Kolumne
Downcycling? Nein – Upcycling!
Holger Müller · 19.05.2022
zurück zur Übersicht© Marco Montalti/Getty Images
Drama mit dem Lama! Die Lama-Tasse der Tochter ist kaputt. Präzise formuliert: das Lama hat sich abgelöst und ist auch noch in zwei Teile zerbrochen. Aber der Reihe nach: Im letzten Sommerurlaub hat sich das Kind als Souvenir eine Tasse gekauft, in deren Mitte ein kleines Porzellanlama steht und bisweilen im Kakao badet. Nein, wir waren weder in den Anden noch haben wir eine Lamawanderung gemacht. Die Sache mit dem Souvenir („sich erinnern“) ist schließlich eine sehr persönliche. Was also tun? Das Kind ist traurig und die Erinnerung wohnt ja nur in dieser Lama-Tasse. Zudem sind wir aus der Phase raus, in der wir heimlich einen Ersatz des Lieblingskuscheltiers im Schrank vorrätig hatten (zur Elternberuhigung).
Recycling ist ein echt deutsches Ding und die meisten von uns haben ein gutes Gefühl, wenn sie was in die richtige Tonne packen. Aber eigentlich müsste es Downcycling heißen, da zuerst alles geschreddert wird. Es gibt eine weitere Option: Upcycling. Das heißt, aus dem, was wir nicht mehr brauchen, auf den ersten Blick kaputt oder nicht mehr brauchbar ist, etwas Neues zu machen oder es zu veredeln. Das können wir gut selbst tun und es erspart, etwas Neues anzuschaffen (Ressourcenverbrauch) oder das Alte mit Energie (Ressourcenverbrauch) in etwas Neues umzuformen.
In Japan gibt es eine traditionelle Technik mit dem schönen Namen „Kintsugi“. Hierbei wird Zerbrochenes mit Kittmasse und einem speziellen Lack, gerne mit goldenen Pigmenten, wieder zusammengesetzt. Die Bruch- und Reparaturstellen dürfen wir dabei selbstverständlich sehen – es wird der Makel wertschätzend hervorgehoben. Der Status des Objekts erhöht sich sogar durch den stets individuellen Eingriff. Es gibt unterschiedliche Reparaturkits zu kaufen. Wir beginnen gerade mit dem Lama und freuen uns schon auf die nächste zerbrochene Tasse oder Schale. Wir brauchen bald ein Geschenk für die Oma – und das wird ein einzigartiges Upcycling- Blumentöpfchen. Selbst kaputt gemacht und dann selbst veredelt.
Autor Holger Müller lebt mit Frau und Töchtern in Köln. Als Familie versuchen sie, das komplexe Thema Nachhaltigkeit in ihrem Alltag zu leben. Holger arbeitet als Qualitätsmanager an einer Hochschule und lehrt an der Universität Duisburg-Essen, wie Nachhaltigkeit und Zukunft zu gestalten sind. Im KÄNGURU schreibt er regelmäßig über diese Ideen in seiner Kolumne „Grüner Leben“.
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