehr Gewalt angetan wird. Dass es keine Kriege mehr gibt, sondern Liebe die Welt regiert.
Vielen Dank für dieses Gespräch!
Frank Behrendt | Bertold Ulsamer
Von Kindern lernen
Wie uns kindliche Perspektiven gelassener, glücklicher und erfolgreicher machen
Springer 2020
Softcover + eBook 17,99 Euro
Als Add-On bietet das Buch drei Podcasts mit der Autorin Tijen Onaran. Die erfolgreiche Netzwerkerin spricht darin sehr persönlich mit den Autoren über eigene Erfahrungen in Bezug auf die Buchkapitel.