Bewegung
Was Kinder durch Sport wirklich lernen – und warum Bewegung so wichtig ist
Thea Wittmann · 23.04.2025
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Welche Chancen für persönliche Entwicklung stecken in Sport und Bewegung? © Drobot Dean/Adobe Stock
Irgendwann klappt’s – und das ist eine überwältigende Erfahrung: Wenn Kinder schwimmen lernen, dann paddeln sie anfangs noch prustend und viel zu hektisch, um sich über Wasser zu halten. Nach und nach werden die Bewegungen ruhiger: Arme nach vorne schieben, die Beine wie ein Frosch anziehen und wieder strecken. Irgendwann trägt das Wasser. Was für ein Gefühl! „Ich kann schwimmen!“ Manchmal braucht es einfach Zeit, um Fortschritte zu machen. Durch Sport lernen wir, geduldig zu sein und Ausdauer zu zeigen. Und das hilft, auch in anderen Lebensbereichen langfristig dranzubleiben.
Die Benefits von sportlicher Aktivität gehen weit über die körperliche Fitness hinaus. Sport fördert nicht nur die motorische Entwicklung von Kindern. Er bietet die Grundlage, um persönliche Stärken zu entdecken. Das ist für den Moment genauso bedeutend wie für das spätere Leben. Es lohnt sich also, Kinder zu ermutigen, regelmäßig aktiv zu sein, und das auf eine Weise, die Spaß macht und ihr Interesse weckt.
Warum Sport für Kinder so wertvoll ist – Körper, Kopf und Gemeinschaft profitieren
Prof. Christine Joisten vom Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft an der Sporthochschule Köln forscht seit Jahren im Bereich Sport, Ernährung und die Auswirkungen auf die kindliche und jugendliche Entwicklung. Gibt es überraschende Erkenntnisse, mit denen man vielleicht überhaupt nicht gerechnet hat? „Eigentlich nichts wirklich Überraschendes, da die Rolle von Bewegung für die körperliche, geistige und emotionale Entwicklung schon lange bekannt ist“, sagt sie. Sport fördert soziale Kompetenz, körperliche Leistungsfähigkeit, Teamgeist, Fairness. Kinder lernen durch Sport Disziplin, Selbstorganisation und Motivation und sie gewinnen Selbstvertrauen.
Allem voran vermittelt Sport ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. „Ein Kind, das auf einen Baum klettert, so hoch es will, und sicher wieder herunterkommt, merkt: Wenn ich mich anstrenge, gelingt mir das. Wenn ich trainiere, werde ich besser.“ Die Auswirkungen von Bewegung sind also unmittelbar spürbar. Wenn die Sportmedizinerin Grundschulkinder befragt, was Sport bei ihnen bewirkt, erhält sie Antworten wie „Sport macht Spaß“, „Sport macht müde“, „Sport macht mich glücklich“, „Sport ist anstrengend“. „Kinder nehmen die Effekte von Sport ungefiltert wahr. Nicht nur der Körper, auch die gesamte Persönlichkeit ist gefordert“, so Joisten.
Teamgeist, Fairness & Ehrgeiz: Was Kinder im Sport sozial lernen
Aus gesundheitlicher Sicht ist es nicht wichtig, ob ein Kind Sport im Verein oder einer Gruppe betreibt. Ausschlaggebend ist, dass es sich gern bewegt, zum Beispiel gern Fahrrad fährt oder Frisbee spielt. „Einzeln betrachtet kann es dann doch einige Unterschiede geben“, erklärt Joisten. So ist Mannschaftssport naturgemäß mit mehr sozialen Erfahrungen, mit Teamarbeit und Kooperation verknüpft als Individualsport. Schließen sich Ehrgeiz und Teamplay aus? „Das kommt vermutlich eher auf den Charakter eines Kindes an“, sagt Joisten, „und nein, es schließt sich nicht aus. Einerseits kann innerhalb eines Teams enormer Leistungsdruck entstehen. Andererseits kann sehr ehrgeizigen Kindern die Erfahrung gut tun, dass nicht ein einzelner Spieler oder eine Spielerin für den Erfolg garantiert – zum Beispiel, dass es beim Fußball nötig ist, den Ball auch mal abzugeben, und dass erst ein gutes Teamplay das Tor ermöglicht.“
Teamgeist und soziale Kompetenzen entwickeln Kinder besonders beim gemeinsamen Sport in einer Gruppe. © Nina/peopleimages.com/Adobe Stock
Mit Rückschlägen umgehen: Wie Sport Kinder stark macht
Sport lehrt auch, mit Herausforderungen umzugehen und sich nicht so schnell entmutigen zu lassen. Aber wie sieht es aus, wenn ein Kind hart trainiert hat und im Wettkampf dann doch nicht auf dem Treppchen landet, sondern auf Platz 17 von 31? Trägt Sport dazu bei, besser mit Misserfolgen umgehen zu können? „Definitiv“, sagt Joisten. „Im Leistungssport entsteht schnell Druck. Etwa ab dem 3. Schuljahr steht bei vielen Sportarten die Leistung zunehmend im Vordergrund. Tatsächlich ist mit Bewegung aber viel mehr verknüpft als nur gewinnen – Körperwahrnehmung, Selbstkonzept, der Umgang mit Erfolg und Niederlagen. Daher gilt gerade körperliche Aktivität als eine der wichtigsten Säulen für eine positive Persönlichkeitsentwicklung. Um das Bild weiter zu spannen: durch Bildschirmmedien kann man das nicht vermitteln.“
Das ist der Grund, warum die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausdrücklich empfiehlt: Weniger sitzen, weniger Zeit am Handy oder vor dem Computer! Kinder bis zum Alter von 10 Jahren sollten so breit wie möglich gefördert werden und zwar in allen motorischen Fähigkeiten. Für Kinder und Jugendliche von 5 bis 17 Jahren setzt die neue Richtlinie der WHO ein Aktivitätsziel von mindestens einer Stunde pro Tag an. Die nationalen Bewegungsempfehlungen liegen sogar bei 90 Minuten und mehr. Bewegung ist gefragt, vor allem aerobe Aktivität – Ausdauersport. Der darf moderat bis intensiv ausfallen. An drei Tagen in der Woche sollten die Kinder und Jugendlichen so richtig ins Schwitzen kommen, mit einer Sportart, die Ausdauer trainiert, aber auch die Muskeln und Knochen stärkt.
Welche Sportart passt zu meinem Kind? Tipps für Eltern
Ratschläge, welche Sportarten sich wofür besonders eignen, sind schwierig. „Das kann man tatsächlich so pauschal nicht sagen, da das auch vom Individuum, dem familiären Umfeld und den Trainerinnen und Trainern abhängt. Wünschen würde ich mir, dass in der Ausbildung von Anleiter:innen ein großer Schwerpunkt auf der Förderung von sozialen Kompetenzen und mentaler Stärkung liegt.“
Zum Start einer idealen sportlichen „Karriere“ hat Christine Joisten dann doch einen konkreten Tipp: „Gehen Sie mit Ihrem Kleinkind in Krabbelgruppen oder zum Kinderturnen. Schauen Sie genau hin, was da gemacht wird, und bauen Sie den Parcours zu Hause nach – so hat Ihr Kind nicht nur eine 45-minütige Bewegungseinheit in der Woche, sondern kann das alles auch zu Hause erproben. Und am allerbesten machen Sie einfach mit!“
Schwimmenlernen stärkt das Selbstvertrauen von Kindern durch sportliche Erfolge. © Monkey Business/Adobe Stock
Was Kinder durch Sport fürs Leben lernen: Die wichtigsten Vorteile im Überblick
Disziplin und Selbstorganisation: Wer sportlich erfolgreich sein will, muss regelmäßig trainieren, sich an einen Plan halten und auch dann weitermachen, wenn es mal nicht so gut läuft. Diese Disziplin lässt sich auf viele andere Lebensbereiche übertragen.
Zielstrebigkeit und Motivation: Sport hilft uns, klare Ziele zu setzen und dafür hart zu arbeiten. Ob es um eine persönliche Bestzeit oder ein Turnier geht: Wichtig ist, dranzubleiben.
Teamarbeit und Kommunikation: Besonders in Mannschaftssportarten lernen wir, im Team zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen und uns auf andere zu verlassen. Das ist für Freundschaften wie für die Schule eine wichtige Fähigkeit.
Stressbewältigung: Sport hilft, Stress loszuwerden und sich zu fokussieren, mentale Stärke aufzubauen. Das kommt uns in schwierigen Lebenssituationen zugute.
Selbstvertrauen und Resilienz: Durch sportliche Erfolge, aber auch durch das Überwinden von Rückschlägen, gewinnen wir Selbstvertrauen. Resilienz, also die Fähigkeit, nach Misserfolgen wieder aufzustehen, wird durch Sport gefördert.
Gesunde Lebensgewohnheiten: Wer regelmäßig Sport treibt, entwickelt ein stärkeres Bewusstsein für seinen Körper und seine Gesundheit. Das führt oft auch zu gesünderen Ernährungs- und Lebensgewohnheiten.
Geduld und Ausdauer: Manchmal braucht es einfach Zeit, um Fortschritte zu sehen. Im Sport lernen wir, geduldig zu sein und Ausdauer zu zeigen. Das hilft, auch in anderen Lebensbereichen langfristig dranzubleiben.
Kreativität: Es gibt Hinweise darauf, dass Sport die Kreativität von Kindern fördern kann – in Bezug auf die Fähigkeit, Probleme kreativ zu lösen. Durch die Herausforderung, neue Fähigkeiten zu erlernen und sich in verschiedenen Situationen zu beweisen, entwickeln Kinder flexiblere Denkweisen.
Tipps & Links
Auf Instagram findet ihr unter dem Account @gesund.to.go viele Tipps zu Bewegung und Gesundheit.
Die App „fitforhealth“ vom Sportärztebund Nordrhein bietet kostenfrei Fitnesstests für Kinder und Erwachsene.