Ausflug
„Monsta – ich pass auf dich auf, wenn du schläfst ..."
Rebecca Ramlow · 19.09.2019
zurück zur ÜbersichtDas Leben als Monster ist nicht leicht. Foto Rebecca Ramlow
Wer schmiert Monstern die Brote?
Ihr kennt das vielleicht: Mitten in der Nacht wird man geweckt. Angeblich befindet sich eine ganze Kolonie von Monstern unter dem Bett des Nachwuchses. Um weiter schlafen zu können, heißt es oft von Erwachsenenseite aus: „Da ist nichts.“ Wenn auch Staubsaugen nicht hilft, mündet das Spektakel nicht selten in Streit. Um aus der Angelegenheit wieder herauszukommen, lautet der Kompromiss: „Gut. Dann ist da eben ein Monster. Dieses ist an allem Schuld. Morgen werden wir es am Schopf packen.“
Monstern wird nämlich ganz schön viel unterstellt: Angeblich sollen sie gruselig sein. Des Nachts lauern sie haufenweise unter den Betten von kleinen und großen Kindern, nur um jene ganzkörperlich zu fressen. Zeit also, das Phänomen „Monster“ einmal zu untersuchen. „Auf die Monster fertig los!“ hieß es deshalb bei der ausverkauften Premiere „Monsta“. Unter der Regie von Sarah Victoria Wagner hat sich das Comedia Theater mit Humor an ein unheimliches Thema herangewagt: An die Frage, wer sind eigentlich die Monster, die die Einbildungskraft großer und kleiner Kinder besiedeln? Und: Warum ist es ihre Schuld, dass Menschen sich vor ihnen gruseln? Sowie: Wer schmiert den armen Kreaturen die Butterbrote? So liefern sich der ein flauschiges Plüschkostüm tragende „Harald“ – nein „Monsta“ – (Franco Melis) und die „Mudda“ (Marie Anjes Lumpp) einen lustigen Grimassen-Wettbewerb. Wer sich zuerst erschreckt, hat verloren. Das Publikum lacht. Gefolgt von monströsen Rüttel- und Schütteltänzen. Denn: „Monster lieben Krach“, heißt es.
How it feels to be a Monsta
Doch den Monstern sei Dank haben sowohl Autorin Dita Zipfel, deren gleichnamiges Buch 2018 im Tulipan-Verlag erschien, als auch das Comedia Theater den Spieß umgedreht: So lassen sie unkonventioneller Weise das Leben mit all seinen Schattenseiten aus der Perspektive eines Monsters erzählen, statt wie üblich aus der langweiligen des immer motzenden Menschen. Wenngleich das Monster mit menschlichen Eigenschaften besetzt wird. So geht es auch um die Fragen: Ist „monstern“ ein Beruf? Und wer entscheidet, wo welches Monster monstern darf? „Monster haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie arbeiten“, heißt es jedenfalls auf der Bühne. Es folgt ein grotesker Wettbewerb zwischen der ihr Kind in ein winziges Puppenbettchen bringen wollenden Mutter und dem Monster – hat jenes doch die leidige Aufgabe, das Baby mit allen Mitteln zu erschrecken. Schließlich leben wir im Kapitalismus. Jenem hat sich auch ein Monster zu unterwerfen hat. So kämpft das Monster mit skurrillen Grimassen, seltsamen Geräuschen und Tanzeinlagen gegen den irritierenden Handstaubsauger der Mutter an, die das Monster unter dem Puppenbett einsaugen will.
Wie fühlt es sich an, ein Monster zu sein? / Foto: Rebecca Ramplow
Das Monster in mir
Somit geht es in dem herrlichen, ironischen Monsterstück, dessen Vorlage von Jutta M. Staerk umgeschrieben wurde, um viel mehr als um oberflächlichen Grusel: Nämlich darum, dass wir bestimmt alle schon mal jemand anderem den schwarzen Peter zugeschoben haben. Nur weil unser inneres, persönliches Monster uns nicht genauer hat hinsehen lassen. Um unsere eigenen Ängste zu verschleiern. Passend dazu geht das menschelnde Monster mit seinem Plüschkostüm auch ins Publikum, mit seinem Finger auf Menschen zeigend.
Von schnarchenden Kindern und durchdrehenden Monstern
Doch so sehr sich das Monster abmüht, indem es mit den Knochen knackt oder hysterische Schattentänze hinlegt: Das Kind im Puppenbett lässt sich nicht erschrecken, schnarcht und grunzt es doch einfach friedlich vor sich hin. Das sich in seiner Decke inzwischen panisch um sich selbst drehende Monster scheint verrückt zu werden. Schließlich kapituliert es und kündigt mit den Worten: „Tschüssikowski“. Erleichternder Weise lässt das unterhaltsame und gleichsam gesellschaftskritische Sück „Monsta“ weder das Monster gewinnen noch den doofen Kapitalismus. Im Grunde ist der einzige Sieger das schnarchende Kind.
Also, Über-Eltern aufgepasst: So sehr ihr eure Kinder auch beschützen wollt. Möglicherweise liegt eures gar nicht sich fürchtend, sondern gönnerhaft grunzend und quietschfidel im Bett. Schaut besser mal nach, wer in eurer Kinderstube die Monster-Hosen anhat.
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