Bildung
Sprachreisen in den Ferien
Anja Janßen · 02.07.2019
zurück zur ÜbersichtGastfamilie oder Sprachcamp? Sprachreisen für Kinder und Jugendliche bieten viele Möglichkeiten. / Foto: Pexels
An Klassenfahrten hatte Talja bereits teilgenommen. Und auch beim fünftägigen Schüleraustausch hat sie mitgemacht. Doch in den Osterferien wollte die 13-Jährige noch einen größeren Schritt hinaus in die Welt wagen: Zusammen mit einer Freundin lebte sie für 14 Tage in einer Gastfamilie im Norden Englands.
Die zweiwöchige Reise nach York buchten ihre Eltern über einen Sprachreise-Anbieter, der vor Ort für alle Teilnehmer an den Vormittagen einen Englischkurs anbot und Ausflüge organisierte. Die restliche Zeit verbrachten die Mädchen zusammen in der Gastfamilie. Die besonderen Ferien hatten ihren Preis: 1.500 Euro pro Kind plus die Kosten für den Flug.
Für Kinder und Jugendliche gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Fremdsprachenkenntnisse in den Ferien aufzubessern. Welches das passende Angebot ist, hängt nicht nur vom Geldbeutel ab, sondern auch vom Alter und Typ des einzelnen Kindes. Schülersprachreisen ins europäische Ausland gehen in der Regel bei elf bis zwölf Jahren los.
Die Konzepte setzen meistens auf eine Kombination aus Sprachunterricht und Freizeitaktivitäten wie Exkursionen und Sport. An Taljas Sprachkurs nahmen circa 15 Kinder teil. Der Unterricht umfasste drei bis fünf Stunden pro Tag und verlief im Gegensatz zum herkömmlichen Schulunterricht oft spielerisch und in Gruppenarbeit.
Wichtig: Nationalitätenmix unter den Kindern
In der Regel begleiten muttersprachliche Betreuer die Kinder in den Sprachkursen und während den Freizeitaktivitäten, damit sie möglichst häufig die fremde Sprache anwenden. Es lohnt sich, beim Anbieter nachzufragen, wie es mit dem Nationalitätenmix unter den teilnehmenden Kindern aussieht. Besteht die Gruppe vorwiegend aus deutschsprachigen Kindern, haben sie keine Anlässe, sich in den Pausen und in der Freizeit in der Fremdsprache zu unterhalten.
Gastfamilien: keine Garantie für Unternehmungen
Die Möglichkeiten der Unterbringung variieren je nach Angebot: Da gibt es die Variante der Gastfamilie, in der das Kind in die fremde Kultur und Sprache abtauchen kann. Einige Anbieter organisieren auch die Unterkunft in Colleges oder Internaten. Talja hätte gerne mit ihrer Freundin in einem englischen Internat übernachtet, doch das erschien den Eltern noch nicht passend für ihr Alter. „Uns war wichtig, dass die erste Reise im behüteten Rahmen in einer Gastfamilie stattfindet und die Kinder nicht im Internat in einer großen Gruppe unterwegs sind. Dass da jemand ist, der darauf achtet, ob die Kinder abends auch nachhause kommen“, erzählt ihre Mutter Sharon Blumenthal.
Den Schritt in die fremde Familie wagte Talja zusammen mit einer Freundin. So konnte die beiden sich an den Abenden gemeinsam beschäftigen, denn das Leben in der Familie bot leider wenig Abwechslung. Die Tochter des Hauses glänzte häufig mit Abwesenheit, meistens war nur eine Person vor Ort, die kaum etwas mit den beiden Mädchen unternahm. „Das ist das Risiko, das man bei Gastfamilien eingeht“, resümiert die Mutter. „Niemand kann garantieren, dass die Familien in der Freizeit mit den Kindern viel unternehmen.“ Vor allem bei Gastfamilien, die Kinder gegen Geld aufnehmen, kann es somit passieren, dass viel Zeit Zuhause verbracht wird.
Reiseberichte und Bewertungen checken
Wer im Internet Anbieter miteinander vergleicht, sollte nicht nur auf Preise achten, sondern auch Reiseberichte und Bewertungen von ehemaligen Teilnehmern lesen. Viele Organisationen stellen positive Erfahrungsberichte auf die eigene Website. Fernab von anbieterbezogene Informationen stößt der Nutzer schnell auf Portale wie www.sprachreisen-bewertung.de oder www.sprachreisen-test.de. Diese Webseiten liefern in der Regel keine unabhängigen Informationen, da sie sich durch Anzeigen von Sprachreise-Anbietern finanzieren. Die Werbeformate werden auf den Seiten selbst gerne auch als „Kooperationen“ bezeichnet.
Eine weitere Informationsquelle können Foren sein. Mit entsprechenden Suchbegriffen lassen sich bei www.rund-ums-baby.de oder www.gutefrage.net Einträge von Nutzern finden, die sich zum Teil ganz konkret über die Erfahrungen ihrer Kinder bei bestimmten Sprachreisen austauschen. Nichts geht allerdings über das persönliche Gespräch mit ehemaligen Teilnehmern. Eltern sollten sich auf jeden Fall im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis oder in der Schulklasse umhören, ob jemand bereits Erfahrungen mit einem Reiseanbieter gesammelt hat.
Camps in Deutschland und Familiensprachreisen
Für Kinder ab sieben Jahren oder solche, die den Schritt ins Ausland noch nicht wagen, gibt es Englisch-Camps, die in Deutschland oder sogar in der eigenen Stadt stattfinden. Letzteres bietet die Möglichkeit, tagsüber unter der Leitung von muttersprachlichen Betreuern am Englisch-Kurs und an Spielen sowie Sportangeboten teilzunehmen und abends in die gewohnte Umgebung zurückzukehren. Hier muss jeder für sich abwägen, welche Erwartungen er an ein solches Angebot stellt.
Nehmen an dem Camp hauptsächlich deutschsprachige Kinder teil, wird sich die fremdsprachliche Erfahrung wahrscheinlich nur auf den Unterricht und den Austausch mit den Betreuern begrenzen. Für manche Kinder könnte aber alleine das schon eine Erfahrung sein, die sie für einen späteren Schüleraustausch stärkt und motiviert. Ebenso verhält es sich mit den Familiensprachreisen, durch die Eltern und Kinder zusammen ins Ausland verreisen. In der Regel erhalten Erwachsene und Kinder dort getrennten Sprachunterricht. Ob Freizeitgestaltung und Unterbringung separat oder gemeinsam verläuft, können die Familien meistens selbst entscheiden.
Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein
Auch wenn Taljas Leben in der Gastfamilie aufregender hätte sein können, zieht sie unterm Strich eine positive Bilanz. „Man hat viele neue Leute kennen gelernt und einen guten Eindruck von England bekommen“, sagt die 13-Jährige. „Außerdem konnte ich mein Englisch endlich mal anwenden und üben.“
Und auch ihre Mutter findet, dass Talja einiges aus den außergewöhnlichen Ferien mitgenommen hat: Selbstbewusstsein und die Fähigkeit, Dinge einmal alleine zu regeln. Zwei Wochen ohne Eltern in einem anderen Land fördert die Selbstständigkeit – schon in den kleinen Dingen des Alltags. Und wenn es bloß darum geht, Passanten nach dem Weg zu fragen oder sich zu überlegen, wo man einen Adapter kaufen kann. „Das zu lernen finde ich fast wichtiger, als die Sprache“, sagt Sharon Blumenthal.
Info
Sechs Monate Ausland im Grundschulalter
Die Vereine „Allef“ und „En Famille International“ organisieren Schüleraustausch für Kinder im Alter von acht bis zehn Jahren bzw. von neun bis 14 Jahren. Das Prinzip: Zwei gleichaltrige Kinder verbringen ein ganzes Jahr zusammen – sechs Monate in Deutschland und sechs Monate in einer Partnerfamilie im europäischen Ausland. Die Teilnahme unterliegt einem Bewerbungs- und Auswahlverfahren. Denn nicht nur Kinder und Familien müssen zusammenpassen, der sechsmonatige Aufenthalt ohne Eltern fordert von den jungen Kindern auch ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Motivation.