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Rund ums Baby

Und Sie sind die Großeltern?

Anja Janßen · 04.03.2013

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iStockPhoto.com © Alena Paulus

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Immer mehr ältere Paare bekommen ein Baby. Nicht nur der Anteil später Mütter steigt, sondern auch die Zahl später Väter. Aber was ist mit den medizinischen Risiken und gesellschaftlichen Vorurteilen? Kein Grund zur Dramatik, sagen Experten und Betroffene.

„Wir wollen das Kind nehmen, wie es ist. Auch gerne ein Mängelexemplar.“ Der Journalist Uly Foerster und seine Frau Julia trotzten den Wahrscheinlichkeitsrechnungen, Prozentzahlen und Algorithmen, mit denen sie bei den Vorsorgeuntersuchungen konfrontiert wurden. Es ging um ihr ungeborenes Kind und sein Risiko für Trisomie 21, Pätau- und Edwards-Syndrom. Die werdende Mutter war 41 Jahre alt. Uly Foerster selbst erlebte die Geburt seiner gesunden Tochter zwei Wochen vor seinem 60. Geburtstag.

„Verantwortungslos! Egoistisch!“, schimpfen da manche und bedauern, dass die Kinder später Eltern früher (Halb-)Waisen werden können. Doch ist es wirklich verantwortungslos, wenn sich ein Mann in den besten Jahren bewusst dafür entscheidet, den Rest seiner Tage für ein Kind da zu sein? Die einen genießen die Unabhängigkeit des Rentnerlebens. Foerster dagegen ist an drei bis vier Tagen pro Woche Vollzeit-Papa. Diesen Schritt zu wagen kostete Mut, bestätigt der glückliche Vater.

Die Anzahl später Eltern steigt.

Vater werden mit über 50 – Foerster ist da nicht der einzige. Laut Statistischem Bundesamt stieg in den letzten elf Jahren die Rate der späten Väter: Im Jahr 2000 haben ein Prozent der Neugeborenen einen Vater, der 49 Jahre oder älter ist. 2011 sind es schon fast doppelt so viele. Daneben hat sich die Zahl der Neugeborenen mit Vätern zwischen 40 und 49 Jahren auf 16 Prozent verdoppelt.

Auch immer mehr Frauen gebären mit über 40 Jahren ein Kind. Natürlich zahlenmäßig auf einem niedrigen Niveau, denn die meisten Frauen bekommen ihr Kind zwischen 30 und 34 Jahren. Aber die Zahl der Spätgebärenden steigt – besonders unter den Akademikerinnen, so das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Die möglichen Gründe: Höhere Bildungsabschlüsse und entsprechende Karriereziele. Da wird die Familienplanung häufig erst einmal hinten angestellt. Dazu kommen die Überalterung der Gesellschaft und die hohen Scheidungsraten. Auch im Alter werden noch einmal Lebensentwürfe überarbeitet, neue Partnerschaften gegründet – und eben Kinder gezeugt.

Männerhand und Babyhand

istockphoto.com © Alena Paulus

Medizinische Risiken

„Ärzte weisen auf die medizinischen Risiken einer späten Elternschaft hin. Mit zunehmendem Alter steigt bei Müttern das Risiko für eine Fehlgeburt oder für genetische Veränderungen am Embryo, wie Trisomie 21. Das verunsichert natürlich viele Frauen, die spät schwanger werden. Aber laut einer Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bekommt eine Frau Anfang 40 zu fast 99% ein Kind ohne Trisomie 21. Die Statistiken und Zahlen sollten also nicht überbewertet werden.

„Da muss man resistent und in seiner Meinung gefestigt sein“, bestätigt Ingrid Rottke*, die ihr zweites Kind mit 42 Jahren und ihr drittes Kind im Alter von 45 Jahren bekam. Auch sie erlebte die Verunsicherung bei den Vorsorgeuntersuchungen. Die dreifache Mutter verzichtete bewusst auf Tests, die ihrem ungeborenen Kind das Down-Syndrom attestieren könnten. „Man muss sich entscheiden, ob man wirklich ein Kind will“, stellt sie fest. Eine Garantie auf ein nicht behindertes Kind gibt es nicht. Das erlebte Ingrid Rottke hautnah. Ihre älteste Tochter war keine typische Risikoschwangerschaft, aber durch die Geburt kam es dann zur körperlichen Behinderung. Die zwei Kinder, die sie im späten Alter zur Welt brachte, sind gesund.

„Es sind seltene Erkrankungen, für die das Risiko etwas ansteigt"

Und welche Risiken kann eine späte Vaterschaft bergen? Sperma wird durch die Teilung von Vorläuferzellen gebildet. Damit steigt im Laufe der Jahre unter anderem das Risiko für genetische Mutationen. Das belegt eine Studie an 78 isländischen Familien, veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Nature“. Väter geben demnach mehr Mutationen weiter als Mütter: Ein 36-jähriger Mann doppelt so viele wie ein 20jähriger und ein 70-jähriger acht Mal so viele. Bei den Kindern können somit neue Mutationen auftreten, die im Erbgut der Eltern nicht zu fi nden sind. Die meisten Genveränderungen sind harmlos, aber das Forscherteam unter dem Neurologen Kári Stefánsson entdeckte auch Mutationen, die in anderen Studien mit Autismus und Schizophrenie in Verbindung gebracht wurden.

Grund zur Panik? „Es sind seltene Erkrankungen, für die das Risiko etwas ansteigt“, beruhigt Prof. Dr. Gerhard Haidl, Leiter der Abteilung Andrologie der Uniklinik Bonn. Außerdem müsse bezüglich später Väter noch mehr Grundlagenforschung betrieben werden. Es sei unklar, ob die Beobachtungen bisheriger Studien dem Alter der Probanden zugrunde liegen oder beispielsweise aus ihren individuellen Umwelteinflüssen resultieren, gibt der Facharzt für Haut- und Geschlechtserkrankungen zu bedenken.

Späte Eltern genießen besondere Vorteile

Sowohl Ingrid Rottke als auch Uly Foerster entschieden sich für ein Kind. Sehen sie besondere Vorteile in einer späten Elternschaft? „Ich habe schon manches ausgelebt und muss nicht mehr alles mitmachen“, betont Ingrid Rottke. Lebenserfahrung, Meinungsbildung – die dreifache Mutter profitiert von ihrer Reife und sieht heute einiges gelassener als früher. Und Uly Foerster erfreut sich einer Lebensphase, die ihm täglich viele gemeinsame Stunden mit seiner Tochter beschert. „Viele Väter wünschen sich mehr Zeit für ihr Kind“, sagt der Journalist. Väter um die 30 bewältigen häufig vielfältige Aufgaben: Die Karriere vorantreiben, die Familie versorgen, Eigentum anschaffen. Ein 60-jähriger Vater kann da in der Regel schon einige Punkte auf der Liste abhaken.

Ein neues Bild vom Alter

Späte Elternschaft kann bedeuten, das eigene Kind in den Kindergarten zu bringen, während Freunde und Bekannte ihre Töchter und Söhne im Eigenheim besuchen. Wie gestaltet sich das Älterwerden mit Kind? „Man wird nicht jünger durch ein Kind, aber man wird ganz anders alt“, betont Uly Foerster. Andere Männer aus Foersters Altersgruppe kosten die Vorteile des Ruhestands aus. Foerster dagegen findet sich häufig zwischen lachenden und tobenden Kindern wieder und ermöglicht damit seiner Tochter auch zuhause den regelmäßigen Kontakt zu Gleichaltrigen. Auch Ingrid Rottke fühlt sich ständig gefordert. und bemüht sich gleichzeitig darum, für ihre Kinder fit zu bleiben. Flexibilität, Spontaneität, Verantwortung – hier kristallisiert sich eine neue, eine andere Sicht auf das Alter heraus.

In der Krabbelgruppe war Ingrid Rottke zum Teil 20 Jahre älter als ihre Mitstreiterinnen. Doch sie fühlte sich nie wegen ihres Alters diskriminiert. Genau wie Uly Foerster, der nicht beleidigt reagiert, wenn er mal für den Opa gehalten wird. „Allerdings gehört man nirgends richtig dazu“, berichtet der Vater. Nicht zu den jungen Vätern im Kindergarten, aber auch nicht zu den Durchschnitts-Rentnern.

Das Leben ist nicht planbar

Ein Baby kann auch die eigene Vergänglichkeit vor Augen führen. Ältere Mütter und Väter werden gerne der Verantwortungslosigkeit bezichtigt, weil sie ihre Kinder früher verlassen könnten als jüngere Eltern. Wie sehen späte Eltern in die Zukunft? „Es werden zu viele Ängste geschürt, zu viel geplant“, stellt Ingrid Rottke fest. „Es kann auch so jeden Tag etwas passieren“. Foerster befürchtet, irgendwann nicht mehr der richtige Ansprechpartner für seine Tochter zu sein. Bestimmte Aufgaben müsste dann vielleicht seine Frau übernehmen, zum Beispiel die Tochter von der Disko abholen. Aber auch er warnt davor, Verantwortung als Risikoausschluss für alles zu verstehen.

Das Leben ist nicht planbar und es kann auch nicht jedes Risiko ausgeschlossen werden. Der medizinische Fortschritt ermöglicht auch betagten Paaren ein Kind. Immer mehr ältere Frauen und Männer stehen vor der Frage, ob sie noch ein Kind zeugen wollen oder nicht. Wir haben also auch in der Familienplanung steigende Wahlmöglichkeiten. Doch wer mehr Entscheidungsmöglichkeiten hat, muss auch mehr Risiken gegeneinander abwägen. Viele Paare wollen sich vor ungeplanten Folgen der eigenen Entscheidungen schützen. Müssen wir uns am Ende vielleicht vor unseren eigenen Ängsten schützen?

Tipp

Mit sympathischer Offenheit und einer ordentlichen Portion Humor berichtet der Journalist Uly Foerster in seinem Buch „Alte Väter. Vom Glück der späten Vaterschaft"  über das Vaterwerden mit 60.

Cover Alte Väter

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