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Musiktipps von „Mama lauter!“
Thomas Hartmann · 01.10.2024
zurück zur ÜbersichtRegelmäßig neue Musiktipps von Mama lauter! © olyphotostories/AdobeStock
Johannes Stankowski – Zukunftsmusik
Für sein neuestes Projekt hat sich Johannes Stankowski Unterstützung geholt, und zwar aus 13 verschiedenen Kitas der Fröbel-Gruppe im Kölner Stadtgebiet. Fast ein halbes Jahr hat er mit Kindern im Alter zwischen 3 und 6 Jahren Instrumente gebastelt, musiziert und währenddessen auch Ideen für neue Kinderlieder entwickelt. Stankowski und seine Band glänzen auf dieser Platte wieder einmal als ein Ensemble mit Hang zu akustisch geprägtem Retro-Sound, das komplett auf musikalische Spielereien und ausschweifende Soli verzichtet. Stattdessen werden die Kinderstimmen und ihre kindlichen Perspektiven in den Mittelpunkt jedes einzelnen Liedes gestellt. Mit spürbarer Leidenschaft und großer Authentizität präsentiert der Kölner Musiker auf „Zukunftsmusik“ Kindermusik im besten Wortsinn. Wenn die Zukunft auch nur ansatzweise so harmonisch sein wird, wie dieses Album klingt, dann trägt es seinen Namen auf jeden Fall zu Recht.
Larifari – Jeder und jede
„Elf verspielte Lieder über das besonders sein“ verspricht das neueste Werk von Larifari, einem Musiker:innen-Kollektiv aus Mannheim, das innerhalb der Kindermusikszene eher den Status als Geheimtipp hat. Stilistisch ist „Jeder und jede“ von einer musikalischen Vielfalt durchzogen, die sich oft mitreißend zwischen Indie-Pop und Disco-Funk bewegt. Ähnlich wie in Fabeln greifen dabei fast alle Songs erzählerische Analogien zur Tierwelt auf und laden auf je eigene Weise zum entspannten Perspektivwechsel ein. Deutlich an jüngere Kinder adressiert erspart sich die Band dabei jede lässige Attitüde und trumpft stattdessen mit großer Authentizität auf. „Jeder und jede“ klingt nicht wie ein glattpoliertes Pop-Album und sieht auch nicht danach aus – und genau darin liegt die Stärke dieser Produktion. Getragen von vornehmlich akustischen Instrumenten und angereichert mit ansteckender Leichtigkeit entwickeln die Lieder von Larifari eine eigenwillige poetische Kraft, die trotz des ernsten Anliegens der Platte weder ins Didaktische noch ins Peinliche kippt.
Tom Lugo – Abenteuer Musik
Seit mehr als 20 Jahren ist der Musiker Tom Lugo Frontmann der Münchener Band Jamaram, die sich mit ihrer Mixtur aus Reggae, Ska, Latin, Afrobeat und Pop einen ziemlich guten Ruf erspielt hat. Lange hat Tom Lugo aber auch als Musikpädagoge gearbeitet. Fast zehn Jahre musikpädagogische Praxis gingen dem Album „Abenteuer Musik“ voraus – viel Zeit, um die Perspektiven und musikalischen Vorlieben von Kindern kennenzulernen. Die elf Songs auf dieser Platte spiegeln die Erfahrungen aus dieser Tätigkeit und versöhnen musikalischen Stilwillen mit musikpädagogischem Anspruch. Die Songstrukturen und Reimschemata orientieren sich an den Bedürfnissen von Kleinkindern und sind allesamt so angelegt, dass sie zum Mitsingen einladen. Stilistisch ist der Einfluss der Band Jamaram dabei immer hörbar. Auch wenn „Abenteuer Musik“ schon fast zehn Jahre alt ist: Diese Produktion ist eine zeitlos schöne Empfehlung für alle, die auf der Suche nach frischen musikalischen Impulsen für Kinder im Kita- und Kindergartenalter sind.
Herr Jan – Barfuß
Auf seinem dritten Album „Barfuß“ präsentiert Herr Jan zwölf neue Songs in gewohnt bestechender Qualität. Humorvolle Titel mischen sich mit Liedern voller Herzenswärme und zeugen auf vielfältige Weise vom Talent des begabten Singer-Songwriters. Mit der Unterstützung zahlreicher musikalischer Gäste ist ihm ein Album gelungen, das durch stilistische Vielfalt besticht und Kindern dabei viel zutraut. Das deutet bereits der Albumtitel an, denn wer ohne Schuhe durch die Welt läuft, der möchte etwas spüren und nimmt dabei bewusst auch Verletzungen in Kauf. Immer wieder lädt „Barfuß“ seine jungen Hörer:innen zur Reflexion und kritischen Selbstverortung ein. Herr Jan leugnet nicht, dass das Leben Höhen und Tiefen bereithält, doch trotz aller Widrigkeiten bleibt seine Haltung von Optimismus geprägt. Der transportiert sich vor allem durch die teils opulente musikalische Ausgestaltung des Albums. „Barfuß“ zeigt exemplarisch, dass Kindermusik nicht nur fröhlich, sondern auch tiefgründig sein kann und bietet im besten Sinn musikalische Unterhaltung für die ganze Familie.
Pohlmann – Dingo Ingo
Mit dem Album „Dingo Ingo“ hat der Singer-Songwriter Pohlmann schon vor drei Jahren eine überzeugende Visitenkarte als Kindermusiker abgegeben. Seine Lieder schmeicheln nicht nur verwöhnten Ohren, sondern vor allem auch solchen, die es noch werden wollen. Keine verzerrten Gitarren, keine elektronischen Beats, stattdessen stimmungs- und gefühlvoll arrangierte Songs mit eingängigen Melodien, die durchweg Freude bereiten. Bereits der Opener „BabyEierLeicht“ bringt reichlich Ohrwurmpotenzial mit und wartet mit einer selbstermächtigenden Haltung auf, die sich durch gut die Hälfte der Lieder auf diesem Album zieht. Dem gegenüber stehen eine Handvoll Songs, die mehr unterhalten als ermutigen möchten. Ein naheliegender Anspruch, der auf „Dingo Ingo“ für wohltuende Abwechslung sorgt. In vielen Songs weckt der erzählerische Rückgriff auf die Tierwelt Assoziationen zu Fabeln. Gerade diese Herangehensweise macht das Album auch für jüngere Kinder sehr zugänglich. In der Summe ist „Dingo Ingo“ ein kleines Kindermusik-Juwel.
Café Unterzucker – Freu dich mal!
Bislang folgten die Alben von Café Unterzucker verlässlich zwei Grundprinzipien. Zum einen ließen sich die Lieder immer einem thematischen roten Faden zuordnen, zum anderen wurden die folkloristisch anmutenden Lieder von kurzen Comedy-Sketchen unterbrochen, in denen das chaotische Miteinander des leicht verpeilten Chors der Romantiker ungeniert zur Schau gestellt wurde. „Freu dich mal!“ verzichtet nun erstmals auf eine inhaltliche Klammer. Weiterhin stellt das Ensemble aber die Ironiefähigkeit von Kindern auf die Probe und hält uns Erwachsenen zugleich schonungslos den Spiegel vor. Je nach Perspektive muten oder trauen Café Unterzucker ihren Hörer:innen mit diesem Album also viel zu. Musikalisch vielseitig und hochpolitisch verkörpert das Ensemble eine beschwingte Antithese zu fast allem, was die kommerziell geprägte Kinderkultur der Gegenwart ausmacht. Wer „Freu dich mal!“ als Einladung versteht, sich den Widersprüchlichkeiten des Lebens auch mal gelassen und selbstkritisch hinzugeben, der wird an diesem Album ganz sicher die im Titel eingeforderte Freude haben.
Kiri Rakete – Normal
Ist es normal, im Kinderlied über Lungen und Bronchien, die Fassadengestaltung einer Müllverbrennungsanlage oder den Fahrplanausbau im öffentlichen Nahverkehr zu singen? Womöglich nicht. Trotzdem gelingt es der Kiri Rakete, solche und weitere Alltäglichkeiten in ihre Songs einzuflechten und sie für Kinder ansprechend auszugestalten. Was soll das auch schon heißen, normal? Das ist die Grundsatzfrage, mit der die Wiener Musikerin ihre Hörer:innen nicht nur im Albumtitel, sondern mit ihrer ganzen Erscheinung konfrontiert. Nach wie vor richtet sich Kiri Rakete mit ihrer Musik vornehmlich an Kinder im Kita- und Kindergartenalter, doch trotz dieser sehr jungen Zielgruppe gestattet sie es sich, sowohl ihren persönlichen Blick auf die Welt als auch ihr Vokabular nicht künstlich einzuschränken. Ihre von Neugier geprägte Perspektive bringt sie mit charakterstarker Stimme und lebensfrohem Gemüt selbstbewusst auf den Punkt. Am Ende bleibt eine Erkenntnis hängen, die man Kindern gar nicht oft genug mit auf den Weg geben kann: „Was heißt denn schon normal, ist doch bitteschön egal.“
RADAU! – So gut wie neu
Seit 25 Jahren gibt es die Hamburger Band RADAU! inzwischen. Während dieser langen Zeit haben die vier Musiker mehrere Generationen von Kindern musikalisch begleitet und begeistert – und tun es noch bis heute. Auf „So gut wie neu“ finden sich zehn ausgewählte Hits der Band, die allesamt eine akustische Frischzellenkur durchlaufen haben. Die Qualität des Albums steht einer ausgefeilten Pop-Produktion in nichts nach und unterstreicht den Anspruch von RADAU!, Kindermusik die gleiche Sorgfalt zuteil werden zu lassen wie Musikangeboten für Erwachsene. Dass ihre Texte heute noch genauso anschlussfähig sind wie schon vor Jahrzehnten, beweist, dass mit Sorgfalt komponierte Kinderlieder eine lange Halbwertzeit haben und in Würde altern können. In temporeicher und fast durchgehend lauter Gangart machen RADAU! ihrem Bandnamen alle Ehre und gönnen sich und ihren Hörer:innen kaum Verschnaufpausen. In der Summe präsentiert „So gut wie neu“ die respektable Lebensleistung einer Band, die die Kindermusiklandschaft über 25 Jahre entscheidend geprägt hat und dabei besser klingt als je zuvor.
Suli Puschban – Unsere Stadt spricht alle Sprachen
Suli Puschban ist eine feste und geschätzte Größe der Kindermusikszene. In vielen Jahren hat sich die Berliner Musikerin mit wienerischen Wurzeln ein glaubwürdiges Standing und damit auch die Freiheit erarbeitet, sich künstlerisch kreativ austoben zu dürfen. Genau das tut sie auf ihrem neuen Album auch. „Unsere Stadt spricht alle Sprachen“ ist ihre bisher vielseitigste Platte geworden, nicht zuletzt dank der musikalischen Beiträge von insgesamt 25 Gastsänger: innen. Neben gewohnt großartigen Kinderliedern finden darauf auch einige englischsprachige Popsongs sowie lyrisch ambitioniertere Stücke Platz. Implizit stellt Suli Puschban dabei ein paar Grundsatzfragen: Wo verläuft die Grenze zwischen Unter- und Überforderung? Welche Wortwahl ist kindgerecht? Und was verbindet Kinder und Erwachsene in ihrer Begeisterung für Musik? „Unsere Stadt spricht alle Sprachen“ ist also keine Kinderplatte im klassischen Sinne geworden. Sie ist aber von der selbstbewussten Haltung, dem langjährigen Engagement, der musikalischen Experimentierfreude und nicht zuletzt der integrativen Kraft einer Künstlerin geprägt, die sich mit Leib und Seele als Kindermusikerin versteht. Reinhören lohnt sich!
Sven van Thom – Auf Zack!
Vielen Musikproduktionen für Kinder ist ihr verkrampftes Bemühen um Erfolg allzu offensichtlich anzuhören. Inhaltliche und musikalische Überzeugungskraft bleiben dabei leider allzu oft auf der Strecke. Ganz anders verhält es sich bei Sven van Thom. Hier kommt zusammen, was zusammengehört! Absolut authentisch lässt er sich auf die Lebenswelt von Kindern ein, ohne sich dabei auch nur ansatzweise anzubiedern. Manche Lieder stellen die Regeln der Erwachsenen infrage und befördern so den kindlichen Freigeist, andere fordern die Kinder inhaltlich bewusst heraus. Denn Sven van Thom scheut sich weder vor klaren Ansagen noch vor anspruchsvollem Wortwitz oder ironischen Doppeldeutigkeiten. All das verpackt er in ebenso mitreißende wie berührende Kompositionen. Sein besonderes Talent als Kindermusiker hat er schon auf dem Vorgängeralbum „Tanz den Spatz“ unter Beweis gestellt. „Spuckepack“ knüpft nahtlos daran an und setzt die Mixtur aus unterhaltsamer Albernheit und sanfter Melancholie konsequent fort. Ein beeindruckendes, vielfältiges und absolut empfehlenswertes Kindermusik-Album!
Richards Kindermusikladen – Auf Zack!
„Zackige Texte und knackige Grooves für Birne, Beine und Bauch“ verspricht der umtriebige Berliner Musiker Richard Haus – und tatsächlich hält er dieses Versprechen von der ersten bis zur letzten Sekunde seines Albums. Das beginnt bereits mit dessen musikalischer Umsetzung. „Auf Zack!“ besticht durch die eigenwillige Instrumentierung mit Sousaphon und Akkordeon. Unter vollständigem Verzicht auf elektronische Sounds und Samples gelingt es der professionell eingespielten Band, jeden Song interessant zu gestalten und dabei immer wieder auch Bezüge zu popkulturellen Vorbildern herzustellen. Inhaltlich biedern sich die Songs nicht durch Pups-Witze oder niedliche Kindersprache an, sondern überzeugen durch eine sorgfältige Themenwahl und sprachlichen Einfallsreichtum. In dieser Produktion stecken so viel Sorgfalt, Spielfreude und Detailverliebtheit, dass selbst nach dem zehnten Durchlauf keine Langeweile aufkommt. Über zwölf Songs hinweg hält das Album ein erfreulich hohes Niveau und bietet damit auch geschulten Elternohren absoluten Hörgenuss.
Sebó – Schokkoli und Brokolade
Sebastian Bosum aka Sebó gehört zu den klassischen Quereinsteigern der Kindermusik- Szene, bringt als Rapper, Sänger, Breakdancer und Schauspieler aber reichlich Bühnen-Erfahrung und jede Menge Talent mit. Inhaltlich gelingt ihm auf seinem Kindermusik-Debut „Schokkoli und Brokolade“ ein abwechslungsreicher Rundumschlag: Süßer Naschkram, nervige Nachbarn, Geschwisterliebe, stinkende Füße, Fahrradfahren – allesamt Themen, die nicht anstoßen, sondern direkt an den familiären Lebensalltag andocken. Vor allem musikalisch reißt er mit einem Mix aus Rap, Soul, Funk und Pop aber dermaßen viele Genre-Grenzen ein, dass das Zuhören für Eltern wie Kinder zu einem großen Genuss wird. In einem stilistischen Spektrum, das von Justin Timberlake über Jack Johnson bis hin zu Trettmann reicht, erschafft Sebó mit großer kompositorischer Sorgfalt etwas für den Kindermusik- Markt komplett Neues. Dieser mutig-unbefangene Umgang mit verschiedensten Genres ist absolut bemerkenswert und überaus wohltuend.
Sukini – Da haben wir den Salat
Mit ihren neuen, von Hip-Hop-Musik inspirierten Songs setzt Sukini konsequent fort, was sie auf ihrem ersten Album begonnen hat. Entschlossen positioniert sie sich als Anwältin für Kinder – vor allem für die, die sich in ihrer Individualität zu wenig gesehen oder in ihren Anliegen nicht ernst genommen fühlen. Trotz inhaltlichem Anspruch behandelt die Berliner Rapperin und Aktivistin Kinder nicht als kleine Erwachsene, sondern findet im gelungenen Zusammenspiel aus mitreißender Musik und präzise formulierten Texten eine Tonalität, die gesellschaftliche Komplexität für Kinder greifbar und zugleich gut verdaulich macht. Mit ihren politisierten Songs definiert die Musikerin vollkommen neue Maßstäbe für Kindermusik und wirkt dabei keineswegs moralisierend, sondern überaus ermutigend. „Da haben wir den Salat“ ist ein Album, von dem man sich wünscht, dass man es als Kind selbst hätte hören können.
Deniz & Ove – Looping
Als Kindermusik-Act stecken Ove Thomsen und Deniz Jaspersen quasi noch in den Kinderschuhen, doch wenn wir über qualitativ hochwertige Kinderlieder sprechen, dann gehören die Songs von Deniz & Ove zum Besten, womit man den Nachwuchs hierzulande beglücken kann. Das haben die beiden Musiker schon mit ihrem Debütalbum „Bällebad“ unter Beweis gestellt und das tun sie auch mit ihrem zweiten Album „Looping“ wieder. Ihre konsequent aus kindlicher Perspektive verfassten Texte verpackt das Hamburger Duo in genau den Sound, der schon die Musik ihrer früheren Bands Herrenmagazin und Ove geprägt hat. Im Zentrum steht die klassische Besetzung einer Indie-Rockband, angereichert mit allerlei klanglichen Experimenten und wohlklingend abgerundet mit harmonischem, zweistimmigem Gesang. Vor lauter Spielfreude scheinen sich Deniz & Ove auf „Looping“ sprichwörtlich zu überschlagen. Vom ersten bis zum letzten Ton versprüht das Album eine ansteckende Leichtigkeit. Wem bei diesen Liedern nicht das Herz aufgeht, der hat keins.
Raketen Erna – Crash! Boom! Bang!
Seit inzwischen sechs Jahren verfolgen Raketen Erna das Ziel, Haltung und Unterhaltung kindgerecht miteinander zu koppeln. Auch auf ihrem vierten Album bleibt die Berliner Band ihrem Stil treu: wenig gefällig, leicht sperrig und gerade dadurch unverwechselbar. „Crash! Boom! Bang!“ ist allerdings gar kein Album im klassischen Sinne geworden. Mit einem 24-seitigen Printmagazin stellen Raketen Erna diesmal nämlich ein schriftbasiertes Medium in den Mittelpunkt, das in Anlehnung an das klassische CD-Booklet inhaltlichen Mehrwert bieten möchte. Nicht nur Songtexte und Akkorde sind in dem comicartig gestalteten Heft zu finden, sondern auch Rätsel und Spiele. Und vor allem: reichlich Klatsch und Tratsch über Raketen Erna. Dass in diesem Musikmagazin für Kids auch ein Download-Code für alle dreizehn Songs zu finden ist, versteht sich von selbst.
Markus Reyhani – Der dickste Brummer der Welt
Auf „Der dickste Brummer der Welt“ verknüpft Markus Reyhani seine Stärken als erfahrener Songwriter mit einem überzeugenden konzeptionellen Ansatz. Gleich der erste Song „Affenbaum“ leitet in eine Fragestellung ein, die sich wie ein roter Faden durch die weitere Liedersammlung zieht: Wie gelingt es mir, ich selbst zu sein? Reyhanis Songs machen Kindern das offene Angebot, sich der Frage nach dem Sinn des Lebens aus unterschiedlichsten Perspektiven zu nähern. In insgesamt zwölf Liedern spielt der Musiker mit Variationen der immer gleichen Botschaft, die da lautet: Lausche deiner inneren Stimme! Das Album ist eine dezent instrumentierte und doch überaus heiter klingende Ermunterung zum freigeistigen Denken und spricht Kinder als selbstbestimmte Menschen mit eigenen Gedanken, Träumen, Sorgen und Befindlichkeiten an. Ein kleines Meisterwerk!
Johannes Stankowski – Flaschenpost
Mit seinen Kinderliedern fühlte sich Johannes Stankowski schon immer einem von Nostalgie geprägten Stil verpflichtet. Auch sein neues Album „Flaschenpost“ steht ganz in dieser Tradition. Es folgt dabei aber weniger einem klaren Konzept, sondern gibt sich ganz der Lust am Musizieren hin. Mit dieser Herangehensweise öffnet der Kölner Musiker weite und vor allem neue Horizonte. Nach vier Kindermusikalben, auf denen er sich thematisch größtenteils an Frühling, Sommer, Herbst und Winter abgearbeitet hat, gleicht dieses Werk einem künstlerischen Befreiungsschlag, von dem alle profitieren. Spätestens jetzt kann sich auch Johannes Stankowski das Etikett „Familienmusik“ ans Revers heften. Im Gegensatz zu manch anderen Kindermusiker: innen trägt er es allerdings mit Haltung und Stil – im Wissen darum, dass sich seine Kinderlieder nur wenig um aktuelle Hörgewohnheiten scheren. Eben deshalb sind sie auch so zeitlos schön!
Flünk – Löwenmut
Hinter der Gruppe Flünk stecken Björn und Lara Leese, die sich nicht nur ihren Nachnamen, sondern auch die Elternschaft für ihre zwei Kinder teilen. Diese Konstellation mag einer der Gründe dafür sein, dass die beiden Künstler:innen auf ihrem Debutalbum „Löwenmut“ eine sehr wohlige Atmosphäre erzeugen. In ihren von Folk-Musik geprägten Liedern konzentriert sich das Duo immer auf das Wesentliche, findet dabei aber trotzdem einen eigenen, unverkennbaren Sound und zeigt sich dabei überraschend vielseitig. Flünk verknüpfen einfache Songstrukturen mit bezaubernder Melodieführung und mehrstimmigem Gesang – ein Mix, der vor allem den Ansprüchen jüngerer Kinder gerecht wird und sie zum aufmerksamen Zuhören und Mitsingen einlädt. Auf einem Kindermusikmarkt, der sich immer stärker am popkulturellen Zeitgeist orientiert, zeugt dieser im positivsten Sinne aus der Zeit gefallene Stil von beglückender künstlerischer Eigenständigkeit. Damit beweisen Flünk sogar selbst ein bisschen Löwenmut.
Eule findet den Beat
Im Jahr 2014 erschien die erste Ausgabe der Hörspielreihe „Eule findet den Beat“, die mit dieser neuesten Produktion inzwischen vier Teile umfasst. Diesmal bekommt die sympathische Eule viel Fachwissen über verschiedene Instrumente vermittelt und erneut drängt sich das musikpädagogische Anliegen dabei offensichtlich in den Vordergrund. Das wirkt in manchen Momenten ziemlich gewollt, zugleich aber eben auch gekonnt. Es ist vor allem die stilechte und professionelle Umsetzung der einzelnen Songs, die dieser Produktion ihre besondere Qualität verleiht. Dass der Vermittlungsanspruch dabei nicht allzu penetrant rüberkommt, ist vor allem der Eigenständigkeit der Lieder zu verdanken. So haben Kinder am Ende des Hörspiels nicht nur einer überaus heiteren Geschichte und zahlreichen, höchst individuellen Songs gelauscht, sondern auch einen intensiven Crashkurs in Instrumentenlehre absolviert.
Kiri Rakete – Wohnzimmerabenteuer
Mit der Wiener Musikerin Kiri Rakete wird die Kindermusikwelt um eine sehr eigenwillige Künstlerin bereichert. Denn es bedarf schon einer sehr besonderen Gabe, sich den musikalischen Bedürfnissen der jüngsten Kinder verpflichtet zu fühlen und dabei so unerschrocken und glaubwürdig aufzuspielen. Die musikalische Arbeit von Kiri Rakete ist durchzogen von einer klaren pädagogischen Haltung, verzichtet aber darauf, pädagogischen Anspruch vermitteln zu wollen. Stattdessen steht bei ihr immer die Freude am Musizieren mit Kindern und für Kinder im Mittelpunkt. Bei all dem bringt sie genau das mit, woran es so vielen selbsternannten Kindermusiker:innen häufig mangelt: Künstlerische Überzeugungskraft. Um es mit ihren eigenen Worten auf den Punkt zu bringen: Pädagogisch wertvoll, aber unverstaubt!
DIKKA – Boom Schakkalakka
Endlich legt das rappende Nashorn DIKKA sein zweites Kindermusik-Album vor, auf dem es seine jungen Hörer:innen nach allen Regeln des Musikmarktes umgarnt. Der Herausforderung, gute Kinderlieder zu schreiben, begegnet der hinter der grauen Maskerade steckende Songwriter Sera Finale mit der gebotenen Sorgfalt und Professionalität. Viele kreative Wortspiele greifen kindliche Perspektiven klug auf, Bezüge zur Hip-Hop-Kultur der 90er-Jahre machen dabei vor allem den Eltern Freude. Auch dank vieler prominenter Gäste ist „Boom Schakkalakka“ von einer derart positiven, lebensbejahenden und stärkenden Tonalität durchzogen, dass es schlichtweg Freude bereitet. Unbedingt mal reinhören!
Muckemacher – Biri Bababai
Pünktlich zum Schulstart haben die Muckemacher mit „Ring The School Bell“ einen neuen Song veröffentlicht, der exemplarisch in ihren Global-Sound einführt. Das Berliner Kindermusik-Duo vereint Balkanbeats, Calypso, Rocksteady, Hip-Hop, Cumbia, Dub, Gypsy und Swing, garniert mit einer absolut charakterstarken Stimme. Aus gutem Grund schreiben sich die Muckemacher den Anspruch „Musik für alle“ auf die Fahnen. Und tatsächlich: Professioneller, stilechter und mitreißender kann Musik für Kinder kaum klingen – wenn dabei nicht auch Mama oder Papa ins Schwärmen geraten, dann ist ihnen nicht mehr zu helfen. Auf ihrem jüngsten Album „Biri Bababai“ (2019) präsentieren Verena Roth und Florian Erlbeck die ganze Bandbreite ihres Könnens.
Randale – Sandkastenrocker
Mit einer Mixtur aus Punk, Rock, Crossover, Reggae und Country haben sich Randale einen Namen gemacht. Ihre Songs haben so gar nichts mit den Klischees und Vorurteilen zu tun, die sich noch immer sehr hartnäckig über die Gattung Kindermusik halten – ganz im Gegenteil. Selbst von Kolleg:innen aus der Szene wird die Band für ihr klares stilistisches Bekenntnis zum Teil kritisch beäugt. Wie weit darf Kindermusik gehen? Wo hört künstlerische Freiheit auf und wo fängt pädagogische Verantwortung an? Randale lieben es, auf diesem schmalen Grat zu wandeln. Seit 18 Jahren beweist die Bielefelder Band kreatives Potenzial, künstlerische Eigenständigkeit und krisensicheres Stehvermögen – und all diese Tugenden prägen auch ihr neues Album „Sandkastenrocker“.
Medienpädagoge und Kulturwissenschaftler Thomas Hartmann empfiehlt auf seinem Online-Portal „Mama lauter!“ regelmäßig gute Kindermusik.