Wir brauchen deine Unterstützung, jeder Cookie zählt!

Wir verwenden Cookies, um die Nutzung unserer Webseite zu verbessern, bestimmte Funktionen zu ermöglichen und vor allem, um unsere Arbeit zu finanzieren. Du kannst dem jederzeit in unserer Datenschutzerklärung widersprechen.

Akzeptieren
Essenziell

Diese Technologien sind erforderlich, um die Funktionalität der Webseite zu ermöglichen.

Statistik

Mit diesen Technologien analysieren wir die Nutzung der Webseite, mit dem Ziel, unsere Arbeit zu verbessern.

Marketing

Diese Cookies sind Grundlage für unsere Einnahmen. Wir nutzen Google Adsense, um Anzeigen unserer Werbekunden auf der Webseite einzustellen. Hier erfährst Du, wie personenbezogene Daten zur Personalisierung von Anzeigen verwendet werden.

Komfort/Externe Medien

Diese Technologien werden verwendet, um dir ein besseres Nutzungserlebnis zu ermöglichen.

Bildung

Schluss mit Rollenklischees

Text und Bilder: Ursula Katthöfer · 09.12.2020

zurück zur Übersicht
Keines der Kinder würde lachen, wenn ein Junge sich in rosa Tüll kleidet.

Keines der Kinder würde lachen, wenn ein Junge sich in rosa Tüll kleidet.

Die Kölner Kita MyDagis arbeitet nach dem Konzept der Genderpädagogik. Sie betrachtet Spielzeug, Bilderbücher, Sprache und Kleidung aus einem neuen Blickwinkel.

Tommy trägt zu seinem grünen Pullover ein rosa Tutu. Keines der Kinder in der privaten Kölner Kita MyDagis stört sich daran. Sprüche wie „Du Mädchen“ bleiben aus. Auch wenn Jungen rosa Hausschuhe tragen, sich die Feenflügel umhängen oder sich nach dem Mittagsschlaf Zöpfe flechten lassen, ist das für die Kinder selbstverständlich. Denn die Erziehung in ihrer Kita basiert auf dem Konzept der Genderpädagogik.


Stefanie König gründete die Kita MyDagis und entwickelte das gendergerechte Konzept.

„Wir arbeiten ohne Geschlechterhierarchien“, sagt Stefanie König, Gründerin und Geschäftsführerin von MyDagis. „Ziel ist, jedes Kind bei seinen individuellen Interessen und Fähigkeiten zu fördern. Wenn ein Junge Zöpfe haben möchte, darf er das.“ Das heiße nicht, dass Jungen und Mädchen gleich behandelt werden. „Gleich ist nicht unbedingt gerecht“, meint König. „Es geht uns ja gerade darum, die Verschiedenheit anzuerkennen.“

Früher Metallbauer, heute Kinderpfleger

Besuch in der Gruppe mit dem türkisfarbenen Fußbodenbelag, der türkisen Gruppe. Die Kinder sitzen zusammen auf ihrem buntgewebten Spielteppich und bauen. Mittendrin sitzt Daniel, der zum vierköpfigen Erzieher*innen-Team gehört. Denn bei MyDagis soll in jeder Gruppe mindestens ein Mann beschäftigt sein, sodass die Kinder männliche und weibliche Vorbilder haben. Das klappt nicht immer. In manchen Gruppen arbeiten nur Frauen. In einer Gruppe kam es hingegen schon vor, dass drei Männer für die Kinder da waren.


Schon als 15-jähriger Skater stellte Daniel Heuscher fest, dass er gut mit Kindern umgehen kann.

Daniel wusste schon als 15-jähriger Skater, dass er gut mit Kindern umgehen kann: „Auf den Rampen waren immer viele jüngere Kinder. Zu denen hatte ich immer einen guten Draht.“ Dennoch schlug er erst eine andere berufliche Richtung ein und lernte Metallbauer. Im Handwerk würde er heute mehr verdienen als in seinem Beruf als Kinderpfleger. Doch das Geld reizt ihn wenig. Vielmehr sind da die Erinnerungen an die eigene Kindheit in einem Dorf der Eifel. Ihm fehlten Räume, in denen Jungen sich individuell entfalten konnten. Heute möchte er Vorbild sein. „In den Familien sind Väter auch Vorbilder. Warum soll es dann im Kindergarten keine Männer geben?“

Im Raum der türkisen Gruppe gibt es Bilderbücher und Blauklötze, Kletterlandschaft und Kleiderständer, Spielküche und Spielzeugautos. Nur eine Puppenecke ist nirgendwo zu sehen. „Wir besitzen zwar eine Puppenecke, aber die haben wir weggeräumt“, sagt Erzieherin Christina. „Die Kinder spielen zurzeit viel lieber Restaurant.“ Die Puppen haben Pause. Das heißt nicht, dass sie nicht gebraucht werden, im Gegenteil: „Es bringt ja nichts, Spielzeug abzuschaffen“, sagt Stefanie König. „Wie sollen Jungen Empathie lernen, wenn sie nicht mit Puppen spielen können?“.


In jeder Gruppe ist von den vier Erzieher*innen mindestens einer ein Mann.

Klettern im Minirock?

Besuch im Naturgarten, mehrere Gruppen spielen draußen. Im Sand liegen große Findlinge aus Stein, auf denen Kinder herumklettern. Andere ziehen sich in eines der Holzhäuser zurück oder verstecken sich hinter dicht belaubten Büschen. Am Bachlauf parkt eine Reihe von orangen Lastern, mit denen die Jungen und Mädchen Matsch herumfahren.

Während die Kinder mit den Elementen Wasser und Erde experimentieren, bietet sich auch für Eltern ein Lernprozess zum Genderthema Kleidung. „Ich würde Eltern nie fragen, warum ihre Tochter einen Minirock trägt, mit dem sie nicht auf einen Baum klettern kann“, sagt König. Viel lieber wäre ihr, wenn Eltern selbst darauf kämen, dass eine kurze Hose geeigneter ist. Gleichzeitig lässt sich niemand im MyDagis-Team dafür einspannen, auf feine Kleidung Rücksicht zu nehmen. „Wir matschen hier jeden Tag. Da ist es normal, dass Kleidung dreckig wird.“

Kleine Konflikte gehören dazu, wenn ein noch nicht verbreitetes Erziehungskonzept angewandt wird. Doch die meisten Eltern sind sehr zufrieden – auch über die Kitazeit hinaus. Luan und Noomi sind bereits in der Grundschule. Sie haben ihre Erfahrungen aus MyDagis mitgenommen. „Meine Kinder können nicht verstehen, warum Jungen und Mädchen bei Klassenfahrten in getrennten Zimmern übernachten müssen“, erzählt ihre Mutter Romina Pinto. „Das finden sie superblöd. Wenn man die Kinder nicht trennen würde, wären alle zufrieden und würden glücklich in ihren Zimmern schlafen.“ Mit der Grundschule ihrer Kinder sei sie schon zufrieden, doch es falle bei den AGs auf, dass in Schubladen gedacht werde. „Es gibt typische Mädchen-AGs wie z.B. Tanz.“ Pinto ist dankbar für die Toleranz, die ihre Kinder während ihrer Kitazeit gelernt haben. „Wenn Pärchen heiraten möchten, dann ist es für meine Kinder total egal, ob es gleichgeschlechtliche Ehen sind.“

Die Kita MyDagis hat sich auf den Weg zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft gemacht. Wie schwierig das sein kann, erfährt selbst Gründerin Stefanie König, Mutter von drei Söhnen: „Wenn ich abends zuhause sage, dass ich noch mit dem Hund rausgehe, schallt es aus den Zimmern: „Mit der Hündin!’“

Das könnte dich auch interessieren:

▸ Almut Schnerring und Sascha Verlan über Gendergerechtigkeit – und warum rosa-hellblau eine Falle ist