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Ausflug

„Sie kommen!“

Text und Foto: Rebecca Ramlow · 04.11.2019

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Paranoide Hassprediger: (v.l.n.r.): Hille Marks, Carmen Konopka und Franziska Schmid als das 3. Murmel-Regiment

Paranoide Hassprediger: (v.l.n.r.): Hille Marks, Carmen Konopka und Franziska Schmid als das 3. Murmel-Regiment

Die Angst geht um. Besorgte Bürger beäugen misstrauisch eine angebliche „Invasion“ von Flüchtlingen. Fremdenhass und rechtes Gedankengut sind wieder salonfähig. Auch der Wunsch nach Bürgerwehren wird laut. In Form einer absurden Patrouille – der 7. Wachsamkeitspatrouille des 3. Murmelregiments – greift das Casamax auf humorvolle und gleichsam kindgerechte Weise dieses Thema für junge Zuschauer ab sechs Jahren auf.

Im 19. Jahrhundert formierte sich in Deutschland die erste Bürgerwehr zur Verteidigung der Stadt. Nun könnte man meinen, das sei Schnee von gestern. Aber nichts da – beruhend auf einer sehr subjektiven Wahrnehmung verbreitet eine skeptische Mitte Angst in unserem Land. Das Ergebnis: Besorgte Wutbürger beäugen allerorts misstrauisch die angebliche „Invasion“ von ganzen Flüchtlingsströmen, die „ihr Land“ vermeintlich besetzen. Was absurd erscheint, ist leider Realität. Umso dringender also, dieses aktuelle Thema auf die Bühne zu bringen.

Absurdes mit Absurdem vergelten

Doch wie gelingt es, eine ernste und wichtige Angelegenheit zu präsentieren, ohne das kindliche Publikum zu verschrecken? Vielleicht, indem man Absurdes mit Absurdem vergilt. So, wie sich Regisseurin Ragna Kirck im Casamax an das Thema „Rassismus“ heranwagte: in Form einer tierischen und satirischen, total sinnbefreiten Patrouille; in Gestalt hysterisch beunruhigter Tiere (gespielt von Hille Marks, Franziska Schmid und Carmen Konopka), die phantasievolle Namen wie „Berta“, „Gerta“ und „Herta“ tragen. Die siebte Wachsamkeitspatrouille des dritten Murmelregiments, die mit Möhren und vielen Regeln bewaffnet, paranoid ihr Arsenal gegen angebliche Zuwanderer à la „Asiatischer Marienkäfer“ oder „Spanische Wegschnecke“ verteidigt. Auf Sicherheit getrimmt, stricken sich die drei wortwörtlich ihr eigenes Schreckensszenario. Regel Nr. 1: Sie dürfen nicht schlafen und müssen stets wachsam sein.

Riechbare Angst

Spannend ist zu beobachten, wie das junge Publikum auf die tierische Bürgerwehr und den damit einhergehenden, einfältigen Gruppenzwang reagiert. Als im Einklang hohle Sprüche wie „Wir sind wach, ihr seid schwach“ oder „Murmeltiere auf die Berge, alle anderen in die Särge“ zu Fahnenkult gemurmelt werden, fangen einige Kinder verlegen an zu lachen oder machen sogar mit. Soweit zum Thema Gruppendynamik ... Ihre Eltern hingegen sitzen verschämt hüstelnd im Publikum, nicht wissend, wie sie sich verhalten sollen. In ihren Köpfen spukt vielleicht die Frage herum: Wie hätte ich mich verhalten? Wird mein Kind später etwa ein Wutbürger?

Wie so häufig verkauft das Casamax die Nachwuchsgeneration nicht für dumm, sondern bezieht jene experimentell mit ein: So wird die Grenze zwischen Bühne und Zuschauerraum in einer Zwischensequenz mit blau gehaltenem Licht und Nebel durchtrennt. Als eine der Schauspielerinnen mit einer Schutzmunition ausgerüstet es wagt, ins Publikum vorzudringen, um an verschiedenen Kindern als potenziellen Feinden zu schnuppern, lacht keiner mehr. Stattdessen ist es muchsmäuschenstill. Man kann die Angst fast riechen.

Schlaft nicht ein

Was das Stück so absurd werden lässt, ist, dass es sich wie in einem Beckettschen Endspiel immer wiederholt. Murmeltiertag halt. Die drei Protagonistinnen warten bis zum Umfallen auf den angeblichen Feind, auch wenn weit und breit überhaupt gar keiner zu sehen ist. Ironischerweise macht Mutter Natur der tierischen Wachsamkeits-Patrouille irgendwann einen Strich durch die Rechnung – schließlich sind Murmeltiere ihren langen Winterschlaf gewöhnt, den sie nun leider gerade nicht antreten können. Die Stimmung kippt mehr und mehr, als die an Insomnia leidenden Tiere immer verrückter werden und verstärkt die Auswirkungen von Schlafmangel und Eiseskälte zeigen. Während die älteren beiden schließlich erschöpft einschlafen, zieht es die jüngste am Ende skurrilerweise in den Süden. Die sich wiederholende Schlaufe ist gleichzeitig symbolisch für das wiederkehrende Phänomen der Angst vor dem Fremden. Gleichzeitig vielleicht aber auch ein Aufruf, zu sagen: „Schlaft nicht ein! Steht auf! Seht hin!“

Fazit

Dem Casamax Theater ist es gelungen, auf humorvolle und gleichzeitig kindgerechte Weise ein sehr wichtiges Thema auf die Bühne zu katapultieren. Wer sich nicht zufällig im Winterschlaf befindet oder auf der Lauer nach Fremdem ist, sollte sich dieses sehr aktuelle Stück einmal anschauen. Denn: Der Aufstand ist wichtig.

Casamax Theater
Berrenrather Str. 177
50937 Köln
0221 - 44 76 61

Alle Spieltermine im Casamax Theater.