Bildung
Berufliche Neuorientierung
Janina Mogendorf · 26.02.2025
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Berufliche Neuorientierung – das geht im Großen, aber auch im Kleinen. © (JLco) Julia Amaral/Adobe Stock
Veränderungen gehören zum Leben dazu. Manche sind absehbar, manche passieren, während wir noch andere Pläne schmieden. Die Normalbiografie mit den Stationen Schule, Beruf, Familie und Ruhestand mag noch existieren. Dieses Ideal aus der Nachkriegszeit wird den vielfältigen Lebensentwürfen und -verläufen, wie wir sie heute kennen, jedoch nicht mehr gerecht.
Ein Blick ins eigene Umfeld zeigt es. Da ist die frühere Chefsekretärin, die heute alternative Heilmethoden anbietet. Der erfolgreiche Marketingleiter, der ausgestiegen ist, um ein Pferderesort auf einer Atlantikinsel aufzubauen. Der Informatiker, der Lehrer wurde und nach einigen Jahren wieder in die IT zurückgegangen ist. Die Physiotherapeutin, die nun Psychologie studiert und später im Kriminalbereich arbeiten will.
Der Beruf muss zum Leben passen
Einige wechseln die Richtung in jungen Jahren, andere erst viel später. Manche ändern den Kurs immer wieder oder sie orientieren sich zehn Jahre vor der Rente noch mal neu. Sie alle haben gute Gründe. Mit den Lebensphasen ändern sich Wünsche und Bedürfnisse, aber auch die Anforderungen, die das Umfeld an uns stellt. Persönliche Erfahrungen, technischer Fortschritt und der Zeitgeist beeinflussen unsere Ansichten und die Art, wie wir mit Dingen umgehen. Nicht immer geht ein Wechsel schnell. Manchmal braucht es Jahre, um den passenden Weg zu finden und dieser muss nicht gleich von der Chefetage auf den Fischkutter führen. Oft reichen auch kleinere Anpassungen, damit unser Job mit unserem Leben Schritt halten kann. Ein paar Stunden reduzieren, ins Homeoffice gehen, Arbeitszeiten anpassen, eine neue Aufgabe in der gleichen Firma übernehmen.
Berufsberatung für Erwachsene
Wohin die Reise auch geht: Wir müssen sie nicht alleine bewältigen, denn es gibt eine Vielzahl an Hilfestellungen. Andre Stephan-Park, Pressesprecher bei der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit (BA), empfiehlt als ersten Schritt eine Berufsberatung für Erwachsene bei der Agentur für Arbeit. „Sie richtet sich an Menschen, die sich beruflich verändern oder weiterentwickeln wollen oder zumindest darüber nachdenken.“ Im Gespräch geht es um individuelle Optionen und Entwicklungsmöglichkeiten. Auf der Seite Berufenet kann man sich vorab über Tätigkeitsfelder und Voraussetzungen informieren. „Zwar ist der Arbeitsmarkt derzeit weniger aufnahmefähig als noch vor einigen Jahren. Dennoch bieten die meisten Branchen weiterhin gute Chancen – besonders für Fachkräfte“, macht Stephan-Park Mut. Das gilt auch für ältere Arbeitnehmende und vor allem in sozialen und pädagogischen Berufen wie der Pflege oder im Handwerk.
Der Arbeitsmarkt bietet Chancen für jeden Lebensweg
Veränderungen im Leben erfordern manchmal auch berufliche Anpassungen – ob durch familiäre Entwicklungen, gesundheitliche Einschränkungen oder den Wunsch nach einer erfüllenden Aufgabe. Der Arbeitsmarkt ist heute offen und vielfältig und bietet zahlreiche Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Mit passender Beratung und finanzieller Unterstützung lassen sich neue Wege gut meistern. Die Arbeitsagentur ist hier eine gute Anlaufstelle.
Fortbildungen ebnen den Weg
Am Anfang stehen eine Bestandsaufnahme der eigenen Fähigkeiten und ein Abgleich mit der angestrebten Aufgabe. Manchmal ist ein Direkteinstieg in einen verwandten Beruf durchaus erfolgversprechend. Das Jobportal zeigt passende Stellenausschreibungen in der eigenen Region. Fehlen jedoch wichtige Qualifikationen, kann eine Fortbildung helfen. Die Seite Kursnet zeigt, welche Qualifizierungen in den verschiedenen Bereichen angeboten werden. Das nationale Online-Weiterbildungsportal gibt Auskunft über Fördermöglichkeiten. Voraussetzung für finanzielle Unterstützung ist ein Beratungsgespräch bei der Arbeitsagentur. Bei drohender oder bestehender Arbeitslosigkeit helfen Bildungsgutscheine. Menschen, die Bürgergeld empfangen, können Gründerzuschüsse oder das Einstiegsgeld für Selbstständige erhalten. Lehrgangskosten für Beschäftigte werden häufig von Arbeitsagentur und Arbeitgeber gemeinsam bezuschusst. Bei Qualifizierungen für einen Berufsabschluss können nach bestandenen Prüfungen Weiterbildungsprämien gezahlt werden.
Unsere Fallbeispiele zeigen, wie Neuorientierung gelingen kann
Bessere Vereinbarkeit
Als Sina, 33, Mutter wurde, konnte sie nicht mehr im Außendienst arbeiten. Nach einem Gespräch mit ihrem Arbeitgeber übernahm sie stattdessen eine Position mit flexibleren Arbeitszeiten und Homeoffice. „Veränderungen in der persönlichen Lebenssituation müssen nicht immer zu einem Arbeitgeberwechsel führen. Gerade in Zeiten von Fachkräfteengpässen sind Unternehmen daran interessiert, gute und eingearbeitete Arbeitnehmende zu halten“, sagt Andre Stephan-Park.
Zurück ins Angestelltenverhältnis
Monika, 45, suchte nach mehreren Jahren als freiberufliche Grafikdesignerin wieder eine Anstellung. Dank einer beruflichen Fortbildung und einem Bewerbungs-Coaching fand sie eine Teilzeitstelle in einem Verlag. „In Zeiten des Fachkräftemangels suchen viele Arbeitgeber händeringend nach Personal, idealerweise mit einer passenden Ausbildung oder beruflicher Vorerfahrung. War jemand lange nicht in seinem Beruf tätig, kann es notwendig sein, eine Qualifizierung zu technischen oder gesetzlichen Neuerungenzu erwerben“, so der Arbeitsmarktexperte.
Umorientierung aus Gesundheitsgründen
Michael, 52, konnte nach einer Bandscheibenoperation nicht mehr als Zimmermann arbeiten. Mit Unterstützung der Reha- Beratung der Arbeitsagentur absolvierte er eine Umschulung zum technischen Zeichner. „Wir unterstützen Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen mit gezielten Weiterbildungen“, macht Stephan- Park deutlich.
Neue Stadt, neuer Job
Julia, 36, zog aus familiären Gründen in eine ländlichere Region, in der es für sie als Bäckerin keine freie Stelle gab. Durch eine Weiterbildung zur Konditorin fand sie eine erfüllende Aufgabe in einem großen Hotel.„Findet sich keine passende Stelle, lohnt sich der Blick auf verwandte Berufsfelder. Unter Berufenet kann man seinen Beruf eingeben. Mit einem Klick auf die Ergebnisse öffnet sich der Reiter ‚Alternativen‘ und bietet einen guten Überblick“, so der Pressesprecher.
Keine Angst vor Künstlicher Intelligenz (KI)
Buchhalter Jürgen, 49, hatte Sorge, seinen Job wegen einer Automatisierung zu verlieren. Nach einer Berufsberatung entschied er sich für eine Weiterbildung im Bereich Datenanalyse und arbeitet nun als Datenqualitätsmanager in seinem Unternehmen. Andre Stephan-Park: „Die Zunahme von KI verändert viele Berufe, aber selten verschwinden sie komplett. Eine gezielte Weiterbildung kann helfen, im gleichen Berufsfeld zu bleiben und neue Kompetenzen zu erwerben.“