Bildung
Der Walking Bus
Claudia Berlinger · 11.07.2018
zurück zur ÜbersichtFoto: Stadt Köln
Für diese Entwicklung gibt es zwei Gründe: Während in strukturstarken Gegenden die soziale Sicherheit, also die Furcht vor möglichen Belästigungen im Vordergrund steht, bangen Eltern in ländlicheren Gebieten in erster Linie um die Sicherheit ihrer Kinder im Straßenverkehr. Je nach Anbindung der Schule an das öffentliche Verkehrsnetz scheint das Eltern-Taxi die sicherste Variante zu sein. Laut dem „Runden Tisch zur Prävention von Kinderunfällen“ sind Unfälle jeder Art für Kinder immer noch das Gesundheitsrisiko Nummer eins.
In Köln-Rodenkirchen fand jüngst eine Verkehrssicherheitswoche statt, die in Kooperation der Schulpflegschaften und Schulleitungen der beiden Grundschulen am Ort – die EMA und die Grüngürtelschule – organisiert wurde. Ziel der Aktion war es, das Bewusstsein der Eltern für die lauernden Gefahren für Schülerinnen und Schüler zu schärfen, die durch die vielen Autos erst ausgelöst werden.
Die hohe Verkehrsdichte, unübersichtliche Stellen, fehlende Zebrastreifen und Ampeln sowie sich plötzlich auflösende Bürgersteige führten in Rodenkirchen zur Umsetzung einer alternativen Schulwegsbetreuung, der Initiative Walking Bus, die sehr erfolgreich durchgeführt wird. Allmorgendlich marschieren seit 2017 die „Busse" auf vier verschiedenen Routen sternförmig Richtung Grundschule.
Wie funktioniert der Walking Bus?
Ein ehrenamtlicher Erwachsener bildet das „Buspersonal". Er startet zu Fuß vom „Busbahnhof“ und läuft nacheinander die vorher definierten Haltestellen an. Diese sind mit einem Haltestellenschild markiert. Die Kinder „steigen" in den Bus und laufen sicher betreut im Verbund der Gruppe bis zur Endstation Schuleingang. Auf dem Rückweg nach Hause wiederholt sich das Ganze, nur umgekehrt. An den Haltestellen werden die Kinder von ihren Eltern in Empfang genommen. Die Kinder tragen Reflektorbänder am Arm und die „Busfahrer" sind durch eine Leuchtweste gekennzeichnet. So wird die Gruppe von allen Verkehrsteilnehmern auch bei schlechten Witterungsverhältnissen gut wahrgenommen. Die Stadt Köln und die örtliche Polizei unterstützt die Initiative. Damit der Walking Bus auch sicher ist, sollte ein Erwachsener nicht mehr als sechs Kinder betreuen. Der Vollständigkeit halber soll erwähnt sein, dass im Falle eines Unfalls sowohl für Kinder als auch „Busfahrer" die gesetzliche Schülerunfallversicherung greift.
Die für Rodenkirchen zuständige Polizistin der Verkehrssicherheitsberatung begleitete an drei Tagen den Walking Bus auf der Südroute. Leander bemerkt beeindruckt: „Die Polizistin hat auch drei Fahrradfahrer angehalten, die kein Licht hatten. Die mussten danach das Rad schieben." Die Polizistin lobte die Initiative sehr: „Die Kinder sind aufmerksamer und sicherer im Verkehr. Sie lernen in der realen Alltagssituation, Gefahren einzuschätzen und für sich selbst zu sorgen."
Jeder nicht gefahrene Kilometer schont den Geldbeutel und die Umwelt
Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Schulweg macht in Gemeinschaft mehr Spaß, der Walking Bus bläst keine Abgase in die Luft und er bringt Sicherheit. Die Kinder üben durch Beobachten, Lernen, Erfragen und Erklären sicheres Verkehrsverhalten und können abwechselnd kleinere Aufgaben des Busfahrers übernehmen. Außerdem kostet er nichts. Den Eltern beschert er Entspannung im morgendlichen Zeitmanagement, denn straffe Zeitpläne werden entzerrt. Der Walking Bus trägt also in manchen Fällen sogar zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei. Auch die Schulen bestätigen positive Effekte auf die Teilnehmer der Initiative. Der Walking Bus bringt eine Extraportion körperliche Aktivität. Derzeit haben wir in Deutschland rund 20 Prozent übergewichtige Kinder, mit steigender Tendenz. Gerade für diese Kinder könnte eine Urkunde am Ende des Schuljahres, auf der steht, wie viele Kilometer sie mit dem Walking Bus zurückgelegt haben, eine besondere Motivation sein.
Schüler und Lehrer profitieren gleichermaßen von der höheren Konzentration im Unterricht und der Förderung von Selbständigkeit, Kommunikation und Sozialverhalten. Die Kinder tauschen sich bereits vor der ersten Schulstunde aus und befinden sich in einer wachen Wohlspannung, wenn sie die Klassenräume betreten. Zusammen mit Freundinnen und Freunden macht der Schulweg einfach mehr Spaß.
Am 22. September findet der jährliche „Zu Fuß zur Schule und zum Kindergarten-Tag“ statt. Das wäre doch ein guter Startschuss für eine Aktion in eurer Einrichtung.
Wie gründen wir einen Walking Bus?
- Kommunikation ist alles. Sprecht interessierte Eltern und Kinder an.
- Bittet Schulleiter und Lehrer um organisatorische Unterstützung.
- Findet verantwortungsvolle Eltern als Busfahrer und Ersatzfahrer.
- Arbeitet Route und Uhrzeiten aus. Hier helfen die Verkehrssicherheit der Polizei und die Stadt Köln.
- Die Stadt Köln spendet Reflektorbänder und Westen, solange der Vorrat reicht.
- Organisiert Haltestellenschilder und Fahrpan-Schaukästen. In Bonn wurden diese von den Stadtwerken Bonn (SWB) gespendet.
Info
Unter www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/verkehr findet ihr alle Informationen, Ansprechpartner und könnt euch den Flyer der Stadt Köln herunterladen. Sparkassen und andere Firmen sind oft bereit, Westen und reflektierende Armbänder zu spenden. Ihr müsst sie nur ansprechen.
Der Fachverband Fußverkehr Deutschland vertritt seit 1985 die Interessen der Fußgänger in Deutschland. Er setzt sich für eine enge Kooperation aller Verkehrsmittel des „Umweltverbundes" - Fußgänger, Radfahrer und die Benutzer von Bussen und Bahnen - und damit für eine nachhaltige Mobilität im Nahverkehr ein.